Der Dorfkönig in der Champions League
Robin Gosens spielte in der sechsten deutschen Liga und schlug sich die Nächte in Clubs um die Ohren. Heute feiert der Deutsche mit Atalanta Bergamo Premiere in der Königsklasse.
Die Sterne prangen bei Robin Gosens heute Abend zum ersten Mal auf seinem Trikot. Sterne, die der der deutsche Aussenverteidiger noch vor fünf Jahren höchstens vor den Augen hatte, als er mal wieder nach durchzechter Nacht auf dem Platz stand. «Es gab Nächte, in denen wir mehr oder weniger direkt vom Club zum Spiel gestolpert sind», sagte Gosens unlängst zu «11Freunde», als er seine unglaubliche Wandlung vom Dorfkicker am Niederrhein zum Champions-League-Teilnehmer in der Serie A Revue passieren liess.
Alleine dass sein Club Atalanta Bergamo nun zum ersten Mal überhaupt in der Königsklasse antritt, ist bereits ein kleines Märchen. Ein Cupsieg in grauer Vorzeit der 60er-Jahre galt bislang als höchstes Gefühl für die Anhänger der Schwarz-Blauen. Ohne das ganz grosse Geld, mit Typen wie eben genau jenem Robin Gosens marschierte Bergamo in der vergangenen Saison auf Rang 3, vor den Grössen aus Mailand oder Rom.
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Doch zurück zu Gosens. Noch mit 18, 19 Jahren genoss der heute 25-Jährige das Leben als Lokalheld beim VfL Rhede, Landesliga Niederrhein, Gruppe 2. Tor um Tor gelang ihm am Wochenende, Bier um Bier gab es am Abend vor jedem Spiel. Ein Probetraining bei der U-19 von Borussia Dortmund ist Gosens gemäss eigenen Angaben völllig missglückt. Beim BVB am Boden soll schon zum Aufwärmen eine Koordinationsleiter bereitgelegen sein, Gosens wusste damit nicht allzu viel anzufangen. «In Rhede machten wir ein paar Schussübungen und ein Trainingsspielchen.»
Peter Bosz als Förderer
Er sei nicht mal sonderlich traurig gewesen, erinnert er sich. Weiter ging es mit guter Laune auf dem Land. Eines Spieltags war ein Scout von Vitesse Arnheim da, beobachten wollte er eigentlich einen Spieler des Gegners. Rhede gewann überzeugend, Gosens schoss ein Tor, bereitete weitere vor. Auch vor diesem Spiel sei er um die Häuser gezogen, «aber unerklärlicherweise spielte ich die Sterne vom Himmel.» Nach dem Schlusspfiff sei der Scout dann zu ihm gekommen, «und meine grösste Sorge war sofort, dass er meine Fahne riechen könnte.»
Ob das passiert ist, ist nicht überliefert. Gosens jedenfalls trainierte plötzlich mit den A-Junioren von Arnheim, dann mit der U-23. Peter Bosz, Trainer der ersten Mannschaft und heute Coach in Leverkusen, nahm ihn ins Trainingslager mit, machte aus dem Zentrumsspieler einen Linksverteidiger. Nur wenig später wurde er zu Dordrecht ausgeliehen und dort als routinierte Abwehrkraft angekündigt. «Dabei hatte ich gerade mal eine Partie als Verteidiger gespielt.»
Im Vertragsgespräch mit der Frau des Sportchefs
Robin Gosens Karriere ist in jeder Hinsicht erfrischend ungewöhnlich. Noch als Teenager wollte er Polizist werden, bis zu seinem ersten Profivertrag in Holland büffelte er noch für die Matur, welche er mit der Abschlussnote 2,0 (in der Schweiz: 5,0) bestand. Gosens, der Kicker vom Dorf, der Maturand, der Polizei-Aspirant. Im Fussballgeschäft fand er sich auch nach seinem Quereinstieg erstmal nur schwer zurecht.
Im Winter 2016 spielte er schon in der Eredivisie bei Heracles Almelo, erholte sich mit seinen Mitspielern gerade am Ballermann in Mallorca von der Vorrunde, als sein Berater übereilig einen Vertrag mit Atalanta Bergamo abschloss. Gosens flog zurück nach Holland, entliess seinen Berater und plante, erstmal bei Almelo zu bleiben. Tage später klingelte sein Handy, Atalantas Sportchef war dran, der kein Wort Englisch sprach.
Gemeinschaftssinn aus der Kumpeltruppe
Mit der Frau des Sportchefs schliesslich verhandelte Gosens seinen ersten Vertrag in der Serie A. In Bergamo etablierte er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten, auch hier kam ihm sein ungewöhnlicher Weg zugute. «Ich habe nie das Konkurrenzdenken entwickelt, das viele meiner Kollegen heute prägt.» Gosens Jahre in der Regionalliga, «in dieser Kumpeltruppe», wie er sagte, schärften seinen Gemeinschaftssinn.
Das Fernstudium in Psychologie dürfte durch die Champions League vorübergehend ein wenig zu kurz kommen. Bald spielt Gosens mit Bergamo gegen City, im Ausweichstadtion San Siro in Mailand. Heute startet Atalanta in Zagreb gegen Dinamo in die Königsklasse. Es ist ein vorzeitiger Höhepunkt auf dem Weg des Dorfkönigs in die grosse Stadt des Fussballs.
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