Das traditionelle «Schulreisli»Der Bundesrat in Freizeitkluft von Apéro zu Apéro
Die Landesregierung beginnt die Sommerferien mit einer zweitägigen Reise durch den Kanton Freiburg. Dort demonstriert der Bundesrat Volksnähe.
Für einmal «ohne Stress» mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen sein. Das sei, sagte Bundespräsident Alain Berset am Donnerstagmorgen, der zweitwichtigste Grund für den traditionellen Ausflug des Bundesrats.
Er findet immer nach der letzten Sitzung statt, dauert immer zwei Tage und führt (sozusagen) immer in den Heimatkanton des aktuellen Bundespräsidenten. Diesmal also nach Freiburg.
Dichtgepacktes Programm
«Ohne Stress» bedeutet vor allem, dass sich die Bunderatsmitglieder in lockere Freizeitkluft werfen. Im Übrigen ist das Programm dichtgepackt: Der erste Tag begann am malerischen Schwarzsee mit einem Fototermin und einem Treffen mit den, wie die Bundeskanzlei schreibt, «lokalen Behörden».
Er ging weiter im ebenso malerischen Murten, wo der Bundesrat mit den dortigen lokalen Behörden zusammentraf, sich ein Digitalpanorama der Schlacht bei Murten erklären liess und Journalistenfragen beantwortete.
Dann kam das, was Bundespräsident Berset als den wichtigsten Programmteil bezeichnete: die Begegnung mit der Bevölkerung in Form eines Apéro auf dem Platz vor der französischen Kirche. Dann ging es weiter mit dem Schiff über den Murtensee. Am Abend stand dann ein weiterer Apéro gefolgt vom gemeinsamen Nachtessen auf dem Programm.
Am Freitag geht es im selben Stil weiter: Treffen mit lokalen Behörden und der Freiburger Kantonsregierung, diesmal in der Kantonshauptstadt Freiburg. Und nochmals ein Apéro mit der Bevölkerung. Man könnte sich stressärmere zwei Tage vorstellen.
Das «Schulreisli» gibt es seit 1957. Es spielt in der Schweizer Politfolklore eine so grosse Rolle, dass es dazu sogar eine 300 Seiten dicke wissenschaftliche Arbeit gibt: «Der Bundesrat auf der Schulreise» des Historikers Michael Brupbacher verspricht einen «geschichtswissenschaftlichen Blick auf den alljährlichen Ausflug der schweizerischen Landesregierung und dessen Bezug zur politischen Kultur der Schweiz».
Brupbacher schreibt: «Regierung und Volk stehen bei solchen Anlässen in unmittelbarem Kontakt, das gemeinsame Einnehmen einer kleinen Mahlzeit und das Trinken schaffen eine Atmosphäre der Verbundenheit.»
«Dieser Anlass ist der Bevölkerung gewidmet»
Moritz Leuenberger, Bundesrat von 1995 bis 2010, erlebte es anders: «Mich hat es immer etwas gefröstelt», sagte er einmal dem «Tages-Anzeiger». Denn die wahren Begegnungen fänden im Tram, im Bus und auf dem Markt statt.
Leuenberger hält schon das Wort «Volksnähe» für verräterisch: In letzter Konsequenz bedeute es ja, dass es eine «ursprüngliche Distanz» zwischen Volk und Regierung gäbe. Und die müsse dann bei einem Apéro künstlich überwunden werden.
Den Leuten in Murten lag nichts ferner als solche Überlegungen: Man genoss die gouvernementale Volksnähe, den Wein, die gereichten Happen und die Gelegenheit zum Selfie mit dem Bundesrat.
Das lässt sich den Pressebildern entnehmen. Mehr mediale Berichterstattung war nicht erlaubt. Bundesratssprecher André Simonazzi liess vorab ausrichten: «Dieser Anlass ist der Bevölkerung gewidmet.» Deshalb seien nur Bildaufnahmen möglich. Keine Interviews, keine Statements.
Die Inszenierung der Volksnähe braucht keine Worte.
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