Produktionsverlagerung wegen Engpässen Der Chef von Boss setzt auf Anzüge aus der Türkei anstatt aus Asien
Der Schweizer Daniel Grieder will als CEO des deutschen Labels Hugo Boss wieder dort produzieren, wo auch eingekauft wird.
Hugo-Boss-Chef Daniel Grieder ist seit über einem halben Jahr an der Spitze des deutschen Modelabels. Innert kurzer Zeit hat der Schweizer schon grosse Pläne und eine neue Strategie geschmiedet. Seine Vision und seine Aufgabe sind klar: Er soll die Marke, die in den vergangenen Jahren zunehmend an Relevanz und Status verloren hat, wieder zu einem der erfolgreichsten Herrenausstatter im Premium-Segment machen.
Dies strebt der 60-Jährige ausgerechnet in Zeiten der Pandemie an, in denen hauptsächlich Trainerhosen und Pyjamas getragen werden und das Geld anstatt für schicke Anzüge und elegante Deux-Pièces lieber für kuschelige Gewichtsdecken und ergonomische Bürosessel ausgegeben wird.
Laut dem Hugo-Boss-Boss wurde der Markt von der Pandemie zwar hart getroffen, doch der Nachholbedarf bei den Kundinnen, nachdem so viele Hochzeiten und Black-Tie-Events verschoben worden waren, war grösser als erwartet. So befürchtete das deutsche Modehaus einen Einbruch beim Verkauf von Anzügen und formeller Kleidung von 50 Prozent. «Das ist nicht eingetreten, und darüber sind wir sehr froh», so Grieder gegenüber der «Financial Times».
Doch der Weg aus der Fashion-Katastrophe «Homeoffice» ist nicht seine einzige Baustelle. Grieder strebt Grosses an. Mit seiner geplanten Wachstumsstrategie will der ehemalige Globus-KV-Lehrling den Umsatz des Konzerns bis 2025 auf 4,15 Milliarden Franken bringen, was einer Verdoppelung der aktuellen Verkaufszahlen entspricht.
Dieses Wachstum will der ehemalige Chef vom US-Modelabel Tommy Hilfiger aber nicht etwa mit Sparmassnahmen wie Entlassungen an teureren Produktionsstandorten und Outsourcing in günstige Regionen erreichen, wie es oft bei Managern von Grosskonzernen üblich ist.
Diversifizierung des Angebots
Neben grossen Ausgaben fürs Marketing und einer Diversifizierung des Kleiderangebots hin zu Casual Wear will Grieder die Produktion dort hinbringen, wo die Produkte auch tatsächlich nachgefragt werden. Nämlich zurück zu ihrem Hauptmarkt Europa. Deshalb will Hugo Boss nun seine grösste Produktionsstätte in der Türkei ausbauen. In Izmir, der Fashion-Hauptstadt des Landes schlechthin, werden zu den bereits 2000 dort tätigen Angestellten weitere 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter engagiert.
Ausschlaggebend für den Entscheid, die Produktion im eigenen Markt zu fördern, war aber nicht etwa ein Qualitätsaspekt oder die besseren Arbeitsbedingungen gegenüber Südostasien, wo die meisten Kleider hergestellt werden. Sondern die Probleme mit den Lieferketten im asiatischen Raum. Seit mehreren Monaten lähmen Produktions- und Lieferengpässe die Handelswege weltweit. So liess Grieder verlauten, dass die Unterbrechungen in den Lieferketten Hugo Boss und seine Konkurrenten vor «unglaubliche Herausforderungen» stellten, die zu Lieferengpässen, Verzögerungen und höheren Versandkosten führten.
In Izmir wurde die Produktion bereits dieses Jahr hochgefahren; laut Grieder war es ein «enormer Wettbewerbsvorteil», so nah in Europa eine eigene Fabrik zu haben. Und seine Rechnung scheint aufzugehen: In seinem ersten Quartal als CEO ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahres-Pandemie-Quartal um 40 Prozent gestiegen. Die Verkäufe schossen um sieben Prozent die Höhe verglichen mit dem dritten Quartal 2019.
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