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Corona-Debatte in Deutschland
Der Anführer der Normalisierer

Versucht, einen Weg aus der Krise zu zeigen: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mit Medizinstudenten in Düsseldorf.
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Man kann in diesen Wochen der Pandemie das Handeln des einen nicht ohne das des anderen beschreiben: Armin Laschet und Markus Söder, christdemokratische Ministerpräsidenten der beiden grössten und vom Virus am stärksten betroffenen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern, sind zu Gegenspielern geworden. Zu Antipoden gar. Söder als Treiber, Laschet als Getriebener.

Schon optisch sind die Gegensätze der beiden frappant. Hier der Hüne Söder, markig, souverän, selbstbewusst. Dort der kleine Laschet, zerknittert und nuschelnd. Es war Söder, der Deutschland in den Stillstand trieb. Jede harte Massnahme verkündete er als Erster, nie konnte es ihm schnell genug gehen. Und jetzt, wo erste Lockerungen umgesetzt werden, bremst und warnt er, wo er nur kann.

Merkels Kritik zielte auf ihn

Laschet wirkte von Anfang an, wie wenn er stets nur reagieren würde. Söders Weg zum Shutdown versuchte er zu verschleppen, wo immer es ging – bis ihn schliesslich sogar seine eigenen Leute mahnten. Nun kann es ihm mit der Öffnung nicht schnell genug gehen. Als Erster legte er einen ausgearbeiteten Fahrplan zum Ausstieg vor, sogar eine virologische Studie liess er sich dafür massschneidern. Während Bayern Schulöffnungen erst allmählich ins Auge fasst, will Nordrhein-Westfalen auch Kitas schon bald wieder öffnen. Während im Rest Deutschlands kleine und mittlere Läden sachte wieder aufgehen, denkt Laschet schon an Möbelhäuser und Einkaufszentren.

Als Kanzlerin Angela Merkel und Söder als Vertreter der Bundesländer kürzlich die ersten Schritte aus dem Lockdown vorstellten, mahnten beide zur Vorsicht und warnten vor «falschem Vorpreschen». Alle wussten, dass damit zuvorderst Laschet gemeint war. Auch als Merkel in der CDU-Führung über «Öffnungsdiskussionsorgien» schimpfte, galt der Tadel vor allem ihm, dem stellvertretenden Vorsitzenden.

Laschet sieht sich jetzt als Schutzpatron der Eingesperrten und Benachteiligten.

Laschet dagegen sieht sich als Schutzpatron der Eingeschlossenen und Benachteiligten, denen man endlich eine Perspektive aus der Krise aufzeigen müsse. Nur so, glaubt er, würden sich die Bürger weiter an die geltenden Einschränkungen halten. Deutschland sei doch kein Labor, in dem man 80 Millionen Menschen isoliert halten könne, sondern ein Land, das lebe und Grundrechte habe.

Der 59-jährige Aachener bedient damit eine sich auch in Deutschland schnell ausbreitende Sehnsucht nach Rückkehr in eine «verantwortungsvolle Normalität», wie Laschet es nennt. Man solle keine Normalität simulieren, wo diese noch nicht möglich sei, bemerkte Söder dazu trocken.

Kann er Kanzler?

Laschets grösstes Problem ist, dass er sich mit seiner forschen Öffnungslinie bisher kaum durchgesetzt hat. Im letzten Rat von Merkel mit den Ministerpräsidenten lief er mit nahezu all seinen Forderungen auf, entsprechend kläglich fiel sein Auftritt danach aus: Er versuchte so zu tun, wie wenn die anderen seinen Vorstellungen gefolgt wären, obwohl offenkundig das Gegenteil der Fall war. Seither setzt er die Beschlüsse in Nordrhein-Westfalen so eigensinnig um, dass Merkel letzten Donnerstag erneut warnte, einzelne Bundesländer gingen «zu forsch» vor.

Auch wenn der Rheinländer jeden Hinweis darauf wegwischt, wissen natürlich alle, dass seine Corona-Politik auch ein Wahlkampf in eigener Sache ist. Laschet will Ende des Jahres Parteichef werden, danach Kanzlerkandidat und Kanzler, Merkels Nachfolger also. In diesem Licht wird sein Verhalten in der Krise besonders kritisch beäugt: Kann Laschet Kanzler?

Auch da ergibt sich für viele Deutsche eine Antwort derzeit am ehesten aus einem Vergleich mit seinem Gegenspieler. Und der fällt bisher nicht zu Laschets Gunsten aus: Neben Merkel gilt nicht er, sondern Söder in der Krise als wichtigster Anführer. Das sehen nicht nur die meisten Medien und Umfragen so, sondern auch viele Politiker der Union.

Laschet hofft, dass seine Stunde noch kommt

In Bayern standen zuletzt 94 Prozent der Befragten hinter dem CSU-Chef – ein Wert, wie man ihn für einen Ministerpräsidenten in Deutschland noch nicht gemessen hat. Söder beteuert immer noch eisern, dass sich die Frage einer Kanzlerkandidatur für ihn nicht stelle. Sein Platz sei und bleibe in München, wenigstens für ein paar Jahre. Dass sich das schnell ändern kann, sollte Söder von der Union als «Retter in der Not» gerufen werden, ist freilich auch allen klar.

Laschet wiederum hofft darauf, dass in späteren Phasen der Pandemie nicht mehr die schnellste und härteste Reaktion gewinnt wie zu Beginn, sondern Qualitäten, die ihn bevorteilen: Umsicht und Besonnenheit, die Fähigkeit, unterschiedliche Interessen und Meinungen zu vereinen. Schliesslich das Mitgefühl für jene, über deren Nöte man aus seiner Sicht derzeit zu wenig spricht: Kinder, Mütter und Alte etwa, Restaurantbesitzer, Kulturveranstalter oder Fussballclubs.

Laschet und Söder jedenfalls haben ihre Positionen fürs Erste bezogen. Wie ihre Gunst sich in den nächsten Monaten entwickelt, wird aber nicht nur von ihrem Geschick abhängen. Sondern mindestens so stark von den Unberechenbarkeiten der Pandemie.