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Bundesasylzentrum im Kanton Schwyz
«Bin ich jetzt auch Flüchtling, wenn ich mich hier nicht mehr wohlfühle?»

Anwohner tun der ablehnung kund, vor der oeffentlichen Infoveranstaltung ueber das geplante Bundesasylzentrum auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen oberhalb des Lauerzersee in der Gemeinde Arth-Goldau am Mittwoch, 17. April 2024 in der Dreifachturnhalle Allmig in Oberarth. Auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen plant der Kanton Schwyz und der Bund ein Bundesasylzentrum ohne Verfahrungsfunktion fuer maximal 170 Personen. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
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«Wer kommt da eigentlich?», fragt Christine Schraner Burgener in die gut gefüllte Turnhalle. Sie fragt weiter: «Kommen zu viele? Wird dann meine Tochter im Postauto blöd angemacht?»

Mittwochabend, Dreifachturnhalle Allmig der Mittelpunktschule in Oberarth SZ. Vertreterinnen und Vertreter aus Regierungsrat, Gemeinde und Schraner Burgener, die höchste Asylverantwortliche des Landes, stehen der Bevölkerung Rede und Antwort. 

Das Thema: das geplante Bundesasylzentrum auf dem Areal Buosingen. Dort, wo heute ein Campingplatz steht, sollen künftig bis zu 170 Asylsuchende auf ihre Ausreise warten. Solche, die abgewiesen wurden oder an Drittstaaten verwiesen werden. Ende Januar wurde das Vorhaben bekannt.

Das Ziel: das Überzeugen der besorgten und – wie sich noch zeigen wird – hässigen Bevölkerung der Gemeinde Arth. Das Interesse ist gross. Für 1600 Leute ist die Halle in Oberarth bestuhlt. Etwas mehr als 1000 sind gekommen.

Rund 700 Buerigerinnen und Buerger sind anwesend, anlaesslich der oeffentlichen Infoveranstaltung ueber das geplante Bundesasylzentrum auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen oberhalb des Lauerzersee in der Gemeinde Arth-Goldau am Mittwoch, 17. April 2024 in der Dreifachturnhalle Allmig in Oberarth. Auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen plant der Kanton Schwyz und der Bund ein Bundesasylzentrum ohne Verfahrungsfunktion fuer maximal 170 Personen. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

«In den letzten drei Monaten hat sich einiges an Protesten entladen», sagt der Arther Gemeindepräsident Ruedi Beeler zu Beginn des Infoanlasses. Er appelliert, dass heute niemand «beleidigt oder beschimpft wird». 

SVP Schwyz opponiert seit Tag 1

Die Wogen gingen in den letzten Monaten vor allem bei der Protestführerin hoch, der SVP Schwyz. Am Tag der Bekanntgabe startete sie sogleich eine Unterschriftensammlung und überreichte Bundesrat Beat Jans schliesslich eine Petition gegen das Bundesasylzentrum.

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Im Februar demonstrierten Parteimitglieder und Sympathisanten bei strömendem Regen neben dem Campingplatz Buosingen. Inklusive dem mittlerweile nationalen Parteipräsidenten Marcel Dettling, der ins Mikrofon rief: «Wir wollen kein Ausschaffungszentrum, sicher nicht auf dem Land und ganz sicher nicht im Kanton Schwyz!»

Und auch an diesem Mittwoch herrscht Proteststimmung, noch bevor der Infoanlass beginnt. 14 Freiheitstrychler ziehen mit lautem Gebimmel und der Parole «Friede, Freiheit, Souveränität» vor den Eingang der Turnhalle. Dort halten mehrere Gegnerinnen und Gegner des Zentrums Plakate in die Höhe: «Grenzen schützen statt Asylzentrum bauen!», steht auf einem. Auf dem anderen: «Wir fordern Remigration – Nein zum Bundesasylzentrum!»

Mit Remigration gemeint ist die Abschiebung von Millionen Migrantinnen und Migranten. Der Begriff wird vor allem von rechtspopulistischen bis rechtsextremen Gruppierungen benutzt.

Auch Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Junge Tat sind angereist, wie die Kantonspolizei Schwyz am Tag darauf bestätigt. Wie viele, gibt sie nicht bekannt. Da die Mitglieder aber im Hintergrund respektive Publikum bleiben und es kein organisierter Auftritt ist, bleibt ihre Teilnahme ohne Konsequenzen.

Eine halbe Stunde später steht Schraner Burgener am Rednerpult. Ihre Methode: überzeugen durch Empathie. «Das Fremde macht uns Menschen Angst. Überall auf der Welt.» Und ja, es gäbe auch solche, die sich nicht an die Regeln hielten. «Sie pöbeln oder greifen andere an, fallen im öffentlichen Raum negativ auf oder werden gar straffällig.» Dagegen würden die Behörden entschlossen vorgehen.

Ein Raunen geht durch den Saal. Immer wieder an diesem Abend. Vor allem, wenn die Behörden versichern, dass man etwas gegen delinquente Asylsuchende tut. Dass das SEM für die Sicherheit zuständig sei. Und die Kosten dafür trage.

Start frühestens 2030

SEM-Vizedirektor Marcel Suter tritt ans Mikrofon. Er ist für die Bundesasylzentren zuständig. Seine Methode: überzeugen mit Zahlen. Etwas viele Zahlen. Über 30’000 Asylgesuche letztes Jahr, über 30’000 voraussichtlich auch im laufenden Jahr. Bis zu 24 Monate dauere es, bis das konkrete Bauprojekt ausgearbeitet sei. Noch mal so lange gehe es, bis Einsprachen, Bereinigungen, Entscheide durch den Bundesrat und Bundesparlament durch wären. Und dann der Bau. Dauer: bis zu 36 Monate. Was er sagen will: Vor 2030 wird kein Asylsuchender in Buosingen ein Bett beziehen.

Drohnenaufnahme vom Camping Platz zwischen Lauerz und Goldau. 18.01.24

Geplantes Bundesasylzentrum auf Schwyzer Camping Platz - die Wogen gehen hoch

Die Kantons- und Gemeindevertreter versuchen es schliesslich mit Überzeugen durch Entlastung. «Die Asyllast ist heute da, und sie ist massiv», sagt Gemeindepräsident Beeler. Mit einem Bundesasylzentrum müsse die Gemeinde künftig praktisch keine Asylsuchenden mehr aufnehmen.

Entlastet werde auch der Kanton, betont Regierungsrätin und Schwyzer Migrationschefin Petra Steimen-Rickenbacher (FDP). Denn auch allen anderen Gemeinden im Kanton würden weniger Asylsuchende zugeteilt. Und statt ursprünglich 340 habe man nur halb so viele Plätze im Bundesasylzentrum aushandeln können.

Die Staatssekretaerin des SEM, Christine Schraner Burgener, links, und Gemeindepraesident von Arth, Ruedi Beeler, rechts, anlaesslich der oeffentlichen Infoveranstaltung ueber das geplante Bundesasylzentrum auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen oberhalb des Lauerzersee in der Gemeinde Arth-Goldau am Mittwoch, 17. April 2024 in der Dreifachturnhalle Allmig in Oberarth. Auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen plant der Kanton Schwyz und der Bund ein Bundesasylzentrum ohne Verfahrungsfunktion fuer maximal 170 Personen. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Nach 90 Minuten Präsentation steht gut ein Dutzend Schwyzer in der Mitte der Turnhalle Schlange. Zwei Mikrofone wurden aufgestellt. Die Bevölkerung kann Fragen stellen. Das nutzen ausschliesslich Gegner und Gegnerinnen des Bundesasylzentrums. «Ich bin stolz auf unsere Heimat, offenbar stolzer als unser Gemeinderat», sagt einer und erntet grossen Applaus. «Hättet ihr die Bevölkerung gefragt, wäre das Projekt umgehend gebodigt worden», fährt er weiter und wirft den Behörden vor: «Hauptsache, die Kasse stimmt.»

Es folgt Gegenvotum an Gegenvotum. Vor allem sorgt man sich um die Sicherheit. Vielen geht es aber um eine Grundsatzkritik an der Asylpolitik.

Einige aus dem Publikum verlieren leicht die Fassung. Es wird geflucht, die Hände über dem Kopf verworfen. Ein Mann vergleicht den Behördenauftritt mit Hitler: «Der stand auch vorne und sagte: Ihr müsst das jetzt machen!» Einer fragt zynisch: «Bin ich jetzt auch ein Flüchtling, wenn ich mich hier nicht mehr wohlfühle?»

Rund 700 Buerigerinnen und Buerger sind anwesend, anlaesslich der oeffentlichen Infoveranstaltung ueber das geplante Bundesasylzentrum auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen oberhalb des Lauerzersee in der Gemeinde Arth-Goldau am Mittwoch, 17. April 2024 in der Dreifachturnhalle Allmig in Oberarth. Auf dem Gelaende des Campingplatzes Buosingen plant der Kanton Schwyz und der Bund ein Bundesasylzentrum ohne Verfahrungsfunktion fuer maximal 170 Personen. (KEYSTONE/Urs Flueeler)

Je länger der Abend dauert, desto aufgeladener ist die Stimmung. Ein junger Mann aus Arth steht plötzlich auf und ruft nach vorne: «In Embrach hatten sie im Bundesasylzentrum 600 statt 340 Flüchtlinge!» Immer wieder wird angezweifelt, ob es denn auch bei den 170 Asylsuchenden in Buosingen bleiben würde. «Der Bund hält seine Versprechen», entgegnet SEM-Vizedirektor Suter. Buhrufe ertönen.

Vier Stunden dauert der Anlass. Immer wieder droht die Stimmung zu kippen. Vor allem aber zeigt sich: Die Bewohnerinnen und Bewohner wollen konkrete Zahlen. Nur nicht jene aus der SEM-Präsentation. Wie viel zahlt der Bund für den Campingplatz? Wie viel kostet der Bau des Bundesasylzentrums? Wie viel der jährliche Betrieb? Es sind Fragen, für die es gemäss den Behörden zu früh ist.

Schraner Burgener gibt sich danach gelassen. «Es war sehr lebendig und sehr kritisch.» Sie glaubt, man habe viele Fragen beantworten können. «Aber wir konnten wohl nicht alle Ängste nehmen.» Darum gelte es, weiterhin aktiv den Dialog zu suchen. Oder eben: überzeugen durch Empathie.

Für viele Anwesenden ist es bereits zu spät, ihre Meinungen sind gemacht.