Debatte über die AltersarmutReiche Rentner - Vermögen wächst im Ruhestand
Die Initiative für eine 13. AHV-Rente der Gewerkschaften kommt am 3. März zur Abstimmung. Doch eine Studie zeigt: Nur wenige Rentner sind finanziell am Limit.
«Die Rente reicht nicht mehr» lautet der Slogan der Kampagne für die 13. AHV-Rente. Die Rede sei von Menschen, welche ihr ganzes Leben lang gearbeitet und sich immer als Teil der Mittelschicht verstanden hätten, propagiert der Chef des Gewerkschaftsbundes Pierre-Yves Maillard. Und weiter: «Menschen, die von einem durchschnittlichen Einkommen gelebt haben, wissen schlicht nicht mehr, wie sie über die Runden kommen.»
Dieser Theorie widerspricht der Lausanner Ökonomieprofessor Marius Brülhart. Die Pensionierung bedeute zwar einen Umbruch im Leben, dennoch führe der Ruhestand beim Normalbürger nicht zu einem finanziellen Abstieg, wie er gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagt: «Gemäss Statistik steht die Mehrheit der Rentner finanziell gut da. Sie sind zudem seltener von Armut betroffen als jüngere Altersgruppen.»
Brülhart verweist auf die Erhebung des Bundes zu Einkommen und Lebensbedingungen. Von den 18’000 Befragten stuften nur drei Prozent der Rentner ihre finanzielle Zufriedenheit als «gering» ein. 56 Prozent zeigten sich «sehr zufrieden». Zum Vergleich: Bei den Erwerbstätigen sind es gerade einmal 35 Prozent.
Rentner müssen nicht ihr Erspartes anzapfen
Der Theorie von Maillard widerspricht auch die Studie von Philippe Wanner aus dem Jahr 2022. Elf Kantone hat der Professor für Demografie und Sozioökonomie an der Universität Genf im Auftrag des Bundes analysiert und und ist dabei auf Wohlstand gestossen. Eine alleinstehende Person startet ihren Ruhestand demnach mit Ersparnissen von 130’000 Franken, bei einem Paarhaushalt liegt das Nettovermögen im Median gar bei 370’000 Franken.
Am Erstaunlichsten ist aber, dass viele Rentnerinnen und Rentner ihre Reserven nicht einmal anzapfen müssen. Im Gegenteil: Die Ersparnisse nehmen im Alter sogar noch weiter zu, nicht zuletzt dank der Rente aus der Pensionskasse. Alleinstehende haben im Alter von 90 Jahren im Durchschnitt 210’000 Franken auf dem Konto – das sind 80’000 Franken mehr als zu Beginn. Paare schaffen es sogar auf 420’000 Franken.
Rentner besitzen häufiger Immobilien
Für diesen Anstieg sorgen zwar vor allem die vermögenden Rentner. Doch selbst der untere Mittelstand schafft es gemäss der Studie, das Vermögen leicht auszubauen. Die Untersuchungen zeigten, «dass die Pensionierten nicht nur mehr Vermögen besitzen als die Erwerbstätigen», sondern auch über ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko verfügten, so Wanner gegenüber der «NZZ am Sonntag». Hinzu kommt, dass Rentner häufiger Immobilien besitzen als die jüngere Generation.
Dass das Vermögen gerade im Alter zunimmt, liegt auch an den Erbschaften. Weil die Lebenserwartung steigt, «erben die meisten Leute erst im Alter zwischen sechzig und siebzig Jahren«, so Brülhart.
Alleinerziehende Frauen, Migranten, Bauern und ein Teil der Selbständigen seien am häufigsten von Armut betroffen. Der grösste Teil der Bevölkerung, inklusive Mittelstand sei auch ohne eine 13. AHV-Rente gut für den Ruhestand gerüstet. Brülhart kritisiert die Initiative: «Man würde noch mehr Mittel von Jung zu Alt umverteilen, obwohl die Armutsquote unter den Jüngeren höher ist.»
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