Corona-Fallzahlen in IsraelDas Virus kehrt zurück
Im Land der Impfweltmeister waren bereits alle Beschränkungen aufgehoben, nun aber schnellen die Corona-Fallzahlen in Israel wieder in die Höhe. Die neue Regierung setzt auf eine Strategie der «sanften Unterdrückung».
Selbst die schönsten Titel lässt das Virus verblassen, und so hat auch der selbst erklärte «Impfweltmeister» Israel nun wieder mit schnell steigenden Corona-Infektionen zu kämpfen. Nachdem im vorigen Monat bei täglichen Fallzahlen von unter 10 bereits der Sieg über die Pandemie verkündet und jegliche Beschränkung aufgehoben worden war, wurden am Dienstag wieder 730 Neuinfektionen binnen 24 Stunden vermeldet. Nun sucht das Land nicht nur nach neuen Wegen aus dem Delta-Varianten-Dilemma, sondern auch nach Schuldigen für die Rückkehr der Bedrohung.
Eine Strafe Gottes sieht darin zum Beispiel Moshe Gafni, Vorsitzender der ultraorthodoxen Partei Vereinigtes Thora-Judentum. Gestraft wird nach seiner Logik die neue Regierung, die es gewagt habe, die frommen Parteien aussen vor zu lassen, und deshalb den «göttlichen Beistand verloren» habe. Ähnlich, nur weniger fromm, argumentiert Ex-Premier Benjamin Netanyahu, der in den steigenden Corona-Zahlen einen Beleg dafür sieht, dass ohne ihn nichts geht und das Virus wiederkommt. Der seit einem Monat amtierende neue Regierungschef Naphtali Bennett dagegen verweist auf Fehler und Versäumnisse der alten Führung, die sich nun rächten.
Bennett holt Rat bei Johnson
Bennett, der in seiner Oppositionsvergangenheit gern und oft den Corona-Experten gegeben hatte, will der neuen Welle mit einer Strategie unter dem Titel «Sanfte Unterdrückung» begegnen. Im Kern geht es dabei darum, die Infektionszahlen zu senken oder zumindest unter Kontrolle zu halten, ohne dabei mit neuen Restriktionen der Wirtschaft zu schaden. Abgestimmt hat er sich in der vorigen Woche telefonisch mit dem britischen Premier Boris Johnson.
So ungestüm wie die Briten will Bennett allerdings nicht vorgehen. Er spricht mit Blick auf seine neue Strategie von einem «gewissen Risiko» und einer «notwendigen Balance». Sein Augenmerk gilt nicht der täglichen Inzidenz, sondern der Zahl der schweren Krankheitsfälle – und die ist in Israel bei insgesamt 4600 akut Infizierten mit derzeit 45 in dieser vierten Welle deutlich niedriger als in der Corona-Vergangenheit.
Zugeschrieben wird das dem Impferfolg: 5,2 der 9,3 Millionen Israelis sind bereits zweifach geimpft, weitere 500’000 haben zumindest die erste Dosis erhalten, überdies werden rund 850’000 als genesen geführt. Der bislang allein verwendete Impfstoff von Biontech/Pfizer zeigt sich allerdings bei Delta durchlässiger als erhofft. Ungefähr die Hälfte der neu Infizierten war geimpft. Zu mehr als 90 Prozent verhindert die Impfung jedoch die schweren Corona-Fälle.
Die dritte Impfdosis
Um Impflücken zu schliessen, werden in Israel bereits seit Anfang Juni die 12- bis 15-Jährigen geimpft. Empfohlen wird zudem in Einzelfällen, vor allem bei bestimmten Vorerkrankungen, auch die Einbeziehung noch jüngerer Kinder. Studien dazu sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Zudem gibt Israel als erstes Land der Welt schon eine dritte Impfdosis aus – vorerst allerdings nur an Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. In der Diskussion um eine dritte Impfung für alle, wie sie von den Pharmakonzernen ins Spiel gebracht wurde, verhält sich Israels Regierung zunächst noch abwartend.
Parallel zur möglichst druckvoll fortgesetzten Impfkampagne wird allerdings auch in Israel über weitere Beschränkungen debattiert. Die zwischenzeitlich kassierte Maskenpflicht im Innern ist längst schon wieder in Kraft. Folgen sollen Restriktionen für grössere Versammlungen. Der einst für Geimpfte und Genesene ausgegebene Grüne Pass könnte dabei eine Renaissance erleben.
Vor allem aber soll die Einschleppung des Virus und seiner Mutanten nach Israel durch zielgenaue Test- und Quarantäneregeln weiter erschwert werden. Eine Öffnung des Landes für geimpfte Touristen war bereits vom 1. Juli auf den 1. August vertagt worden. Eine weitere Verschiebung auf September ist nun schon im Gespräch.
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