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US-Wahlkampf
«Das ist nie, nie passiert»

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Er hatte lange geschwiegen zu dem gravierenden Vorwurf, der gegen ihn im Raum steht. Nun – endlich – meldete sich Joe Biden erstmals selbst zu Wort. «Ich halte unmissverständlich fest: Das ist nie passiert», sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat am Freitag in einem Interview mit dem TV-Sender MSNBC, und er wiederholte den Satz im Verlauf des Interviews mehrere Male: «Es ist nie passiert.» Das war ziemlich deutlich – aber aus der Welt geschafft ist die Beschuldigung gegen ihn damit wohl noch nicht.

Die ehemalige Mitarbeiterin Tara Reade wirft Biden vor, ihn zu seiner Zeit als Senator sexuell genötigt zu haben. Biden habe sie 1993 im Untergeschoss des Capitols gegen eine Wand gedrückt und sei mit den Fingern in sie eingedrungen. Reade sagt, sie habe damals ihre Mutter, ihren Bruder sowie zwei Freunde über den Vorfall informiert. Zudem habe sie beim Senat eine Beschwerde über Bidens Verhalten eingereicht. «Ich kann mich an keine solche Beschwerde erinnern», sagte Biden am Freitag, «und auch sonst hat niemand je davon gehört.»

Wo ist die Beschwerde?

Die heute 56-jährige Juristin hatte erstmals Mitte März in einem Podcast über den behaupteten sexuellen Übergriff gesprochen. Es dauerte danach mehrere Wochen, bis auch führende US-Medien darüber berichteten. Weder der «New York Times» noch anderen Medien gelang es dabei, Reades Beschwerde beim Senat ausfindig zu machen. Dafür zitierten sie mehrere langjährige Mitarbeiter Bidens, die versicherten, keine Kenntnisse von den Vorwürfen Reades zu haben.

In den vergangenen Tagen war allerdings der Druck auf Biden gestiegen, sich persönlich zu erklären. Die «Washington Post» forderte den 77-Jährigen in einem Leitartikel auf, der Öffentlichkeit Zugang zu seinem Archiv aus seiner Zeit als Senator zu geben.

Biden lehnt das ab. In dem Archiv, das er der Universität in seinem Heimatstaat Delaware vermacht hat, gebe es keine Personalakten, weder zu Tara Reade noch zu anderen Mitarbeitern, sagte er am Freitag. Wenn die angebliche Beschwerde von Reade tatsächlich existiere, dann wäre sie im Nationalarchiv in Washington zu finden. Er forderte den Senat auf, dort nach der Beschwerde zu suchen. «Ich habe nichts zu verbergen», sagte er.

«Frauen haben ein Recht, angehört zu werden»

Die Beschuldigung hat Bidens Wahlkampf zuletzt zunehmend überschattet. Kritiker von links und rechts werfen dem Kandidaten und der Demokratischen Partei Doppelmoral vor. Die Moderatorin des Senders MSNBC konfrontierte Biden mit einer Aussage, die er 2018 gemacht hatte, als der designierte konservative Bundesrichter Brett Kavanaugh beschuldigt wurde, sich als junger Mann an einer Studentin vergangen zu haben.

Wenn eine Frau bereit sei, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu treten, müsse man davon ausgehen, dass zumindest der Kern ihrer Schilderungen real sei, sagte Biden damals. Auf die Frage, ob das auch im Fall von Reade gelte, sagte Biden am Freitag: «Frauen haben ein Recht, angehört zu werden. Aber letztlich ist es die Wahrheit, die zählt, und die Behauptungen sind falsch.»

Bereits vor der Sendung hatte Biden eine Stellungnahme verschickt, in der er auf sein langjähriges Engagement zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verwies. Als Senator hatte er Anfang der 1990er-Jahre ein entsprechendes Gesetz eingebracht, «zu einer Zeit, als nur wenige über dieses Thema sprechen wollten». Eine Reihe von prominenten Frauen – von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bis zu Vertreterinnen der #MeToo-Bewegung – haben gesagt, dass sie Bidens Darstellung glaubten.

Die lange Liste der Vorwürfe an Trump

Selbst wenn Biden und seine Unterstützer recht behalten: Für die Demokraten dürfte es schwieriger geworden sein, im Wahlkampf die Verfehlungen seines Gegenspielers zu thematisieren. US-Präsident Donald Trump wurde nach einer Zählung von MSNBC bereits von 25 Frauen beschuldigt, sie gegen ihren Willen geküsst, begrapscht oder sogar vergewaltigt zu haben.

Trump hat diese Vorwürfe bestritten, teils mit Sätzen wie: «Sie ist nicht mein Typ.» Einen Monat vor seiner Wahl hatte er mit sexueller Gewalt gegen Frauen geprahlt, indem er sagte: «Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles tun.»