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Nachfolge von Ueli Maurer
Sie ist doch Engländerin – SVP-Kandidatin entschuldigt sich

Die Nidwaldner SVP-Regierungsrätin Michèle Blöchliger bei der Bekanntgabe ihrer Bundesratskandidatur am Montag in Stans.
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Als Michèle Blöchliger am Montag im Stanser Rathaus ihre Kandidatur für den Bundesrat bekannt gibt, wird auch ihre familiäre Herkunft zum Thema. Ein Journalist fragt, wie es komme, dass Englisch ihre zweite Muttersprache sei und sie auch die britische Staatsbürgerschaft besitze.

Blöchligers Dementi kommt wie aus der Pistole geschossen. «Englisch ist meine zweite Muttersprache, da meine Mutter aus England kommt. Ich habe aber keinen britischen Pass. Das, was in Wikipedia steht, ist nicht zutreffend», sagt sie vor den Medien wörtlich (hier der Livestream der Medienkonferenz).

Mit ihrer Kritik an Wikipedia bezieht sich Blöchliger auf einen Satz, der bis am Montag zu ihrer Person im Internetlexikon stand: «Blöchliger besitzt neben dem Schweizer Bürgerrecht auch die britische Staatsbürgerschaft.» Nach Blöchligers offiziellem Dementi haben fleissige Wikipedia-Autoren diesen Satz umgehend angepasst.

Alles klar also? Hat Wikipedia über die SVP-Kandidatin Fake News verbreitet?

«Nationalität: CH und GB»

Mitnichten! Wikipedia hatte recht – und Blöchliger unrecht. Denn die Information, wonach die Nidwaldner Regierungsrätin auch Britin ist, hat sich nicht irgendein Wikipedia-Autor aus dem Finger gesogen, sondern Blöchliger selber hat sie verbreitet – und zwar bis mindestens Ende 2021 auf ihrer eigenen Website michele-bloechliger.ch. «Nationalität: CH und GB» stand dort. CH für Schweiz, GB für Grossbritannien.

Diese alten Versionen der Website sind auf der Onlinedatenbank Web.archive.org bis heute einsehbar. Erst auf ihrer neuen Website fehlt der Hinweis auf ihre britische Staatsbürgerschaft. Die neue Website habe sie für ihre erneute Kandidatur für den Regierungsrat im März 2022 erstellt.

Dass Wikipedia recht hat und sie selber unrecht, räumte Blöchliger selber ein, als sie am Dienstagabend auf eine Anfrage dieser Zeitung reagierte. Sie habe die britische Staatsbürgerschaft über ihre Mutter bekommen. Und die Mutter habe für sie damals auch einen britischen Pass beantragt. «Dieser ist seit über zehn Jahren abgelaufen, nach dem Tod meiner Mutter habe ich keinen neuen ausstellen lassen», sagt Blöchliger am Telefon.

Doch auf die britische Staatsbürgerschaft als solche habe sie nie formell verzichtet. «Ich muss davon ausgehen, dass ich die Staatsbürgerschaft immer noch habe.» Das heisst: Die Frau, die für die SVP in den Bundesrat will, ist nicht nur Schweizerin, sondern auch Britin. Gemäss Bundesverfassung und den Schweizer Gesetzen ist das kein Problem.

«Ich möchte mich bei Wikipedia entschuldigen.»

SVP-Bundesratskandidatin Michèle Blöchliger

Doch warum hat sie in Stans den gegenteiligen Eindruck erweckt und Wikipedia für eine Information kritisiert, die sich nun als richtig herausstellt? Blöchliger sagt, sie habe sich an der Medienkonferenz «unpräzise und unglücklich ausgedrückt». Und wichtig ist ihr: «Ich möchte mich bei Wikipedia entschuldigen.»

Sie werde nun jedenfalls auf ihre britische Staatsbürgerschaft formell verzichten, kündigt Blöchliger an – und zwar unabhängig davon, ob sie am 7. Dezember in den Bundesrat gewählt werde oder nicht. Zur Begründung sagt Blöchliger: «Damit ist die Sache endgültig vom Tisch.»

Erinnerungen an den Fall Cassis

Blöchligers Hin und Her um ihre zweite Nationalität bietet neuen Zunder für eine Debatte, die in der Schweiz seit Jahren sporadisch immer wieder aufflackert. Denn Blöchligers Partei, die SVP, kämpft gegen doppelte Staatsbürgerschaften von Bundesrats- und Parlamentsmitgliedern.

Der heutige Parteipräsident Marco Chiesa persönlich forderte 2017 mit einer parlamentarischen Initiative, Bundesratsmitgliedern die doppelte Staatsbürgerschaft zu untersagen, scheiterte damit aber im Parlament. SVP-Nationalrat Andreas Glarner verlangte 2020 gar, dass Bürgerinnen und Bürger mit einer zweiten Staatsbürgerschaft nicht einmal in den National- oder Ständerat gewählt werden dürfen.

Erstmals so richtig entbrannt ist die Debatte um zweite Staatsbürgerschaften von Bundesratsmitgliedern an der Person des heutigen Aussenministers Ignazio Cassis. Kurz vor dessen Wahl machte diese Zeitung 2017 publik, dass Cassis seinen italienischen Pass vor seiner Kandidatur extra zurückgegeben hatte.

Gab 2017 seine italienische Staatsbürgerschaft zurück: Bundespräsident Ignazio Cassis.

Für diesen Schritt erntete Cassis damals Lob von der SVP und auch von einzelnen FDP- und Mitte-Politikern. Aber es gab auch heftige Kritik. «Es ist erbärmlich, wenn man seine Identität aufgibt», erklärte damals etwa der ehemalige Präsident der CVP (heute Mitte), der Walliser Christophe Darbellay.