Kommentar zu Corona-ZahlenDas BAG gefährdet die Schutzmassnahmen
Wie viele Corona-Infizierte stecken sich in Clubs und Bars an? Das Bundesamt für Gesundheit hat hierzu mit falschen Zahlen operiert. Das ist mehr als nur peinlich.
Was war das für eine Schlagzeile: Zwei von drei rückverfolgbaren Corona-Ansteckungen geschähen in Clubs, Discos, Bars und Restaurants, verkündete SRF am Freitag basierend auf Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Das war natürlich Wasser auf die Mühlen all jener, welche nach verschiedenen Superspreader-Ereignissen Ausgehlokale als Virenschleudern sehen.
Dumm nur, dass die Zahlen falsch waren, wie das BAG am Sonntag bekannt geben musste: «Hauptansteckungsort ist das familiäre Umfeld, nicht die Clubs», schrieb das Amt wortwörtlich.
Doch auch diese Aussage ist nicht wirklich belastbar. Denn auch den korrigierten Zahlen haften erhebliche Makel an:
a) Ausgewertet wurden zwei Wochen vom 16. Juli bis 1. August, als die Schulen geschlossen waren und ferienbedingt weniger Menschen arbeiteten.
b) Von den in diesem Zeitraum registrierten 1764 Ansteckungen tauchen in der BAG-Tabelle bloss 793 als «rückverfolgbar» auf, weil sie vom behandelnden Arzt gemeldet wurden.
c) Doch in 40 Prozent dieser Fälle hat der Arzt den Ansteckungsort nicht angegeben.
Man weiss nur in rund jedem fünften Fall, wo die Ansteckung geschah.
Kurz und knapp: Man weiss schweizweit nur in rund jedem fünften Fall, wo die Ansteckung geschah. Damit scheint jede Schlagzeile darüber müssig, wo die meisten Infektionen passieren.
Für das BAG ist die Affäre mehr als nur eine grosse Peinlichkeit. Sein Umgang mit Zahlen ist fahrlässig. Denn solche Daten sind die Basis für politische Entscheide. Die für Restriktionen bis hin zu Schliessungen in der Verantwortung stehenden Kantone sind auch auf zuverlässige Zahlen des Bundes angewiesen. Dass BAG-Direktor Pascal Strupler am Freitag die Kantone tadelte, sie würden ihre Verantwortung zu wenig wahrnehmen, ist so betrachtet ein Hohn.
Vor allem aber droht ein Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Wenn den vermeintlich rationalen Argumenten für Restriktionen nicht mehr zu trauen ist, verlieren die Schutzmassnahmen an Rückhalt. Sie sind dann wesentlich schwerer umsetzbar. Das zeigte schon die verunglückte Kommunikation des BAG in der Maskenfrage.
Die neue Amtschefin, Anne Lévy, die im Oktober von Strupler übernimmt, muss der Kommunikation eine deutlich wichtigere Rolle einräumen als ihr Vorgänger, der in den letzten Monaten etliche Kommunikationspannen verantworten musste.
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