Pfeiffersches DrüsenfieberDas andere heimtückische Virus
Bei Halsschmerzen denkt man derzeit automatisch zuerst an Corona. Doch dahinter können auch andere Erreger stecken.
In den letzten Tagen durfte Skirennfahrerin Michelle Gisin endlich wieder Erfolge feiern: Im österreichischen Lienz wurde sie am Mittwoch im Slalom Dritte, und schon zuvor in den Riesenslaloms von Courchevel (Frankreich) war sie die beste Schweizerin.
Selbstverständlich ist das nicht: Nur einige Wochen zuvor hatte die 28-Jährige noch flachgelegen. Bereits kurze Spaziergänge erschöpften sie. Denn im Sommer war die Athletin am pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt.
Auch andere Spitzensportler wie etwa Skifahrerin Camille Rast oder Tenniscrack Roger Federer haben in der Vergangenheit ihre Erfahrungen mit der heimtückischen Viruserkrankung gemacht.
Doch was genau steckt hinter dem ominösen Namen pfeiffersches Drüsenfieber? Wir haben mit Beat Sonderegger gesprochen, dem Leitenden Arzt Infektiologie und Spitalhygiene am Luzerner Kantonsspital, und klären mit ihm die wichtigsten Fragen:
Was löst die Krankheit aus?
Das pfeiffersche Drüsenfieber wird von einem Virus verursacht, mit dem sich rund 95 Prozent aller Menschen im Laufe ihres Lebens anstecken – häufig unbemerkt. Das sogenannte Epstein-Barr-Virus gehört zur Gruppe der Herpesviren und ist nach den beiden englischen Virologen Michael Epstein und Yvonne Barr benannt, die es 1964 entdeckt haben.
Der Begriff pfeiffersches Drüsenfieber geht jedoch auf den deutschen Kinderarzt Emil Pfeiffer (1846–1921) zurück, der der Krankheit mit ihren beiden Hauptsymptomen – Drüsenschwellung und Fieber – den Namen gab. Im englischen Sprachraum ist die Krankheit auch als «kissing disease» bekannt, weil sich die Viren durch Speichel übertragen.
Welches sind die Symptome?
Viele Menschen stecken sich bereits in der Kindheit an und zeigen dann nur milde oder gar keine Beschwerden.
Dagegen leiden Jugendliche und Erwachsene in der Regel unter Fieber, Rachenentzündung und der typischen Schwellung der Hals-Lymphknoten und sind generell müde und körperlich angeschlagen.
Nach der Erstinfektion ist man meist für den Rest des Lebens immun.
Wie kann man das pfeiffersche Drüsenfieber von Corona oder einer Erkältung unterscheiden?
Durch die typische Lymphknoten-Schwellung besteht kaum Verwechslungsgefahr. Betroffene haben einen dicken Hals und oft ganz weiss belegte Mandeln. Die Diagnose wird anhand der typischen Symptome sowie verschiedener Merkmale im Blut gestellt. Hinweise auf die Krankheit sind zum Beispiel Veränderungen der weissen Blutkörperchen, erhöhte Leberwerte sowie ein positiver Antikörpertest.
Auch bei einer Angina sind die Mandeln entzündet: Wie erkennt man hier den Unterschied?
Die Angina wird in den meisten Fällen von Streptokokken verursacht – also von Bakterien. Diese können in einer Kultur des Rachenabstrichs festgestellt werden. Eine Angina manifestiert sich zudem häufig einseitiger als das pfeiffersche Drüsenfieber.
Gibt es noch andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen?
Neu infizierte Patienten befürchten gelegentlich, sie könnten sich mit dem HI-Virus angesteckt haben. Denn die ersten Symptome sind ähnlich: Fieber, geschwollene Hals-Lymphknoten sowie Müdigkeit. Die Kampagnen gegen Aids – aktuell unter dem Motto «Love Life» – rufen dazu auf, sich bei solchen ersten Anzeichen zu testen.
Der Verdacht auf eine HIV-Infektion kommt häufig nach einem sexuellen Abenteuer auf. Tatsächlich kann man sich das Epstein-Barr-Virus ebenfalls bei neuen intimen Beziehungen einfangen, jedoch vor allem beim Küssen, während HIV über Blut und Sperma übertragen wird.
Wie kann man das pfeiffersche Drüsenfieber behandeln?
Eigentlich kann man nicht viel tun – ausser, sich zu schonen. Also abwarten und Tee trinken. Bei starkem Halsweh darf man Schmerzmittel nehmen. Linderung verschafft häufig auch Gurgeln, vorzugsweise mit pflanzlichen Hausmitteln wie Kamille, Salbei oder Ingwer. Das empfinden viele als wohltuend.
Gar nichts nützen Antibiotika, weil die Krankheit von Viren verursacht wird (Antibiotika wirken nur gegen Bakterien).
Wie lange dauert die Erkrankung?
Bei sonst gesunden Menschen ist das pfeiffersche Drüsenfieber in der Regel in rund zwei Wochen ausgestanden. Es kann sein, dass man danach noch für zwei, drei weitere Wochen etwas reduziert ist. Es ist sinnvoll, in dieser Zeit auf den Körper zu hören und den Alltag noch etwas gemächlicher anzugehen.
Bei einer geschwollenen Milz sollte man zudem auf Kontaktsportarten verzichten. Denn bei einem Schlag in die Milz könnte es zu einer Verletzung kommen. Das ist aber höchst selten.
Kann es zu Komplikationen kommen?
In den allermeisten Fällen ist das pfeiffersche Drüsenfieber harmlos.
Bei Kindern können die Rachenmandeln gelegentlich so stark anschwellen, dass sie fast nicht mehr essen und trinken können. Dann müssen sie im Spital mit abschwellenden Mitteln behandelt werden.
Gefährlich kann eine Infektion auch für Menschen mit einem stark reduzierten Immunsystem sein. In seltenen Fällen kommt es zu Lymphdrüsenerkrankungen oder Tumoren. Das ist zum Beispiel bei Aidskranken der Fall oder auch bei Menschen, die nach einer Organtransplantation Medikamente einnehmen müssen, die das Immunsystem unterdrücken, damit das Organ nicht abgestossen wird.
Zudem vermutet man heute, dass das Epstein-Barr-Virus auch bei verschiedenen anderen rätselhaften Krankheiten eine Rolle spielt, etwa beim chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) oder der multiplen Sklerose (MS). Das sind aber allenfalls seltene Vorkommnisse, und die Zusammenhänge sind noch nicht restlos geklärt.
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