Analyse zum dänischen Corona-WegDänemark schafft die Pandemie ab – wie kann das sein?
Während die Schweiz in die vierte Welle schlittert, machen die Skandinavier Schluss mit Covid. Die Bürger vertrauen dem Staat, 72 Prozent sind geimpft. Doch jetzt spielt die Regierung auf Risiko.
Die Dänen schaffen mal einfach so für sich die Corona-Pandemie ab, wie kann das denn sein? Während das Bangen vor der vierten Welle die Schweiz im Griff hält, tritt Dänemark am 10. September ganz offiziell ins postpandemische Zeitalter ein: keine Covid-Beschränkungen soll es dann mehr geben, nirgends.
Die Dänen waren schon mehrfach die Ersten während dieser Pandemie: Sie schritten voran in einen strengen Lockdown im März letzten Jahres. Sie waren aber auch Vorreiter bei den Öffnungen, liessen ihre Kinder länger in der Schule als die anderen, verzichteten schon früh aufs Maskentragen. Vieles davon war mutig, Kritiker sagten: riskant – und vieles hat tatsächlich funktioniert.
Ziel ist eine Imfquote von 90 Prozent
Die dänische Regierung handelte oft entschlossener und schneller als andere, so machte sie ihr Land zuerst zum Europameister im Testen, und nun zum Europameister im Impfen: In keinem anderen Land sind so viele Menschen vollständig geimpft wie in Dänemark, bald 72 Prozent der Bevölkerung. Die Regierung geht davon aus, dass Dänemark am Ende eine Impfquote von 90 Prozent erreicht.
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Dänemark ist klein, das ist ein Vorteil, aber es ist nicht der wichtigste. Die nordischen Wohlfahrtsstaaten sind Vertrauensgesellschaften. Die Bürger hier haben grosses Vertrauen, ineinander, in ihren Staat und in seine Institutionen. Covid-Leugner und Impfgegner sind hier nur eine kleine Randgruppe.
Hinzu kommt: Im dänischen Parlamentarismus gibt es eine Tradition der Kooperation zwischen Regierung und Opposition. Bei den wichtigen Corona-Entscheidungen zogen die Parteien an einem Strang, ein grosser Kontrast zum Hickhack im Schweizer und deutschen Föderalismus.
Ein Übermass an Vertrauen ist beileibe keine Garantie für Erfolg, es kann auch in die Irre führen. Ein Beispiel hierfür ist das oft irrlichternde Corona-Management des Nachbarn Schweden, wo die Politik sich tatenlos hinter der Gesundheitsbürokratie versteckte.
In Dänemark aber taten sich entschlossene Politik und gesunder Menschenverstand auf bislang fruchtbare Weise zusammen, die Zahlen belegen das: Die Covid-Sterbequote pro einer Million Menschen liegt in Deutschland (1102) heute zweieinhalbmal, und in Schweden (1440) gar mehr als dreimal so hoch wie in Dänemark (444).
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Es ist allerdings eine Wette, die die dänische Politik nun eingeht – und es ist eine offene Frage, ob sie auch diesmal gewinnt. Ob das Virus nicht doch den Impfschutz austrickst, durch neue Mutanten wieder grössere Verheerungen anrichtet, gerade im Winter.
Das dänische Modell hat offene Flanken: eine geringe Impfquote in Gruppen mit Migrationshintergrund, aber auch bei den Jungen.
Dänemark ist besser gerüstet als die allermeisten Länder, und doch hat auch sein Modell offene Flanken: eine noch geringe Impfquote in Gruppen mit Migrationshintergrund, aber auch bei den Jungen. Im September öffnet auch das Nachtleben wieder: Volle Diskotheken, in denen jeder Dritte ungeimpft ist, volle Schulen, in denen die Kleinen noch gar keine Impfung haben – die Zeitung «Politiken» nennt das «ein hervorragendes Rezept für eine Infektionsbombe».
Wie nachhaltig sind die Impfstoffe? Wie viele junge Menschen werden dann auf den Covid-Stationen landen? Werden Krankheit und Tod auf einem Niveau bleiben, das die Gesellschaft für akzeptabel befindet? Wir kennen die Antworten auf diese Fragen noch nicht, aber sie werden am Ende entscheiden, ob Dänemark am Ende nicht doch eine erneute Kehrtwende vor sich hat und noch einmal in die Schlacht gegen das Virus ziehen muss.
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