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Covid-Proteste in China
Polizei durchsucht private Handys

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Die Botschaft, die Chinas Führung im März sandte, war eindeutig. Jede Provinz müsse schnellstmöglich zwei, drei oder mehr temporäre Isolationslager und Krankenhäuser errichten, landesweit würden mehr als 60 gebraucht. Bilder in den sozialen Medien zeigten gigantische Container-Städte, ohne Zugang zu Sanitäranlagen oder fliessendem Wasser. In China dürfen sich Corona-Verdachtsfälle und Infizierte auch ohne Symptome nicht zu Hause isolieren. Die Lagerstädte wurden für viele Chinesen zum Sinnbild für den Horror, der auf sie wartet, sollten sie sich mit dem Coronavirus infizieren.

Umso bedeutender ist es jetzt, wenn Behörden den Bau von Lagern abbrechen, wie es gerade in Chengdu passiert ist. Auf einem Video in der Westprovinz sieht man einen Parteivertreter, der vor einer Gruppe Menschen spricht. «Das Projekt ist gestoppt», ruft er. Angeblich geht es um ein Lager für zehntausend Menschen im Süden der Stadt. Die Menschen jubeln.

Es ist nur ein Beispiel für zahlreiche kleine Lockerungen, die seit dem Ausbruch der Massenproteste in China am Freitag von den Behörden angekündigt wurden. Menschen, die zu Hause in Isolation sind, sollen laut Staatsmedien nicht mehr ständig Coronatests machen müssen. Ältere und Schüler, die online unterrichtet werden, sind ebenfalls zu Teilen von den Massentests entbunden.

In Peking beendeten viele Vorsteher von Häuserblocks die strengen Ausgangsbeschränkungen, nachdem Bewohner gegen die strikten Regeln protestiert hatten.

Die Polizei ist nicht nur an Festnahmen interessiert, sondern durchsucht auch Handys von Protestierenden: Ein Demonstrant wird in Shanghai während des Protests am 27. November abgeführt. 

Auch an fast 80 Universitäten organisierten Studierende am Wochenende Protestaktionen. Es ist das erste Mal seit 1989, dass es zu landesweiten, klassenübergreifenden Protesten kam. In Peking riefen sie «Hebt den Lockdown auf» und «Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit». Viele trugen ein weisses Blatt Papier als Symbol des Widerstands und gegen die Behördenzensur mit sich.

In den vergangenen Tagen waren Tausende gegen die harten Corona-Massnahmen in chinesischen Städten auf die Strasse gegangen. Auslöser war ein Hochhausbrand in der Hauptstadt der Region Xinjiang, Urumqi, bei dem zehn Menschen getötet wurden. Viele hatten den Verdacht, dass Corona bedingte Strassenblockaden die Rettung der Menschen behindert hatten.

Neben den Zugeständnissen geht die Polizei nun auch hart gegen die Demonstranten vor. Massive Polizeipräsenz hat in mehreren chinesischen Städten ein Wiederaufflammen der Proteste zunächst verhindert.

Die Einsatzkräfte suchen nach Fotos und Filmen von den Protesten oder VPN-Diensten.

In Peking wurde die Uferpromenade des Liangma-Flusses in der Nähe des Diplomatenviertels besonders gesichert, nachdem dort am Sonntagabend Hunderte demonstriert hatten. Auch im Universitätsviertel Haidian waren überall Polizisten auf den Strassen zu sehen. Dort hatte ein Mann im Oktober kurz vor dem Parteitag Protesttransparente an eine Brücke gehängt – viele Demonstranten waren zuletzt zu eben jenem Ort gepilgert.

In Shanghai gab es einen Grosseinsatz von Einsatzkräften um den Volksplatz. Ähnlich sah es in der Urumqi-Strasse aus, in der Barrikaden aufgebaut wurden, um Menschenansammlungen wie am Wochenende zu verhindern.

In vielen Städten nahm die Präsenz von Einsatzkräften auf den Strassen zu. Die Beamten hielten Passanten an, wie Videos aus Shanghai belegen. Diese mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen. Die Einsatzkräfte suchten nach Fotos und Filmen von den Protesten oder VPN-Diensten, mit denen Nutzer auf zensierte Inhalte zugreifen können. Die Polizei kontaktierte auch Teilnehmende von Protesten direkt und forderte sie auf, keine Aufnahmen online zu teilen. Viele Accounts wurden gesperrt. Im Netz wurden die meisten Beiträge zu den Protesten gelöscht.

Bisher hat Peking nicht viel unternommen, um die Impfquote zügig zu erhöhen.

Während eine steigende Zahl von Menschen mit den rigorosen Null-Covid-Massnahmen unzufrieden sind, kämpft das Land gegen den grössten Corona-Ausbruch seit Pandemiebeginn. Ausländische Experten schätzen, dass bereits ein Fünftel der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt von Lockdowns betroffen ist. Die Gesundheitskommission meldete am Dienstag landesweit etwa 38'400 Fälle neue Infektionen. Am Vortag war ein Höchststand von mehr als 40'000 Neuansteckungen gemeldet worden.

Als eine gute Nachricht werteten Beobachter die Ankündigung Pekings am Dienstag, das Tempo bei Corona-Impfungen zu erhöhen. Das wäre wohl die Bedingung, um weitere Lockerungen zulassen zu können. In China sind zwar mehr als 90 Prozent aller Chinesen zweimal geimpft, unter den Älteren ist die Zahl aber deutlich niedriger. Nach offiziellen Angaben waren im November etwa 86 Prozent der über 60-Jährigen mindestens zwei Mal geimpft, 68 Prozent haben einen Booster erhalten. Bei den über 80-Jährigen haben nur 66 Prozent zwei Impfdosen erhalten, geboostert sind nur 40 Prozent.

Viele ältere Menschen in China haben sich aus Angst vor angeblichen Nebenwirkungen nicht impfen lassen. Bisher hat Peking nicht viel unternommen, um die Impfquote zügig zu erhöhen. Die Impfquoten unter den Älteren sind im Vergleich zum August nur weniger als einen Prozentpunkt gestiegen.