Couragierter russischer EishockeyprofiFür den Kampf gegen Putin bricht er mit seinen Eltern
Nikita Sadorow (28) rechnet mit dem Regime ab und verurteilt den Krieg aufs Schärfste. Die Konsequenzen nimmt der NHL-Spieler in Kauf. Er will anderen Mut machen.

Seit 19 Monaten tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, ein Ende ist nicht abzusehen. Nur ganz wenige russische Sportlerinnen und Sportler, die auf internationaler Bühne auftreten, haben sich seitdem vom Kriegstreiben distanziert. Die anderen taten es nicht, weil sie es gutheissen oder weil sie Repressalien in ihrer Heimat befürchten.
Der russische Eishockeyprofi Nikita Sadorow, seit 2021 in Diensten der Calgary Flames, hat sich nun als Erster ganz klar gegen Präsident Wladimir Putin gestellt. Im Wissen darum, dass er unter diesem Regime nie mehr in seine Heimat zurückkehren kann und seine Eltern, die den Krieg unterstützen, nicht mehr mit ihm reden.
Um dem 28-Jährigen seine mutigen Statements zu entlocken, brauchte es die Initiative des unabhängigen deutsch-russischen Journalisten Juri Dud, der mit seinen Youtube-Interviews einen Gegenpol zum russischen Staatsfernsehen bildet und auf der Videoplattform über zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten hat. Der 36-Jährige, in Potsdam geboren, in Moskau aufgewachsen und inzwischen in Istanbul wohnhaft, besuchte Sadorow in Miami und erhoffte sich vom Gespräch mit dem NHL-Crack wohl klare Aussagen zum Krieg und zum russischen Regime. Er wurde nicht enttäuscht.
«Mir tun all die Jungen leid. Anstatt die neue Generation zu fördern, haben wir sie in den Tod geschickt.»
Vor einigen Tagen veröffentlichte Dud das zweistündige Gespräch und sorgte damit in Nordamerika und Russland für grosses Aufsehen. Dabei sagte Sadorow neben vielem: «Unsere ganze Industrie wird zurückgeworfen durch diesen Krieg. Das Eishockey, die Wirtschaft, die Kultur. Mir tun all die Jungen leid. Anstatt die neue Generation zu fördern, haben wir sie in den Tod geschickt. Wer Perspektiven haben möchte, muss dieses Land verlassen. Sonst bleibt er stecken in diesem Sumpf.»
Dud und Sadorow unterhielten sich auf Russisch, das Video ist aber mit englischen Untertiteln versehen, um es einem internationalen Publikum zugänglich zu machen. Inzwischen wurde es schon über drei Millionen Mal angeklickt und über 17’000-mal kommentiert.
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Der Hockeycrack nimmt kein Blatt vor den Mund. Putin habe das Land überhaupt nicht weitergebracht. Im Gegenteil: «Als er im Jahr 2000 erstmals gewählt wurde, versprach er, Russland würde Portugal wirtschaftlich bald überholen. Und jetzt? Portugal steht noch immer viel, viel besser da. Und bei uns hat sich nichts verändert. Es wurden einfach Villen gebaut für die Reichen, und es wurde viel Geld in die Steueroasen exportiert.»
Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, war Sadorow nicht mehr in seiner Heimat. «Soll ich in ein Restaurant (in Moskau) sitzen, derweil 1000, 2000 Kilometer entfernt Menschen bombardiert werden? Es ist widerlich.» Zudem wolle er nicht riskieren, in die Armee eingezogen zu werden wie andere unliebsame Sportler. Wie etwa Goalie Iwan Fedotow, der im Mai 2022 einen Vertrag bei den Philadelphia Flyers unterschrieb, diesen aber nicht erfüllen konnte, weil er zum Militärdienst gezwungen wurde.
Aber wie er es denn mit den Vereinigten Staaten halte, die ja auch schon viele Kriege angezettelt hätten, hakte Dud bei Sadorow nach. «Ich unterstützte den Krieg gegen Afghanistan auch nicht. Die Leute in diesem Land wissen inzwischen ja auch, dass dieser Krieg korrupt war.»
Fernsehen manipuliert, überall
Er schaue auch kein CNN, weil man da genauso eine Agenda verfolge wie beim russischen Fernsehen. «Man sollte überhaupt kein Fernsehen schauen, auf der ganzen Welt. Die Leute werden durch das Fernsehen manipuliert.» Er plädiert dafür, dass sich jeder seine Informationen auf unabhängigen Plattformen selber zusammensucht und sich die eigene Meinung bildet.
Er hoffe, so Sadorow, dass Putins nun schon 23-jährige Herrschaft bald zu Ende geht. «Ich hoffe, dass Russland ein demokratisches Land wird mit einer starken Wirtschaft. Nicht eine Kleptokratie.» Also kein Land, in dem sich einige wenige bereichern durch das Ausnutzen gesellschaftlicher Privilegien.
Es sind klare Worte des zweifachen Vaters, der in Moskau aufwuchs, aber bereits mit 17 ins kanadische Junioren-Eishockey auszog und seitdem stets in Übersee gespielt hat. Er hat bereits 500 NHL-Partien bestritten und dabei brutto über 20 Millionen Dollar verdient.
«Diese Spieler (in Russland) müssen leider ihre Moral opfern, um ihre Familien zu ernähren.»
Seine finanzielle Unabhängigkeit nutzt er nun dazu, seine Meinung einer breiten Öffentlichkeit kundzutun: «Für mich ist es wichtig, die Dinge auszusprechen. Hoffentlich kann ich damit etwas bewegen.» Er hat aber ein gewisses Verständnis für die russischen Spieler, die sich in seiner Heimat der Kriegspropaganda unterwerfen: «Ich bin sicher, dass es bei ZSKA Moskau Spieler gibt, die den Krieg nicht unterstützen. Aber das würden sie nie sagen. Sie müssen leider ihre Moral opfern, um ihre Familien zu ernähren.»
Vielleicht macht Sadorow anderen russischen Sportlerinnen und Sportlern im Ausland tatsächlich Mut, sich nun auch gegen den Krieg und das Regime auszusprechen. Aber klar ist auch: Längst nicht alle denken so wie er.
Owetschkin, der Putin-Freund
Als der Ukraine-Krieg ausbrach, schlossen sich die russischen NHL-Spieler in einer Telegram-Gruppe zusammen, um sich zu besprechen. Dabei wurde schnell klar: Sie sind in zwei Lager geteilt. «Eine Gruppe wollte russische Propaganda verbreiten, die andere war vernünftig», sagt Sadorow. Auf eine gemeinsame Botschaft konnte man sich nicht einigen. Alexander Owetschkin, der bekannteste russische Eishockeyspieler, hat sein Profilbild auf Instagram trotz der Kriegsgräuel nicht verändert: Es zeigt ihn lächelnd an der Seite Putins.
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