Fehlende Teile aus China: Virus führt zu Lieferproblemen
Unterbrochene Wertschöpfungsketten belasten die Weltwirtschaft – der Lifthersteller Schindler warnt vor hohen Umsatzeinbussen als Folge durch das Coronavirus.
Die Angst vor globalen wirtschaftlichen Folgen durch das Coronavirus nimmt wieder zu. Ins Zentrum rücken vor allem die Konsequenzen für die globalen Wertschöpfungsketten durch Produktionsausfälle in China. Ein Beispiel ist der Schweizer Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler. Der Konzern bezieht wichtige Vorprodukte aus China, die dann in anderen Teilen der Welt verbaut werden. «70 Prozent der weltweiten Komponenten für unsere Industrie kommen aus Shanghai und einem Umkreis von 100 Kilometern», sagt Konzernchef Thomas Oetterli.
Noch habe Schindler zwar keine Lieferprobleme. Im März könne es allerdings zu Einschränkungen kommen, wenn Lieferanten nicht genügend Subkomponenten aus China für ihre Endproduktion beziehen können. Wie gross die Ausfälle seien, hänge davon ab, wann die Produktion in China wieder auf vollen Touren laufen könne, sagte Oetterli. Je nach Entwicklung der Krankheit könne der Umsatz von Schindler um «mehrere Hundert Millionen» geringer ausfallen.
Unterschätzte Bedeutung
Schindler ist kein Einzelfall. In einer Studie vom Freitag prognostiziert das Forschungsinstitut Oxford Economics vor allem in Europa wegen des Coronavirus «einen erheblicher Schlag für den angeschlagenen Industriesektor». Laut «Allianz Research» droht der Industrie weltweit im ersten Halbjahr 2020 deshalb eine Rezession.
Die Bedeutung Chinas in den weltweiten Wertschöpfungsketten droht unterschätzt zu werden, weil viele Produkte, die scheinbar nicht in China hergestellt werden, wesentliche Komponenten beziehungsweise Vorprodukte aus China enthalten. Gemäss Oxford Economics liegt der Anteil an Zwischenprodukten aus China an der Gesamtproduktion der Sektoren Elektronik und elektronische Ausrüstungen ausserhalb von China bei mehr als 10 Prozent.
Wirtschaftsausstoss vervierfacht
Stark betroffen ist wegen fehlender Komponenten aus China auch die Autoindustrie. Hyundai musste deshalb seine gesamte Produktion in Südkorea zwischenzeitlich stoppen, dasselbe tat Nissan aus dem gleichen Grund in Japan, und Fiat Chrysler kündigt an, eine seiner Produktionsstätten in Europa wohl vorübergehend stilllegen zu müssen.
Die Komplexität moderner Wertschöpfungsketten macht es schwierig, die genauen Effekte von Lieferausfällen aus China einzuschätzen. Endprodukte wie zum Beispiel Fahrzeuge oder Telecomausrüstungen sind das Ergebnis einer ganzen Reihe von Produktionsschritten in mehreren Ländern. China hat darin aber ein besonders grosses Gewicht, und dieses ist seit der Sars-Epidemie von 2002 rasant gewachsen. Damals lag der Anteil Chinas am gesamten Wirtschaftsausstoss der Welt noch bei 4 Prozent. Mittlerweile hat er sich auf 16 Prozent vervierfacht, rund 13 Prozent aller Güterexporte weltweit kommen aus China, bei den Güterimporten sind es 11 Prozent – vor 20 Jahren lag dieser Anteil noch bei 2,7 Prozent.
Dass die Schliessung ganzer Produktionsstätten selbst an Orten weit weg von China droht, liegt zusätzlich an der Just-in-time-Produktion. Die weltweiten Produktionsprozesse sind so miteinander verzahnt, dass Zwischenprodukte sogleich in die weitere Fertigung eingehen. Sie auf Vorrat zu bestellen und zu lagern, würde die Kosten erhöhen. Jetzt aber wären solche Puffer nützlich, um einen im besten Fall vorübergehenden Lieferunterbruch aus China kompensieren zu können.
Hoffnung ohne Grundlagen
Die nach wie vor relative Gelassenheit vor allem an den Börsen liegt an der Erwartung, dass der Höhepunkt der Krankheitsausbreitung naht und danach ein rascher Aufschwung folgt. Doch für diese Erwartungen gibt es keine Grundlage: Es gibt keine verlässlichen Hinweise dafür, dass die Krise ihren Höhepunkt tatsächlich schon überschritten hat, denn es gibt kein Muster einer bisherigen Krankheit, die dafür als Vorlage dienen kann. Zudem sind die bisher gemeldeten Zahlen zur Ausbreitung der Krankheit in China, aber auch zur dortigen Produktion nicht über alle Zweifel erhaben. Alternative Betrachtungen, wie etwa durch die Messung der Umweltverschmutzung, lassen vermuten, dass die Wirtschaft Chinas deutlich stärker ausgebremst wird als bisher geschätzt.
Und selbst wenn die Krise überstanden ist, braucht eine wirtschaftliche Normalisierung Zeit: Auch wenn sich die Produktion in China wieder normalisiert, würden überlastete Transport- und Logistikunternehmen eine langsame Wiederaufnahme der Lieferungen zulassen, schreibt dazu Oxford Economics. Laut dem Institut wird die Weltwirtschaft wegen der Krise im laufenden Jahr mit 2,3 Prozent so wenig zulegen wie seit 2009 nicht mehr, dem konjunkturellen Tiefpunkt der Finanzkrise.
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