Trotz massiver KritikChina erlässt Sicherheitsgesetz für Hongkong
China geht auf Konfrontation mit der Sonderverwaltungszone Hongkong: Der nationale Volkskongress billigte am Dienstag ein umstrittenes Sicherheitsgesetz einstimmig.
Ungeachtet weltweiter Kritik hat China das kontroverse Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Hongkong erlassen. Der Ständige Ausschuss des Volkskongresses nahm das Gesetz am Dienstag auf seiner Sitzung in Peking einstimmig an, wie Hongkonger Politiker und Medien berichteten.
Es richtet sich gegen Aktivitäten, die von Peking als subversiv, separatistisch oder terroristisch angesehen werden. Auch soll es «heimliche Absprachen» von Aktivisten mit Kräften im Ausland bestrafen.
Die demokratische Opposition befürchtet, dass sich das Gesetz gegen sie richtet. Aktivisten fürchten um ihre Sicherheit. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in dem Gesetz «eine Waffe der Unterdrückung gegen Regierungskritiker». Peking wolle Hongkong «durch Angst regieren».
Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, verteidigte erwartungsgemäss das Gesetz. Es werde Hongkongs hohes Mass an Autonomie nicht aushöhlen, sagte Lam am Dienstag in einer Videobotschaft vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Wesentliche Rechte wie die Freiheit der Rede, der Presse und die Demonstrationsfreiheit würden weiter gewährleistet.

Die Geheimhaltung um das in wenigen Wochen durchgedrückte Sicherheitsgesetz dauerte auch am Dienstag an. Chinas Staatsmedien berichtete selbst Stunden nach dem Votum weder über den Beschluss noch den genauen Gesetzestext. Der einzige Hongkonger Abgeordnete in dem Ausschuss, Tam Yiu-Chung, bestätigte schliesslich dem Hongkonger Sender RTHK die Verabschiedung. Das Gesetz werde «in seltenen Situationen» auch eine Auslieferung nach Festlandchina ermöglichen.
Aktivisten fürchten sich vor Verfolgung
Das Dekret stösst in Hongkong und auch international auf scharfe Kritik. Es ist der bisher weitestgehendste Eingriff in die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Kritiker befürchten ein Ende des Grundsatzes «ein Land, zwei Systeme», nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe 1997 unter chinesischer Souveränität regiert wird. Mit dem Gesetz, das als Anhang ins Grundgesetz des autonomen Territoriums aufgenommen wird, umgeht die kommunistische Führung das Hongkonger Parlament.
Aus Angst vor Verfolgung erklärten der bekannte Aktivist Joshua Wong sowie seine Mitstreiter Agnes Chow und Nathan Law den Rückzug aus ihrer Partei Demosisto. Diese wurde anschliessend aufgelöst. Mit dem Sicherheitsgesetz, das am Mittwoch in Kraft treten soll, müssten sich Anhänger der Demokratiebewegung um ihre Sicherheit sorgen, sagte Wong. Er wolle aber in Hongkong bleiben, «bis sie mich zum Schweigen bringen und auslöschen».

Als Reaktion stoppten die USA den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Die Ausfuhr von Technologien, die dem Militär dienlich sein könnten, unterliegt künftig den gleichen Beschränkungen wie Exporte nach China. «Wir können nicht mehr unterscheiden zwischen dem Export kontrollierter Waren nach Hongkong oder auf das chinesische Festland», sagte US-Aussenminister Mike Pompeo. Die US-Regierung hatte schon Ende Mai angekündigt, der Sonderverwaltungsregion wegen Pekings Einmischung den vorteilhaften Rechtsstatus streichen zu wollen.
Japan nannte Chinas Vorgehen «bedauerlich». Es schade dem internationalen Vertrauen in das Prinzip «ein Land, zwei Systeme», sagte ein Regierungssprecher laut Nachrichtenagentur Kyodo. Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen sagte, Peking habe seine Versprechen gebrochen. Die Inselrepublik wolle eine Anlaufstelle für Hongkonger schaffen, die in Taiwan studieren, arbeiten oder investieren wollten.
Verstoss gegen Hongkongs Verfassung
Die Hongkonger Anwaltsvereinigung kritisierte, dass Straftäter nach dem Gesetz auch in Festlandchina angeklagt werden und dort vielleicht Haftstrafen absitzen müssen. Nichts anderes hätte schon das kontroverse Auslieferungsgesetz zum Ziel gehabt, das Hongkongs Regierung nach Massenprotesten im vergangenen Jahr aufgeben musste. Kritiker verweisen auf die mangelnde Unabhängigkeit der chinesischen Gerichte, die eine Verurteilungsrate von 99 Prozent haben.
Als Verstoss gegen Hongkongs Verfassung gilt auch das Vorhaben, dass Peking ein Sicherheitsbüro in der Metropole einrichtet, um die Umsetzung des Gesetzes zu «überwachen». Das neue Gesetz sieht auch ein eigenes Gericht für Verfahren wegen nationaler Sicherheit vor, dessen Richter von Regierungschefin Lam ausgesucht werden.
Seit einem Jahr kommt es in Hongkong wiederholt zu Demonstrationen, bei denen gegen den Einfluss Pekings und gegen Polizeibrutalität protestiert wird. Die Demonstranten fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen bei der Rückgabe 1997 an China in Aussicht gestellt worden war. Aus Sicht der Gruppe der sieben grossen Industrienationen (G7) steht das neue Sicherheitsgesetz nicht im Einklang mit Hongkongs Grundgesetz und der Verpflichtung Pekings aus der chinesisch-britischen Vereinbarung.
Fehler gefunden?Jetzt melden.