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Überalterung und drohende Schrumpfung
Jetzt erlaubt China Familien sogar drei Kinder

Eine Familie macht vor einer beliebten Strasse in Wuhan ein Selfie. (12. Februar 2021)
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Wegen des unerwartet starken Geburtenrückgangs und der schnellen Überalterung der Gesellschaft beschloss das Politbüro der Kommunistischen Partei am Montag eine «Optimierung der Geburtenpolitik». Die Wende soll helfen, die Bevölkerungsstruktur zu verbessern und «aktiv» auf die Überalterung zu reagieren, wie die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete.

Der Beschluss fiel nur drei Wochen nach der Veröffentlichung der jüngsten Volkszählung. Demnach droht das bevölkerungsreichste Land in wenigen Jahren zu schrumpfen. Als Gründe nannten Experten die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik, die erst 2015 aufgehoben wurde, sowie die hohen Kosten für Wohnraum und Ausbildung. Auch hätten sich viele Chinesen daran gewöhnt, nur ein Kind zu haben, hiess es.

Regierung verspricht Familien Hilfe

An der Sitzung des Politbüros unter Vorsitz von Staats- und Parteichef Xi Jinping wurden daher «unterstützende Massnahmen» für die Drei-Kind-Politik angekündigt. So soll die Gesundheitsversorgung vor und nach Geburten verbessert und ein universelles System zur Kinderbetreuung entwickelt werden, kündigte das Politbüro eher vage an. Die Kosten der Familien für Ausbildung sollen reduziert werden.

«Es ist notwendig, den Erziehungsurlaub, den Mutterschutz, die Vorteile bei Steuer, Wohnraum und durch andere Unterstützung zu verbessern und die legitimen Rechte und Interessen der berufstätigen Frauen zu schützen», hiess es in dem Beschluss des obersten Machtorgans der chinesischen Führung weiter.

Wenig Geburten

Allerdings haben sich viele Chinesen längst daran gewöhnt, nur ein Kind zu haben. Fachleute hoben hervor, dass Chinas umstrittene Familienplanung, die durch radikale Massnahmen das Bevölkerungswachstum bremsen sollte, das Fruchtbarkeitskonzept der Chinesen komplett verändert habe. Die heutigen Eltern stammen meist auch aus Ein-Kind-Familien und finden es aus eigener Erfahrung schon nicht ungewöhnlich, nur ein Kind zu haben.

In den vergangenen zehn Jahren ist Chinas Bevölkerung nur noch um jährlich 0,53 Prozent auf 1,41178 Milliarden Menschen gewachsen – so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die seit 1979 geltende Ein-Kind-Politik war 2015 aufgehoben worden und durch eine Zwei-Kind-Politik ersetzt worden. Die Wende hatte aber nur 2016 zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt. Seither ist die Zahl jedes Jahr gefallen.

Bekommen die Chinesen nicht bald deutlich mehr Kinder, wird in 30 Jahren jeder dritte Chinese über 60 Jahre alt sein – heute ist es nach den Erhebungen knapp jede fünfte Person in China, während die Bevölkerungsgruppe im arbeitsfähigen Alter weiter zurückgeht. Die Zahl der Erwerbstätigen wird bis 2050 im Vergleich mit 2018 um rund ein Viertel sinken. Manche Experten rechnen mit noch drastischeren Zahlen.

Sehr tiefes Rentenalter

China hat weltweit eine der niedrigsten Altersgrenzen: Frauen können je nach Beruf mit 50 oder 55 Jahren in Rente gehen – Männer mit 60. Die Regelung stammt aus den Anfängen der Volksrepublik, als die Lebenserwartung niedrig war.

Sicher ist: In weniger als 20 Jahren wird China älter sein als das chronisch vergreiste Japan. Bis 2100 dürfte die Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden auf zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Menschen geschrumpft sein.

Millionen verhungerte in den 1950er-Jahren

Die Sorge Pekings ist gross, die Folgen der Überalterung nicht stemmen zu können. Der wirtschaftliche Erfolg, die Legitimitätsgrundlage der Kommunistischen Partei, gerät in Gefahr.

Zuletzt berichtete die «Financial Times», dass bereits dieses Jahr die Bevölkerung Chinas schrumpfen könnte – zum ersten Mal seit dem Grossen Sprung in den 1950er-Jahren, als mehrere Dutzend Millionen Menschen in Folge der desaströsen Wirtschaftspolitik Mao Zedongs verhungerten. Die britische Zeitung berief sich auf einen Insider, der an der Auswertung der Volkszählung beteiligt war.

Strukturwandel mit Tempo

Über die Folgen der demografischen Entwicklung sind sich indes nicht alle Experten einig. Früher hiess es, China werde alt, bevor es reich werde. Diese Annahme basiert aber grösstenteils auf Erfahrungen von Staaten in anderen Jahrhunderten. Heute werden Kriege grösstenteils nicht mehr durch Mannstärke gewonnen, arbeitsintensive Industrien werden durch automatisierte Produktion abgelöst.

Die Herausforderung für China dürfte deshalb sein, den strukturellen Wandel und die Modernisierung seiner Wirtschaft schnell genug voranzutreiben, um Ausgleich für fehlende Arbeitskräfte zu schaffen und das Ungleichgewicht zwischen Erwerbstätigen und Rentnern abzufangen. Arbeiter müssen dazu auch ausreichend qualifiziert sein.

/red/aru