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Physik des Korken­knalls
Schneller als der Schall, kälter als der Südpol

High-speed photograph of a champagne cork popping. The cork is partly hidden by the spray of the liquid. The image was taken with a 1/40,000th of a second flash to stop the motion. (KEYSTONE/SCIENCE SOURCE/Ted Kinsman)
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Zu Silvester gehört für viele nicht nur Feuerwerk, sondern auch ein Gläschen Prosecco oder Champagner – und somit auch der charakteristische Knall beim Öffnen einer Schaumweinflasche. Hinter diesem wohlbekannten Phänomen steckt faszinierende und durchaus relevante Physik.

Experimente mit Hochgeschwindigkeitskameras hatten bereits vor einigen Jahren sichtbar gemacht, was beim Entkorken genau passiert. Im Grunde herrscht in der Schaumweinflasche hoher Druck und der Korken wird durch das in der Flasche komprimierte Gas – vorwiegend Kohlendioxid und Wasserdampf – nach aussen getrieben. Nicht der Korken, sondern das expandierende Gas durchbricht dabei sogar die Schallmauer.

Nun gelang es Forschenden der Technischen Universität Wien, das Verhalten von Korken und strömendem Gas mit aufwendigen Computersimulationen im Detail nachzurechnen. Mit der entwickelten Methode ist es auch möglich, vergleichbare und vor allem relevantere Effekte zu untersuchen.

Temperaturen von bis zu minus 130 Grad Celsius

Wie die Simulationen zeigen, durchbricht der aus dem Flaschenhals austretende Gasstrahl kurz nach dem Öffnen der Flasche die Schallmauer und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu rund 500 Metern pro Sekunde, was rund 1800 km/h entspricht. Dabei bildet sich eine Druckwelle aus. Auch radial zur Seite entweichende Gas-Jets erreichen diese Geschwindigkeit.

«Der Sektkorken selbst fliegt mit einer vergleichsweise geringen Geschwindigkeit davon, er erreicht vielleicht 20 Meter pro Sekunde», sagt Lukas Wagner, Co-Autor der Studie von der Technischen Universität Wien und dem österreichischen Kompetenzzentrum für Tribologie.

Im Bereich zwischen Flasche und Kork kommt es zu mehreren bemerkenswerten Phänomenen. Expandierendes Gas kühlt sich ab – ein Phänomen, das auch von Sprühdosen her bekannt ist. Bei der Schaumweinflasche ist dieser Effekt besonders stark: Gemäss den Simulationen werden Temperaturen von bis zu minus 130 Grad Celsius erreicht – das ist deutlich kälter als die tiefste je am Südpol gemessene Temperatur. Dabei können sich aus dem Kohlendioxid (CO₂) sogar winzige Trockeneiskristalle bilden.

Je nach der ursprünglichen Temperatur des Schaumweins variiert dieser Kristallisationseffekt, was Konsequenzen hat, die schon aus der früheren Studie bekannt sind. «Unterschiedliche Temperaturen führen zu unterschiedlich grossen Trockeneiskristallen, die dann Licht auf unterschiedliche Weise streuen», sagt Wagner. Scheint also Licht in die CO₂-Kristalle, leuchten diese je nach ursprünglicher Temperatur des Schaumweins unterschiedlich. «Im Prinzip kann man anhand dieser Farbe die Sekttemperatur ablesen.»

Eine «Mach-Scheibe» wie bei Militärjets

Ein weiteres Phänomen hat mit der Wechselwirkung zwischen dem ausströmenden Gas und dem Korken zu tun. Wenn ein Gas ungehindert expandieren kann, dann nimmt dessen Druck gleichmässig ab. Beim Schaumwein ist aber der wegfliegende Korken im Weg. Es kommt zu einer Art Rückstau. Das hat zur Folge, dass sich der Gasdruck wie auch die Geschwindigkeit des Gases zwischen Flaschenhals und Kork abrupt ändern. Dieser meist scheibenförmige Ort abrupter Änderung wird als «Mach-Scheibe» bezeichnet. Sie ist in den Simulationen klar zu erkennen und tritt auch im Abgasstrom von Militärjets oder Raketen auf, wenn diese mit Überschall unterwegs sind. 

Der charakteristische Knall beim Öffnen der Flasche ist letztlich eine Kombination aus zwei Effekten: Ein Teil des Knalls entsteht durch die Druckwelle des expandierenden Gases, also durch einen Überschallknall wie bei einem Kampfjet. Hinzu kommt eine Druckwelle durch den sich unmittelbar nach dem Öffnen der Flasche abrupt ausdehnenden und schwingenden Korken. Auch das haben die Forschenden in der Studie untersucht.

Die Rechenmethode, die beim Entkorken des Schaumweins zum Einsatz kam, lasse sich auch auf verwandte und technisch wichtige Phänomene anwenden, heisst es in der Studie. Dazu gehören zum Beispiel das Abfeuern einer Pistolenkugel und der Start einer Rakete.

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