TV in der KriseCH Media plant eigenes Streamingportal
Nach der Übernahme der Gruppe um 3+ ist der Konzern der grösste private TV-Betreiber der Schweiz. Der Einbruch bei der Werbung soll nicht über Stellenabbau aufgefangen werden, um die Wachstumspläne nicht zu gefährden.
Es war der Mediendeal des Jahres: Vergangenen Herbst übernahm CH Media für geschätzte 160 Millionen Franken die Sendergruppe um 3+. Damals ahnte noch niemand, dass die weltweite Corona-Pandemie auch den Medienmarkt durchrütteln würde. Das gilt auch für das TV-Geschäft.
«Im April rechnen wir mit einem Rückgang der Werbeeinnahmen um 50 Prozent», sagt Roger Elsener, Geschäftsführer der Entertainment-Sparte von CH Media. Eine Prognose für das Gesamtjahr will er nicht wagen, hofft aber, dass das Minus nicht so dramatisch ausfallen wird.
Wie andere Medienhäuser auch, wie zum Beispiel die TX Group, die diese Zeitung herausgibt, hat CH Media Kurzarbeit ab dem 1. April beantragt. Die Pensen würden je nach Abteilung bis auf 30 Prozent herabgesetzt. So geht im Filmvertrieb wegen der Schliessung der Kinos derzeit kaum etwas.
Einsparungen geplant
«Die Kurzarbeit wird aber nicht ausreichen, um den Einnahmeverlust aus den Werberückgängen abzufangen», sagt Elsener. Daher prüft CH Media im TV-Geschäft weitere Einsparmöglichkeiten. An einen Personalabbau denkt er dabei aber nicht. «Wir wollen alle an Bord behalten, denn wir verfolgen eine Wachstumsstrategie», sagt der TV-Chef von CH Media.
Das Unternehmen, ein Zusammenschluss der AZ Medien von Peter Wanner und der NZZ Regionalmedien, hat dafür sein TV-Geschäft mit dem Kauf der Gruppe um 3+ ausgebaut. Mit den zugekauften Sendern (3+, 4+,5+ und 6+) und den bereits bestehenden eigenen TV-Stationen TV24, TV25, S1 und den Regionalsendern wie TeleZüri ist CH Media heute der grösste private Betreiber von TV-Sendern der Schweiz.
Zahlen zum TV-Geschäft gibt es keine, laut Elsener erwirtschaftete sein Bereich inklusive Radio, Events und Filmvertrieb zuletzt einen Umsatz von 150 Millionen Franken und beschäftigt rund 400 Mitarbeitende. Der Umsatz der übernommenen Gruppe um 3+ betrug 2019 laut Branchenkreisen rund 50 Millionen Franken.
Restauranttester macht Pause
Neben der Kurzarbeit spart CH Media derzeit bei den teuren Eigenproduktionen etwas ein. «Die Produktion der Sendung ‹Bumann der Restaurant-Tester› ist derzeit ausgesetzt», erklärt Elsener. Da keine Restaurants offen seien, gebe es auch nichts zu testen. Das sei aber nur eine Pause. So ist weiterhin geplant, die nächste Staffel der Kuppelshow «Bachelor» im Spätsommer zu produzieren.
Denn das Publikumsinteresse ist da: «Seit Anfang des Jahres ist der Marktanteil unserer nationalen TV-Sender gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14 Prozent auf einen Anteil von 10,5 Prozent gestiegen», sagt Elsener. Zum Vergleich: Trotz hoher Einschaltquoten der Informationsformate haben die Sender der SRG insgesamt 5 Prozent Marktanteile verloren, bleiben aber mit einem Anteil von rund 25 Prozent Platzhirsch im Schweizer TV-Markt. Der Rückgang «lässt sich primär mit dem Wegfall sämtlicher grosser Sportveranstaltungen begründen», erklärt ein SRG-Sprecher.
Das sogenannte lineare TV, bei dem Zuschauer das sehen, was ihnen ein Sender zu einer bestimmten Uhrzeit vorsetzt, ist indes auf dem Rückzug. Dank der Rückspulfunktion haben sich TV-Konsumenten daran gewöhnt, ihre Serie zu schauen, wann es ihnen passt.
Problem für die TV-Sender: Die Zuschauer überspulen dabei die Werbung, und die ist die wichtigste Einnahmequelle der Free-TV-Sender. Derzeit laufen zwischen den TV-Sendern und den Sendeverbreitern wie den Telecom- und Kabelnetzbetreibern Verhandlungen, wie es beim Replay-TV weitergehen soll. Zudem werden Streaminganbieter wie Netflix wichtiger, neuerdings ist auch Disney+ in der Schweiz gestartet.
Neues Portal – SRG als Partner?
Vor diesem Hintergrund plant CH Media nun eigene Streamingangebote. «Wir wollen mehr Inhalte auf digitalen Plattformen anbieten, denn die Nachfrage danach steigt», sagt Elsener. Möglich sei, dass die Inhalte teils gratis, teils kostenpflichtig werden, «Freemium» heisst das Mischmodell in der Fachwelt.
Wie das aussehen könnte, zeigt das Portal TVnow von RTL. Für 4,99 Euro im Monat können Nutzer 14 Tage werbefrei alle Sendungen der Gruppe schauen und einige exklusive Inhalte sehen, die nicht im Gratis-TV ausgestrahlt werden. Allein im vergangenen Jahr investierte RTL 85 Millionen Euro in eigene Streaminginhalte.
Um die Kosten zu begrenzen und um mehr Inhalte bei der geplanten Streamingplattform bieten zu können, ist laut Elsener ferner eine Option, mit der SRG zusammenzuspannen. «Wir stehen in konstruktiven Gesprächen» sagt der TV-Manager. Allerdings arbeitet die SRG derzeit zunächst alleine an ihrer eigenen Streamingplattform unter dem Projektnamen Rio. «Die Einbindung Dritter und Kooperationen mit Privaten werden aber in Erwägung gezogen», bestätigt ein SRG-Sprecher.
Der Kauf der Gruppe um 3+ für geschätzte 160 Millionen Franken gilt in Branchenkreisen als teuer. Zum Preis selbst macht Elsener keine Angaben, betont aber, dass CH Media kein Abschreiber auf dem Zukauf drohe. «Die Bewertung bezog sich auf die Zuschauerzahlen, und hier gibt es kein Problem.»
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