Kritik «High Fidelity»Catwoman macht auf Nerd
Eine Serie mit Zoë Kravitz transportiert «High Fidelity», Nick Hornbys grossen Pop-Roman der Neunzigerjahre, in die Gegenwart. Das funktioniert erstaunlich schlecht.
Es ist immer ein Vergnügen, der Unterhaltungsindustrie dabei zuzusehen, wie sie an anderen Werken der Pop- oder Subkultur scheitert. Vor allem wenn sie einem etwas bedeuten. Wenn man zum Beispiel zu den etwas älteren Männern gehört, für die Nick Hornbys «High Fidelity» Mitte der Neunzigerjahre ein Generationenroman war. Niemand hat die Unzulänglichkeiten des Mannseins so liebevoll vorgeführt wie Hornby. Es spricht also zunächst einmal nichts dagegen, das Werk zu überarbeiten. Das hat nun der Streamingdienst Hulu getan, der den Roman als Serie produziert hat (in der Schweiz ist die Serie im Starzplay-Kanal von UPC zu sehen).
Im Roman ist die Hauptfigur Rob, der einen Laden für gebrauchte Schallplatten im damals noch nicht ganz so hippen Londoner Hipsterviertel Holloway betreibt, seine Selbstzweifel kanalisiert, indem er sie in Listen ordnet, und seine Unfähigkeit, erwachsen zu werden, damit, dass er seine Plattensammlung immer neu sortiert. Darüber diskutiert er mit seinen beiden Mitarbeitern, die seine einzigen Freunde sind. Es gab vor zwanzig Jahren eine Hollywoodverfilmung, die den Handlungsort nach Chicago verpflanzte. Die Rolle des Rob wurde mit John Cusack besetzt, der solche Selbstzweifel und Unsicherheiten ganz gut umsetzen kann. Regie führte Stephen Frears, der als Brite und Indie-Filmemacher ein ordentliches Gespür für den Stoff hatte.
Beim Versuch, mit Rollenbildern aufzuräumen, werden einfach nur Vorurteile neu verteilt.
Die Serie hat nun das Autoren- und Produzentenduo Veronica West und Sarah Kuscerka entwickelt, die einen ansehnlichen Track Record haben, wie man Verzeichnisse erfolgreicher Werke in Hollywood nennt. Sie produzierten die Krankenhausserie «Mercy» und die Arztserie «Hart of Dixie», haben für Komödien wie «Ugly Betty» und «Good Christian Bitches» geschrieben. Sie haben sich viel Mühe gegeben, alles richtig zu machen für die jungen Leute von heute. Die Musikauswahl stammt zum Beispiel von Questlove, dem Schlagzeuger der Roots. Vor allem aber wurden die Genderstrukturen aufgelöst.
Die Hauptrolle haben sie mit Zoë Kravitz besetzt. Die hat in der Serie «Big Little Lies» bewiesen, dass sie sehr gut schauspielen kann und wird im nächsten Batmanfilm als Catwoman zum Hollywoodstar aufsteigen. Sie spielt Rob als junge Afroamerikanerin, die einen Laden für gebrauchte Schallplatten im derzeit hippen Hipsterviertel Crown Heights in Brooklyn betreibt. Auch sie kanalisiert ihre Selbstzweifel damit, Listen zu rezitieren. Wobei es eigentlich immer nur eine Liste ist. Auf der stehen ihre fünf gescheiterten Beziehungen.
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Geschenkt, dass Zoë Kravitz für die Rolle der Selbstzweiflerin nicht taugt, weil sie bei der Genpool-Lotterie gleich zweimal den Jackpot gezogen hat. Ihr Vater ist der Rockstar Lenny Kravitz, ihre Mutter der Filmstar Lisa Bonet, die in der Filmversion – nette Fussnote – die Liedermacherin spielte, in die sich Cusacks Rob verliebte. Von ihren Eltern hat sie offensichtlich das Beste geerbt. Das hässliche Entlein kauft man Zoë Kravitz jedenfalls kaum ab. Noch viel schwerer tut man sich damit, dass sie mit einer solchen Besessenheit über ihre Bindungsprobleme lamentiert, als sei sie ein Zwergplanet, der um die Sonne ihrer Beziehungen kreist. Ihre Qualität als Schauspielerin ist eine Lauren-Bacall-hafte Unnahbarkeit, hinter der sich eine enorme Kraft verbirgt. Wenn sie sich aber auf die Antiheldenreise begibt, mit den Verflossenen (vier Männer und als Zugeständnis an die Gegenwart auch eine Frau) selbst herauszufinden, ob die Fehler nicht alle bei ihr liegen, wird aus den Selbstzweifeln unverwirklichter Männlichkeit im Roman ein sehr altertümliches Prinzessinnenmuster.
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Auch Kravitz' Rob stehen zwei Kumpels zur Seite, die im Laden für sie arbeiten. Das sind die sehr gewichtige Afroamerikanerin Cherise und der sehr untergewichtige Clyde. Der ist auf Robs Liste der gescheiterten Beziehungen die Nummer 3, der gleich nach dem Aus sein Comingout hatte und nun Männern nachschmachtet, an denen er scheitert. Darüber stürzt er in Abwärtsspiralen aus Selbstmitleid und Fehleinschätzungen, was ihn nicht davon abbringt, dieselben Fehler immer wieder zu machen. Cherise ist mit ihrem Übergewicht wiederum die einzige Figur, die vom Drehbuch keinen Schwarm abbekommt. Freiheit als Bürde, «Fat Shaming» durch Entsexualisierung, Übertragung des vermeintlich typisch weiblichen Verhaltensmusters der Selbstaufopferung auf den effeminierten Schwulen – da ist man dann beim Grundproblem der Serie. Denn beim Versuch, mit Rollenbildern aufzuräumen, werden einfach nur Vorurteile neu verteilt.
Der Rocksnob ist die harmlose Variante des Mansplainers
Der Witz des Buchs war aber gerade, damals aktuelle Rollenmuster und Pop-Phänomene mit Charme aufzuspiessen. Das funktioniert in der Übertragung erstaunlich schlecht. Weder lässt sich die Figur des Plattensammlers der Neunzigerjahre in die Gegenwart verfrachten, noch die des «Rocksnobs» auf eine Frau übertragen. Als Nick Hornby seinen Roman zur Blütezeit der CD verfasste, waren die Männer, die Vinylplatten kauften, so etwas wie die Briefmarkensammler der Popkultur, Kauze, die sich in ein Herrschaftswissen hineinwühlten, das ausschliesslich in der Hermetik ihrer Welt Wert besass. Der Rocksnob wiederum war immer die harmlose Variante des Mansplainers, ein Schlaumeier, der seinen Wissensvorsprung in der Popgeschichte wie ein Kreuzfahrer zelebrierte.
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Heute ist Herrschaftswissen eine Sache von zwei Mausklicks und das Plattensammeln die billigere Variante des nostalgischen Designkonsums. Ein Regalbrett voller Scheiben ist erschwinglicher als eine Einrichtung mit Eames-Möbeln und Panton-Lampen, dockt aber an dieselbe Sehnsucht nach der heilen Welt des mittleren 20. Jahrhunderts an. Musik und Schallplatten sind in der Serie deswegen auch keine metaphorischen Vehikel, sondern blosse Requisiten für die Illusion von zeitgemässer jugendlicher Urbanität.
Der kathartische Moment der Serie spielt sich dann nicht im Klub ab, sondern auf der Säuglingsstation. Rob besucht ihren Bruder und seine Frau mit ihrem Neugeborenen. Das Lächeln, das sie da aufflackern lässt, ist wie das Signal für ihre Kapitulation. All die schlechten Launen, die Affären, die Willensstärke, für männliche Filmcharaktere alles Selbstverständlichkeiten – hat ihr das nicht nur geschadet? Da lässt sie sich auf den faulsten aller Kompromisse ein, die Beziehung um der Beziehung willen. Und so hält selbst «High Fidelity» mit seinen Insignien sozialer Moderne wie fast alle amerikanischen Serien an einem im Kern traditionellen Wertekanon und Familienbild fest. Mehr Biedermeier in Brooklyn geht nicht.
«High Fidelity», auf Starzplay bei UPC TV
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