LiveBundesratswahl im TickerPfister gewählt dank geschlossener Linken und vieler Stimmen von FDP und Mitte – Zentralschweiz jubelt
Der Gesundheitsdirektor aus dem Kanton Zug kann sich schon im zweiten Wahlgang durchsetzen. Das Parlament hat Martin Pfister als Viola Amherds Nachfolger gewählt.
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Die Vereinigte Bundesversammlung hat Martin Pfister mit 134 von 245 gültigen Stimmen im zweiten Wahlgang in die Landesregierung gewählt.
Bereits im ersten Wahlgang fehlte dem Zuger Gesundheitsdirektor lediglich eine Stimme.
Pfisters Konkurrent, der St. Galler Nationalrat Markus Ritter, erhielt 110 Stimmen.
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Der Wahlkampf: Wie Pfister gegen Ritter aufgeholt hat
Pfister: Rolle der Schweiz in Europa neu definieren
Der neu gewählte Bundesrat Martin Pfister bedankt sich vor den Medien für die Unterstützung. Er freue sich enorm und trete das Amt mit grossem Respekt an. Er habe eine hohe Affinität zu sicherheitspolitischen Fragen, würde aber jedes Departement übernehmen. «Ich trete mein Amt in einer Zeit an, die uns täglich geopolitische Verwerfungen beschert.» Der Ruf nach einem geeinten Europa sei aktueller denn je. Es gehe nun auch darum, die Rolle der Schweiz in Europa neu zu definieren.
Departementsverteilung am Freitag
Der Bundesrat wird am Freitag über die Departementsverteilung entscheiden. Das gab der Bundesratssprecher bekannt. Martin Pfister wird voraussichtlich das Verteidigungsdepartement übernehmen.
Burkart fordert Gesamtverteidigungsstrategie
FDP-Präsident Thierry Burkart sagt: «Bis vor kurzem war Martin Pfister der Kandidat der Mitte jetzt ist er der Bundesrat von allem Schweizerinnen und Schweizern.» Es habe bei den Profilen beider Kandidaten Aspekte gegeben, welche aus Sicht der FDP gut waren. Er gratuliere Pfister und wünsche ihm «viel Erfolg im herausfordernden Amt». Sollte Pfister wie erwartet Verteidigungsminister werden, müsse er endlich eine Gesamtverteidigungsstrategie entwickeln. Und zwar mit dem Bundesrat gemeinsam. Zudem müsse diese vom Parlament und allenfalls von der Bevölkerung gutgeheissen werden.
«Die WG wurde zum Massenlager»: Wie Pfisters Familie mitfieberte
Martin Pfisters Familie ist bereits am Dienstagabend nach Bern gereist. Seine jüngste Tochter studiert an der Uni Bern Jura. Ihre WG wurde kurzerhand in einen Massenlager umfunktioniert, verrät Pfisters Sohn Samuel. Am Abend vor dem grossen Tag gab es noch einen Pizza-Plausch. Die Wahl selbst verfolgte die Familie dann gemeinsam auf der Zuschauertribüne. Pfisters älteste Tochter Fabiola musste mit dem Baby zwischendurch raus, weil es «bägget» hat. Obwohl Pfister zuletzt Chancen zugerechnet wurden, komme die Wahl für sie doch überraschend, sagt Samuel Pfister.
Grünen-Präsidentin Mazzone: «Krasse Untervertretung der Frauen»
Die Präsidentin der Grünen, Lisa Mazzone, sagt sie sei nicht glücklich mit dem Ausgang der Wahl. Von Anfang an sei aufgrund der Kandidaturen klar gewesen, dass die Gefahr eines Fünferblockes im Bundesrat gross sei. «Es sind nur noch zwei Frauen, das ist eine krasse Untervertretung, und alle Bundesräte sind aus derselben Generation.» Dass der Bundesrat weit weg sei von der Bevölkerung, sehe man an der aktuellen Vertrauenskrise.
«Die Mitte hatte seit Jahren eine progressivere Stimme in den Bundesrat gebracht“» so die Grünen-Präsidentin weiter. Flavio Cotti setzte sich für die Bilateralen ein, Joseph Deiss für den UNO-Beitritt, Doris Leuthard für den Atomausstieg und Viola Amherd für die Gleichstellung.«
Pfister traue sie diese Rolle nicht zu. Er stamme aus einem Kanton, der ganz klar auf Steuerdumping eingestellt sei und im Rohstoffsektor Wirtschaftspolitik zugunsten von Russland mache. «In seiner Kandidatur hat er sich weder für Gleichstellung noch für Umwelt und Klimafragen stark gemacht.»
Versöhnliches Buffet
Am Apéro im Bundeshaus kommen Pfister- und Ritter-Fans auf ihre Kosten. Es gibt Zuger Kirschenwurst und St. Galler Kalbsbratwurst.
Bürgerliche Frauen bevorzugten Pfister
In der Mitte und der FDP dürfte Martin Pfister insbesondere bei den Frauen gut abgeschnitten haben. Schon vor der Wahl äusserten sich bürgerliche Frauen vereinzelt kritisch gegen Markus Ritters Politstil – meist aber anonym. Auch die Aussage von Ritter zu Beginn seines Wahlkampfs, dass sich Frauen in der Mitte wohl nicht fürs Verteidigungsdepartement interessieren würden – und die kritischen Worte gegen Viola Amherd – kamen nicht gut an.
Die neue Präsidentin der FDP-Frauen, Bettina Balmer, sagt: «Es war keine einfache Wahl, aber das Argument der Fortschrittlichkeit und moderner gesellschaftlicher Ansichten war für Frauen am Ende vielleicht schon wesentlich.» Man habe eher die Hoffnung auf jemanden gesetzt, der aus einem städtischen Gebiet komme und gewisse fortschrittliche Ideen einbringen wird. «Aber was welche Frau am Ende gewählt hat, weiss ich ja nicht, weil Bundesratswahlen immer geheim sind.»
Tamara Funiciello, die Co-Präsidentin der SP-Frauen sagt: «Frauen haben bei dieser Wahl eine Rolle gespielt, und Markus Ritter hat sie unterschätzt. Das ist ein kapitaler Fehler.» Auch viele bürgerliche Frauen hätten sich am Ende für Pfister entschieden.
Maya Graf, die Co-Präsidentin des überparteilichen Frauenverbands Alliance F, ergänzt: «Wahltag ist auch Zahltag.» Wenn man zu vielen Personen auf die Füsse trete, dann könne es bei einer Bundesratswahl schwierig werden.
Zuger Mitte jubelt
Jubel bei der Mitte des Kantons Zug im Restaurant zum Äusseren Stand in Bern. Die Guggenmusik, in der Pfister Posaune spielt, überbrückt die Zeit bis zur Verkündung des Wahlresultats. Als Nationalratspräsidentin Maja Riniker dazu ansetzt, das Resultat des zweiten Wahlgangs zu verkünden, blicken alle gebannt auf den mit Zuger-Flagge geschmückten Bildschirm. Als klar wird, dass Martin Pfister gewählt ist, springen Parteikollegen, Freunde aus der Guggenmusik und Bekannte im Publikum auf und umarmen sich spontan.

Kim Gunkel, Geschäftsführerin der Mitte Kanton Zug, sagt in einer ersten Reaktion, man habe immer daran geglaubt, dass Martin Pfister Bundesrat werde. «Martin ist ein sehr besonnener und umsichtiger Politiker – auch als Bundesrat wird er sich eine Meinung aufgrund von Fakten bilden», sagt sie.
Der Präsident der Jungen Mitte Zug, Gabriele Battiston, sagt, es sei schön, dass die Bundesversammlung auf Meinungsumfragen beim Volk gehört habe, «denn die tendierten mehrheitlich zu Martin Pfister.» Im VBS werde er einige Änderungen vornehmen müssen, sagt Battiston. «Aber ich glaube, dass er das Departement schnell wieder in die richtige Bahnen lenken könne – natürlich mit Unterstützung des Gesamtbundesrats.»
Kann sich Ritter eine künftige Bundesratskandidatur vorstellen?
Markus Ritter wird gefragt, ob er erneut kandidieren würde, falls die Mitte nach den nächsten Wahlen einen zweiten Bundesratssitz bekommen würde. Er betont, aktuell habe die Mitte einen Bundesratssitz. Jetzt schon zu spekulieren, was nach den nächsten Wahlen sei, bringe nichts. Auch das sei «Kafisatzlesen».
Er habe immer versucht, sich zwei Szenarien vorzustellen im Kopf: Noch nicht seine Wahlfeier zu planen, mental noch keine Leute einzustellen fürs VBS. Am Mittwochnachmittag werde er «vergnügt» auf seinem Stuhl im Nationalrat sitzen. Das Leben gehe weiter.
Damit ist der Point de Presse des unterlegenen Kandidaten Markus Ritter beendet.

Hat Ritter zu wenige liberale und linke Stimmen geholt?
Ritter sagt, es habe keine Wahlempfehlungen gegeben von den meisten Fraktionen, er könne nicht beurteilen, woher die Stimmen am Ende gekommen seien. «Ich bin einfach der, der ich bin. Ich habe immer alles offen und transparent gesagt», so Ritter. Mit SP und Grünen habe er gestern beim Hearing einen guten Austausch gehabt. Er habe gesagt, wo man gemeinsam Lösungen finden könnte, wo gemeinsame Positionen möglich gewesen wären.
Jon Pult: «Unsere Fraktion war sehr diszipliniert»
SP-Nationalrat Jon Pult ist zufrieden mit der Bundesratswahl. Unsere Fraktion war, glaube ich, sehr diszipliniert«, sagt er. Die SP dürfte also fast geschlossen für Pfister gestimmt haben. Bei Pult überwiegt die Freude aber anderweitig. Er wurde vor zwei Tage Vater einer Tochter. Nun kam er extra für die Wahl nach Bern. Für den Fall, dass es knapp würde, wie er sagt. Vor einem Jahr unterlag er noch Beat Jans, heute sagt er: »Unsere Tochter ist mehr als eine gute Alternative zur Bundesratskarriere.« Nun gibt er ein paar Interviews und rauscht dann davon. In den Vaterschaftsurlaub. »Möglichst lange«, sagt er.
Ritter: «Die Aufgabe ist schon eine Herkulesaufgabe»
Es seien zwei sehr starke Kandidaten gewesen, sagt Ritter. «Martin Pfister ist eine sehr gute Wahl für die Mitte, das Land und das Parlament», so der unterlegene Kandidat auf Französisch. Bei Bundesratswahlen sage niemand gerne offen, wen er dann aufschreibe. Er habe versucht, über Themen zu sprechen und nicht nachgefragt, wer genau wen wähle. «Die Aufgabe ist schon eine Herkulesaufgabe»: Ritter macht eine Aufzählung aller Probleme im VBS. «Ich muss ihnen eins sagen: Das muss Martin Pfister nun an die Hand nehmen, ab dem 1. April.» Es sei eine grosse Aufgabe. «Ich traue ihm das zu», aber er werde «viele, viele Monate und Jahre investieren müssen», bis im VBS wieder alles im Lot sei.
Warum wurde Ritter nicht gewählt?
Es sei, «ein bisschen Kafisatzlesen», jetzt zu sagen, weshalb es ihm nicht gereicht habe, sagt Ritter auf die Frage eines Journalisten. Er glaube aber nicht, dass ihm der «Gmögigkeitsfaktor» gefehlt habe. Es würden in den Fraktionen aber strategische Überlegungen gemacht. Überlegungen, wie sich das Gremium am besten zusammensetzt und wie man die Ziele am besten erreichen, seien wohl ausschlaggebend gewesen.

Grüne bedauern «Rechtsruck»
Die Grünen regieren nicht erfreut auf den Ausgang der Bundesratswahl. Mit der Wahl von Martin Pfister rücke der Bundesrat «noch weiter nach rechts», schreiben sie in einer Mitteilung. Diese «Festigung des rechtsbürgerlichen Blocks» bedrohe sowohl den Umweltschutz als auch die soziale Gerechtigkeit. «Mit seiner Homogenität bildet der Bundesrat die Bevölkerung in Bezug auf Alter, Geschlecht und politische Orientierung nicht ab.»
Ritter: «Ich darf hier noch ein Wort richten an meine Bäuerinnen und Bauern»
Ritter bedankt sich bei seiner Familie: «Meiner Frau Heidi gebührt der grösste Dank. Sie hat mir den Rücken freigehalten, nicht nur in den letzten Tagen.» Er habe eigentlich nicht kandideren wollen, habe sich dann aber zur Verfügung gestellt für die Partei. «Ich hätte das Amt gerne übernommen». Nun habe er viele Ziele im Kopf, die er für den Bauernverband weiterverfolgen wolle. «Ich darf hier noch ein Wort richten an meine Bäuerinnen und Bauern.» Viele würden wohl aufschnaufen heute. «Sie wissen, dass unser Verband gut läuft.» Das Team sei erfolgreich und könne nun in dieser Form weitermachen. «Ich freue mich, meine Aufgaben weiterzumachen und mit der Bevölkerung im engen Austausch zu stehen.»
Ritter: «Ich wünsche ihm eine gute Hand»
Markus Ritter tritt vor die Medien. Die Schweiz habe einen neuen Bundesrat, sagt er, und: «Es ist mir eine grosse Freude, ihm zu gratulieren und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Befriedigung zu wünschen.» Ritter wünscht ihm zudem «eine gute Hand». Er habe im Wahlkampf mit Pfister einen Freund gewonnen. Sie hätten viel diskutiert. Für ihn sei es eine grosse Ehre gewesen, von der Kantonalpartei nominiert und von der Mitte-Fraktion aufgestellt geworden zu sein. Es sei ein enges Rennen gewesen, bis am Schluss habe man nicht gewusst, wie es herauskommen würde.
Schon erste Forderungen an Pfister
Die Erwartungen an den neu gewählten Verteidigungsminister sind gross – von allen Seiten. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) verschickte ihre Forderungen unmittelbar nach der Wahl. Die geplante milliardenschwere Aufrüstung stelle einen Richtungsentscheid für die Schweiz dar und sollte deshalb dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden, schreibt sie. «Die GSoA fordert den neuen Bundesrat und VBS-Vorsteher Martin Pfister auf, die Schweizer Bevölkerung über die Aufrüstung abstimmen zu lassen.»
Viele Stimmen von FDP und Mitte
Hat die 74-köpfige SVP-Fraktion fast geschlossen für Ritter gestimmt, wie es im Vorfeld der Wahl zu hören war, dann erhielt der unterlegene Kandidat nur rund 40 Stimmen aus den anderen Fraktionen. Pfister hat offensichtlich nicht nur durch den Anti-Ritter-Reflex der grünen und linken Kräfte gewonnen, sondern auch viele Stimmen in der politischen Mitte gemacht.
Die Bundesratsmitglieder gratulieren
Martin Pfister wird nun von den amtierenden Bundesratsmitgliedern empfangen und nimmt deren Gratulation entgegen. Er posiert mit ihnen für das erste gemeinsame Foto.

Der erste Zentralschweizer seit 21 Jahren
Pfister ist 61 Jahre alt und seit 2016 Zuger Gesundheitsdirektor. Er studierte Germanistik und Geschichte, war Lehrer und arbeitete vor der Zeit in der Regierung für Verbände. Zugutegekommen sein dürfte ihm bei der Wahl neben seiner Exekutiverfahrung seine militärischen Kenntnisse: Er bekleidete in der Armee den Rang eines Obersten. Da Pfister für eine Bundesrätin nachrückt, gehören nun nur noch zwei Frauen und fünf Männer zur Landesregierung. Mit Pfister erhält die Zentralschweiz nach gut 21 Jahren Unterbruch – seit dem Rücktritt des Luzerners Kaspar Villiger (FDP) Ende 2003 – wieder einen Bundesratssitz. Gar über vierzig Jahre ist es her, dass mit Hans Hürlimann (CVP) der letzte Zuger aus dem Bundesrat zurückgetreten ist. Pfister ist nach Hürlimann und Philipp Etter (CVP) der dritte Zuger überhaupt im Bundesrat. (SDA)
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