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Einsatz von Pestiziden
Bundesrat will mehr Schutzzonen fürs Trinkwasser

Langfristig sichern: Der Grossteil des Trinkwassers in der Schweiz stammt aus Grundwasser.
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Für Wasserversorger ist es schwieriger geworden, Trinkwasser zu gewinnen, das den gesetzlichen Anforderungen genügt. Ein Grund dafür: Neue wissenschaftliche Studien haben gewisse Stoffe giftiger als früher klassifiziert, der Bund hat deshalb in bestimmten Fällen Pestizide neu eingestuft; das derzeit wohl prominenteste Beispiel ist das Fungizid Chlorothalonil.

Auf die Wasserversorger könnten deshalb Investitionen in Millionenhöhe zukommen, etwa für den Bau neuer Transportleitungen oder zusätzliche Aufbereitungsanlagen. Wer soll das bezahlen? Kurt Fluri schlägt vor, eine landesweit einheitliche, möglichst verursachergerechte Lösung für die Finanzierung zu schaffen; der Bundesrat soll die entsprechenden Rechtsgrundlagen ausarbeiten, fordert der FDP-Nationalrat in einer Motion.

Erst 60 Bereiche ausgeschieden

Der Bundesrat indes will sauberes Trinkwasser nicht mit technischen Aufbereitungsmassnahmen sichern. Vielmehr möchte er das Grundwasser, aus dem 80 Prozent des Trinkwassers gewonnen wird, vorsorglich stärker schützen; das zeigt seine Antwort auf die Motion, die er am Mittwoch publiziert hat. Es dauert Jahre, bis verschmutztes Grundwasser wieder sauber ist. Der bundesrätliche Plan ist also klassische Prävention, die teure Reparaturen im Nachhinein vermeiden soll.

Im Zentrum des Vorschlags stehen die sogenannten Zuströmbereiche – das sind jene Zonen, in denen die Trinkwasserfassungen vor Verunreinigungen durch Nitrat, Pflanzenschutzmittel und andere Schadstoffe geschützt sein sollen. Heute müssen die Kantone solche Bereiche nur festlegen, wenn Grundwasserfassungen bereits verunreinigt sind oder die konkrete Gefahr einer Verunreinigung besteht. Neu will der Bundesrat eine «generelle Pflicht» einführen. Was das heisst, gibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf Anfrage bekannt: Die Pflicht zur Ausscheidung von Zuströmbereichen bestünde neu bei allen Fassungen, bei denen sich eine Verunreinigung «nicht weitgehend ausschliessen» liesse.

Betroffen wären laut Bafu Gebiete mit einem grossen Anteil landwirtschaftlicher Nutzung, mit viel Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieflächen oder grossen Verkehrsinfrastrukturen. In Zahlen: Von den circa 18’000 Trinkwasserfassungen landesweit wären es rund 2800 im Mittelland und in den Alpentälern. «Dadurch können die Gefahren für das Trinkwasser zielgerichtet reduziert werden», sagt Bafu-Sprecherin Rebekka Reichlin.

Bis jetzt haben die Kantone erst 60 solche Bereiche ausgeschieden. Fachleute orten daher einen Vollzugsrückstand. Grund dafür sei, dass die Kantone die Kosten zu tragen hätten, die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen aber fehlten, sagt André Olschewski vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW), der über die Trinkwasserqualität wacht. Auch die Gemeinden und Wasserversorger seien bisher zu passiv gewesen.

«Es wäre am effizientesten, wenn der Bund gewisse Pflanzenschutzmittel gar nicht mehr zuliesse.»

Mirjam Bütler, Konferenz der kantonalen Bau- und Umweltdirektoren

Setzt sich der Bundesrat im Parlament durch, käme auf die Kantone ein ziemlich grosser Brocken zu. Die Konferenz der kantonalen Bau- und Umweltdirektoren (BPUK) hielte es deshalb für am einfachsten, problematische Pflanzenschutzmittel möglichst nicht mehr zu verwenden und dazu in der laufenden Agrarreform – die neue Agrarpolitik ab 2022 – die dafür nötigen Anreize zu setzen. «Es wäre am effizientesten, wenn der Bund gewisse Pflanzenschutzmittel gar nicht mehr zulassen würde», sagt BPUK-Generalsekretärin Mirjam Bütler.

Kurt Seiler, Kantonschemiker und Leiter des Interkantonalen Labors, unterstützt diese Haltung. Er sagt aber auch: «Zuströmbereiche sind eine gute Investition in die Zukunft.» Mit deren Ausscheidung könne das für das Trinkwasser genutzte Grundwasser im Sinne der Vorsorge geschützt werden. Allerdings, so Seiler, müsse der Bund sich an den aufwendigen und teuren hydrogeologischen Abklärungen finanziell beteiligen. Von kostspieligen Aufbereitungsverfahren hält Seiler nichts.

Allein, die Ausscheidung der Zonen ist nur ein erster Schritt. Das Grundwasser schützen lässt sich erst, indem die Behörden auf den entsprechenden Flächen Vorgaben machen, etwa den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmittel einschränken. Nur: Diese sogenannte Extensivierung, die den Ertrag schmälert, möchten die Landwirte kompensiert haben, wie Seiler ausführt. Das heisst, die Direktzahlungen, die der Bund den Bauern entrichtet, müssen mit zusätzlichen Mitteln übersteuert werden. «Das ist unsinnig», sagt der Kantonschemiker und verweist auf die Agrarpolitik ab 2022. Geplant ist, hier mit einer entsprechenden Ausgestaltung der Direktzahlungen korrigierend einzugreifen.

Pestizide zonenweise verbieten

Fachmann Seiler schlägt zudem vor, die Zulassungspraxis für Pestizide entsprechend anzupassen. Neu soll es möglich sein, bei der Bewilligung eines Pestizids ein Verbot für den Einsatz in einem Zuströmbereich zu erlassen. Auf diese Weise wäre laut Seiler auch den Bauern gedient: Das Trinkwasser liesse sich schützen, ohne die gesamte Landwirtschaft zu stark einschränken zu müssen, etwa mit generellen Pestizidverboten.

Der Vorschlag ist politisch pikant, verlangt doch die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide», dass der Einsatz synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft generell untersagt wird. Sie kommt wohl 2021 zur Abstimmung.