Reportage aus dem BundeshausMit Bierfahnen, dem «Fährimaa» und Leonard Cohen – so wurde die neue Legislatur eröffnet
Das Bundeshaus befindet sich neu in Basler Händen: Ein Baselbieter ist höchster Schweizer, eine Stadtbaslerin präsidiert den Ständerat. Und die Basler wollen noch mehr.
Vor einem Jahr waren sie schon einmal da, die Regierungsrätinnen und Regierungsräte aus dem Kanton Basel-Stadt. Die Bundesratsfeier für Eva Herzog war da schon vorbereitet, die Stimmung gelöst (es gibt lustige Selfies von diesem Tag; also von der Zeit vor der Wahl), die Gewissheit war allen ins Gesicht geschrieben: Das klappt heute!
Es klappte nicht.
Jetzt waren sie also wieder da, die neue Feier ist ebenfalls schon vorbereitet, die Stimmung vielleicht etwas weniger gelöst als vor einem Jahr (die Präsidialfeier für Eva Herzog, die am Mittwoch gemeinsam mit den Festivitäten für Eric Nussbaumer stattfinden wird, kostet eine halbe Million Franken; das löste daheim eine mittlere politische Debatte aus, die SVP boykottiert die Party), dafür ist das Resultat heute absehbarer: Gewählt ist – Eva Herzog.
Stadt und Land
Die Basler Ständerätin wird nun für ein Jahr die kleine Kammer präsidieren. Sie freue sich sehr über die Wahl, sagte Herzog, und sie werde versuchen, jene «sachliche Debatte» zu ermöglichen, die man brauche. Sie vertrete einen Stadtkanton, aufgewachsen ist sie allerdings in der Agglomeration, in Pratteln. Sie will die Städte und Agglomerationen ins Zentrum stellen. «Ich möchte in meinem Präsidialjahr dazu beitragen, den Graben zwischen Stadt und Land wieder zuzuschütten.» Als ersten Beitrag dazu kündigte sie den Auftritt des Beizenchors Basel an. Im Chor singen auch Verwandte von Herzog aus Metzerlen mit, einer kleinen und sehr ländlichen Gemeinde in der weitesten Basler Peripherie, in der Herzog öfters anzutreffen ist.
Beim Auftritt des Beizenchors (inklusive Bierfahne, so etwas sah man im Ständerat auch noch selten) war die Sache im anderen Saal für den anderen Halbkanton ennet dem Jura bereits gelaufen.
Auftritt Eric Nussbaumer. Der Baselbieter SP-Nationalrat sitzt seit 2007 im Nationalrat, nach gewissen Anlaufschwierigkeiten (letzter Platz im Parlamentarierranking der «SonntagsZeitung»!) etablierte er sich zu einer Kapazität in Energie- und vor allem Europathemen. Nun wird er als höchster Schweizer für ein Jahr lang die Sitzungen des Nationalrats leiten. Sein Motto für dieses Jahr: Grenzen überschreiten, den Horizont erweitern. Das beginnt im Kleinen, beim Röstigraben, beim Gotthardmassiv, und endet im Grossen. Bei Europa natürlich (aber das sagte er nicht explizit).
Musik vom Rhein
Danach gab es ebenfalls Musik, ebenfalls mit einem Basler Chor. Die Männerstimmen Basel sangen vom «Fährimaa» und vom grossen stillen Rhein, sie schickten dem abtretenden Nationalratspräsidenten Martin Candinas einen romanischen Gruss hinterher und sangen dann noch einmal über Basel. Da wurde es schon einigen Leuten zu viel mit der Baseltümlichkeit.
Dabei ist das erst der Anfang. Nach der Feier von diesem Mittwoch ist für den 21. Dezember bereits die nächste geplant – ein Volksfest für den neuen Bundesrat Beat Jans soll es dann sein. Vor der Wandelhalle blitzte dabei kurz die Gewissheit auf, die vor einem Jahr überall zu spüren war. Ein Teil der Basler Delegation wollte sich unbedingt fotografieren lassen und spannte kurzerhand Jans’ Gegenkandidat Jon Pult ein. «Viel Glück bei der Wahl», hiess es danach in die Richtung von Pult (als ob!).
Gänzlich unbaslerisch verlief die weitere Eröffnung dieser 52. Legislatur. Als Allererster redete Gerhard Pfister, Alterspräsident des neuen Parlaments und Chef der Mitte. Er redete so, wie man es von Pfister gewohnt ist: richtig gut. Kern seiner Rede war das Buch «Die Welt von gestern» des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig. Das Buch ist, in seinem ersten Teil, eine Hommage an das unerschütterliche Gefühl, dass die Zukunft aus der Fortschreibung der glücklichen Gegenwart besteht. Immer vorwärts. Immer positiv. Immer gut, immer besser.
Doch dann zeigt sich: Gewissheiten sind eben nicht unerschütterlich. Die fahlen Rösser der Apokalypse schnappen sich am Schluss alle. Pfister war kürzlich in Wien, las das Zweig-Buch noch einmal und dachte sich dabei: Was der junge Zweig spürt, spüre ich schon ein ganzes Leben. Diese eingeübte Selbstverständlichkeit, dass alles immer gut komme. Dass Sicherheit und Wohlstand ewig währten, dass die Zukunft aus der Fortschreibung unserer glücklichen Gegenwart bestehe.
Doch, leider, sei unsere Welt von heute auch nicht mehr die Welt von gestern. «Die Brüchigkeit nimmt zu, Risse werden sichtbar.»
Pfister zitiert Cohen
Nun gebe es natürlich verschiedene Arten, mit diesen Rissen umzugehen, gerade als Parlament. Sagte Pfister und zitierte dann jemanden, der im Nationalratssaal viel zu wenig zitiert wird. «There’s a crack in everything. This is how the light gets in.» Überall hat es Risse, hat Leonard Cohen einmal gesungen, so komme das Licht herein. Das Licht der Aufklärung, unserer Werte, unserer Menschlichkeit, der Vernunft. «Wir müssen nur hinsehen und handeln.»
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Etwas pathetisch. Aber es wird ja auch nicht jeden Tag eine neue Legislatur eröffnet. Nach Pfister kam die jüngste gewählte Nationalrätin ans Rednerpult, Katja Riem von der SVP, und hielt ihre Eröffnungsrede. Keine einfache Ausgangslage nach Pfisters Vorlage – aber Riem löste das souverän. Sie orientierte sich an der legendären Tännli-Neujahrsansprache von Adolf Ogi und brachte einen Rebstock als Accessoire mit (Riem ist auch Winzerin). Der Stock mit seinen drei Ranken symbolisiere die Verbindung mit der Bevölkerung (Wurzeln!), die Eigenständigkeit, die Innovation. Kam sehr gut an.
Danach: Vereidigung der neuen und alten Ratsmitglieder (Schwur oder Gelübde), Apéro für die diversen Präsidenten – und damit war die Sache offiziell eröffnet. Herzlich willkommen zur neuen Legislatur, herzlich willkommen zur Basler Legislatur.
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