Bundesratssitzung zu CoronaBund ignoriert eigenes Konzept für Rückkehr zur Normalität
Sind alle willigen Erwachsenen geimpft, beginnt die Phase der Normalisierung. Das hat der Bundesrat festgelegt. Ob das wirklich der Fall ist, will er plötzlich nicht mehr so genau wissen.
Die Vorgaben sind eigentlich glasklar: Im Mai hat der Bundesrat sein 3-Phasen-Konzept für die Rückkehr der Schweiz zur Normalität verabschiedet. Darin steht, dass die sogenannte dritte Phase dann beginnt, wenn «sämtliche impfwilligen Erwachsenen geimpft sind». Diese Normalisierungsphase bedeutet gemäss der aktuellsten Umschreibung von Bundesrat Alain Berset in einem Interview mit der «SonntagsZeitung», «dass dann als Kriterium für Massnahmen nur noch die drohende Überlastung der Spitäler zählt und nicht mehr der Schutz der Ungeimpften».
Weiter ist im Konzept vom Mai auch definiert, was genau mit «sämtliche impfwilligen Erwachsenen geimpft» gemeint ist. Demnach sollte jeder einzelne Kanton dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit einem Bericht melden, wann auf seinem Gebiet dieser Moment erreicht ist. Und zwar anhand von drei «statistischen Kriterien»:
Impfwillige Personen müssen innerhalb von zwei Werktagen einen Impftermin erhalten können.
Der Impftermin soll in ihrer Wohngegend wahrgenommen werden können.
Das Angebot der Impfmöglichkeiten muss die Nachfrage während mindestens einer Woche klar übertreffen.
Am Mittwoch kommt der Bundesrat zu seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause zusammen. Er wird sich unter anderem mit der Frage befassen, ob die Normalisierungsphase bereits ausgerufen werden kann. Immerhin sinkt die Nachfrage nach Impfungen seit bald zwei Monaten. Am Dienstag vermeldete das BAG für die letzte Woche so tiefe Impfzahlen wie zuletzt im Februar.
Allerdings wurden die Kapazitäten in den kantonalen Impfzentren während der Sommerferien stark heruntergefahren. So hat etwa Glarus das einzige Impfzentrum gleich für zwei Wochen geschlossen. Und in Zürich wurden in den letzten Tagen plötzlich die Impftermine knapp.
Die Berichte aus den Kantonen hätten da anhand von objektiven Kriterien Klarheit geben können, wie es wirklich um Impfnachfrage und -angebot steht. Doch am Tag vor der Bundesratssitzung teilt das Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage mit, dass der im Konzept festgelegte Weg, um festzustellen, ob in der Schweiz der Moment für die Normalisierung gekommen sei, nicht mehr gelte.
«Der Bund hat davon abgesehen, eine Meldung der Kantone zur Erfüllung der drei Kriterien abzuholen», schreibt das BAG. Begründet wird dies damit, dass der Bund die Situation in den Kantonen verfolge und so die relevanten Informationen im Austausch mit der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), den Kantonsärzten oder den Zuständigen für die Logistik erhalte.
Kantone: «Kriterien scheinen vielerorts erfüllt»
Die Nachfrage, ob denn dieser Austausch das Fazit zulasse, dass die Bedingungen für einen Übergang zur Normalisierungsphase erfüllt seien, beantwortet das BAG nicht und verweist lediglich auf einen allfälligen Entscheid in der Bundesratssitzung.
Die GDK teilte am Dienstag mit, dass die Kriterien für die Normalisierungsphase «inzwischen vielerorts erfüllt scheinen». Die Kantone versuchen aber weiterhin, die Impfbereitschaft mit verschiedenen Ansätzen zu erhöhen. Beispiele dafür seien auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Informationskampagnen, niederschwellige Angebote wie mobile Impfstationen, Walk-in-Impfungen, frei wählbare Termine oder Betriebsimpfungen.
Zudem geht die GDK davon aus, dass viele Personen die Impfung zugunsten der Sommerferien aufgeschoben haben: «Es sollte also möglich sein, das Impftempo im August wieder etwas zu beschleunigen.»
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