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Wegen voller Asylzentren
Bund hat keinen Platz mehr – Notfallplan-Massnahmen werden aktiviert

Im Frühjahr wurde die Zürcher Saalsporthalle für die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter in Betrieb genommen.
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Die Flüchtenden aus der Ukraine und die vielen Asylsuchenden aus anderen Ländern bringen das Schweizer Asylsystem an die Kapazitätsgrenzen. Die Situation sei «sehr angespannt», teilte das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Dienstag mit. Die Behörden greifen nun auf Elemente des Notfallplans Asyl zurück, den Bund und Kantone während der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 erstellt hatten. Die Folge: Die Kantone müssen Asylsuchende aus den Bundeszentren übernehmen.

Seit der Asylreform weilen die Asylsuchenden während des normalen Asylverfahrens in Bundesasylzentren – bis zu 140 Tage lang. Doch die Zentren sind ausgelastet. Deshalb wird nun ein Teil der Asylsuchenden schon früher an die Kantone überstellt. In einem ersten Schritt sind dies Personen mit einer Wegweisungsverfügung, in einem zweiten Schritt auch Personen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. 

«Niemand soll draussen schlafen müssen»

Die Kantone müssen sich darauf einstellen, dass sie vorübergehend bis zu 1000 Asylsuchende pro Woche aufnehmen müssen statt wie bisher 500. Dank dieser Massnahme blieben die Bundesasylzentren für neu ankommende Asylsuchende aufnahmefähig, schreibt das SEM. 

Erst vor einer Woche hatten Bund und Kantone mitgeteilt, sie seien sich einig, dass eine frühere Überstellung von Asylsuchenden an die Kantone «wenn immer möglich zu verhindern sei». Die Kantone machen den Bund aber nicht verantwortlich dafür, dass es nun anders gekommen ist. Die Lage sei für alle herausfordernd, sagt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren. «Das Ziel bleibt, dass niemand draussen schlafen muss.»

Die Mehrheit der Kantone verfügt zurzeit zwar noch über freie Plätze. Für Kantone, die ihre Ampel auf Orange gestellt hätten und schon fast an der Kapazitätsgrenze seien, sei es aber schwierig, nun noch zusätzliche Asylsuchende aufnehmen zu müssen, sagt Szöllösy. Die Kantone befürchten ausserdem, dass Ausreisepflichtige weniger rasch freiwillig ausreisen, wenn die Rückkehr nicht von Bundesasylzentren aus erfolgt. 

Armee sieht Ausbildung gefährdet

In den vergangenen Wochen haben Bund und Kantone laufend zusätzliche Unterkünfte bereitgestellt. Im Notfallplan Asyl ist vorgesehen, dass der Bund mit Armeeunterkünften insgesamt 9000 Unterkunftsplätze zur Verfügung hat. Diese Plätze stehen bereits zur Verfügung – und bald sind es 9500.

Schweizweit hat der Bund in den letzten Wochen in Zusammenarbeit mit der Armee gegen 20 zusätzliche Unterkünfte in Betrieb genommen oder vorbereitet. Bereits eingerichtet sind etwa Mehrzweckhallen in Bure JU, Thun BE, Gossau SG oder Chamblon VD. Weitere werden in Schönbühl BE und Emmen LU vorbereitet. Zudem stelle sie dem Kanton Luzern ab November das Truppenlager Eigenthal zur Verfügung, schreibt die Armee. 

Gleichzeitig macht die Armee deutlich, dass sie nicht gewillt ist, jede Kaserne für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen: Eine langfristige Abgabe von Kasernen sei nicht möglich, ohne die Ausbildung und die Bereitschaft der Armee zu gefährden, betont sie. Gaby Szöllösy sagt dazu, sofern eine Notlage eintrete, müssten Bund und Kantone abwägen, was wichtiger sei: Flüchtlinge oder das Militär. Im Zweifelsfall kann der Bundesrat entscheiden, dass die Armee die Kasernen zur Verfügung stellen muss. Die Notlage ausrufen könnten auch Kantonsregierungen. So könnten sie Gemeinden dazu verpflichten, Zivilschutzunterkünfte bereitzustellen.

Besonders prekär ist die Lage in den Asylregionen West- und Nordwestschweiz. Zu Wochenbeginn wurde in Basel eine Zivilschutzanlage in Betrieb genommen. Schweizweit sind bisher vier unterirdische Unterkünfte mit insgesamt 400 Plätzen geöffnet worden. Alle liegen in der Asylregion Nordwestschweiz. Für weitere Unterkünfte ist der Bund im Gespräch mit Kantonen und Gemeinden. 

Dringend Personal gesucht

Doch nicht nur die Unterbringung stellt die Behörden vor Probleme. Es fehlt auch an Personal. In den vergangenen Jahren mit niedrigen Asylgesuchszahlen sind Stellen abgebaut worden. Nun müssen neue geschaffen werden. Die Firma ORS, die Asyldienstleistungen erbringt, hat seit Jahresbeginn rund 500 neue Mitarbeitende eingestellt. Allein für die Bundesasylzentren wurden in den letzten acht Wochen über 100 neue Mitarbeitende eingestellt. Gegenwärtig sind 56 Stellen offen, wie ORS schreibt. «Wir suchen dringend Personen, die sich ein Engagement in der Betreuung von Flüchtlingen vorstellen können.»

Gesucht werden auch Sozialarbeiter, Köchinnen, Pflegefachpersonen und Sozialpädagoginnen für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger. In der Betreuung Erwachsener werden Zivildienstleistende eingesetzt. «Hast du Lust, deinen Zivildienst in einem Bundesasylzentrum zu leisten?», fragt das SEM auf Twitter.

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Auch für die Prüfung der Identität und Herkunft von Asylsuchenden fehlt Personal. Die Kantone befürchten, dadurch könnten sich Verfahren verzögern. Das Bundesamt für Polizei und die Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten prüfen nun, ob sie Mitarbeitende zur Verfügung stellen können.

Zurzeit stellen rund 800 Menschen pro Woche in der Schweiz ein Asylgesuch. In den ersten neun Monaten des Jahres sind rund 15’000 Asylsuchende in die Schweiz gekommen. Bis Ende Jahr rechnet der Bund mit insgesamt 22’000 Gesuchen. Aus der Ukraine haben bisher gegen 70’000 Flüchtlinge in der Schweiz Schutz gesucht.