Kritik an MedienBürgerliche sorgen sich um Interessenkonflikte bei Journalisten
Das Waadtländer Parlament verlangt von Verlagen, dass sie über ihre Arbeitsweise Rechenschaft ablegen. Die Urheber des Vorstosses sehen darin kein Problem für die Pressefreiheit.
Sein Vorstoss sorgte im Waadtländer Parlament, aber auch in lokalen Medienhäusern für hitzige Diskussionen. SVP-Kantonsrat Cédric Weissert forderte, für Journalistinnen und Journalisten müssten in der Waadt dieselben Regeln gelten wie für Kantonsrätinnen und Kantonsräte. Per Gesetz sollen sie verpflichtet werden, sich in ein Berufsregister einzutragen und ihre Interessenbindungen offenzulegen. Weissert argumentierte, der Kanton fördere Printmedien mit Inseraten. Im Gegenzug sollten Medienunternehmen gegenüber dem Staat Transparenz bezüglich der Interessenbindungen ihrer Journalisten schaffen. Dabei bezog er sich auch auf die Bestimmungen des Presserats.
Weil Weissert mit seiner Motion in der zuständigen Kommission keine Mehrheit fand, wandelte er sein Anliegen in ein weniger verbindliches Postulat um. Dieses hat die bürgerliche Mehrheit im Waadtländer Kantonsrat am Dienstag mit 72 zu 55 Stimmen angenommen. Die Regierung muss dem Kantonsrat nun in einem ersten Schritt berichten, wie es in den Redaktionen um Transparenz bezüglich Mitgliedschaften in Vereinen, Parteien und Interessengruppen sowie Verwaltungsrats- und Stiftungsratsmandaten bestellt ist.
«Mein Vorstoss ist keine Attacke gegen Journalisten.» – «Das ist eine Machtdemonstration auf Kosten der Medienfreiheit.»
Cédric Weissert sagt: «Mein Vorstoss ist keine Attacke gegen Journalisten. Ich habe gute Kontakte zu Journalisten und noch nie eine schlechte Erfahrung mit ihrer Arbeit gemacht. Auch wenn ich manchmal denke, dass ein Kommentar in die falsche Richtung geht oder News die Relevanz fehlt.» Aber, so Weissert, in Zeiten, in denen auf Facebook jeder Nutzer Kommentare hinterlassen könne und auch die Politik ihre Wahlkampf- und Kampagnenfinanzierung offenlegen müsse, dürfe man auch von den Medien Transparenz einfordern. Das stärke deren Glaubwürdigkeit und auch die Demokratie.
Die FDP unterstützte den Vorstoss. Freisinnige betonten im Kantonsrat, sie wollten Branchenexperten anhören, um zu erfahren, wie sich Transparenz erreichen liesse.
Chefredaktor übt Kritik
Claude Ansermoz, Chefredaktor der Zeitung «24 Heures» (die wie der «Tages-Anzeiger» zur Tamedia-Gruppe gehört), reagierte mit einem ironischen Zeitungskommentar auf Weisserts Vorstoss. Waadtländer Bürgerliche seien «immer schon Pioniere gewesen, wenn es um Prinzipien wie Transparenz ging», schreibt Ansermoz und erhob damit den Vorwurf, bürgerlichen Politikern fehle es seit Jahren an Transparenz. Wie alle Tamedia-Angestellten habe auch er einen Vertrag unterzeichnet, der es ihm verbiete, «ein politisches Mandat auszuüben oder Mitglied eines Verwaltungsrats zu sein, und sei es auch nur auf ehrenamtlicher Basis», so Ansermoz.
«Wir brauchen keine kantonalen polizeilichen Massnahmen gegenüber den Medien», monierte SP-Kantonsrat Arnaud Bouverat in der Parlamentsdebatte. Bouverat sagt, er sei überzeugt, dass dieses Postulat «einzig und allein eine Machtdemonstration auf Kosten der Medienfreiheit» sei. Eine staatliche Einmischung brauche es hier nicht. Ganz generell frage er sich, wo ein Interessenkonflikt nach dem Verständnis der Waadtländer Bürgerlichen beginnen würde. Ein Journalist sollte das Recht haben, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, ohne den Staat darüber informieren zu müssen, so Bouverat. Problematischer findet er es, wenn Journalisten für ein Nationalratsmandat kandidieren – wie im Fall der Freisinnigen Fathi Derder und Nasrat Latif.
Regierung schafft Überblick
Kritik kommt auch von Denis Masmejan, Generalsekretär der NGO Reporter ohne Grenzen Schweiz. «Der Vorstoss ist bedauerlich, denn die Pressefreiheit setzt voraus, dass sich der Staat nicht oder so wenig wie möglich in die Medien einmischt», sagte Masmejan der Zeitung «Le Temps». Er befürchte, die Medienbranche würde so «in Geiselhaft genommen» und in die Links-rechts-Debatte hineingezogen.
Gemäss Laurence Jobin, Sprecherin der Waadtländer Staatskanzlei, wird die Regierung nun einen Bericht in Auftrag geben, um sich «einen Überblick über die Selbstregulierungspraktiken der im Kanton tätigen Medienbranche im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Journalisten» zu verschaffen. Darum kümmere sich Regierungspräsidentin Christelle Luisier (FDP). Der Staatsrat habe nun ein Jahr Zeit, «um diese Arbeit unter Wahrung der Pressefreiheit zu erledigen», so Jobin. Bis dahin werde auch definiert, wer als «Medium» und als «Journalist» gelte. Was danach komme, sei offen.
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