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Pläne für definitive Umsiedlung von Brienz GR
Brienzer sollen in umliegende Dörfer umziehen

Blick auf Brienz, am Dienstag, 12. November 2024, in Brienz-Brinzauls. Am 15. Juni 2023 erreichte ein Schuttstrom beinahe das damals evakuierte Dorf. Nun drohen weitere 1,2 Millionen Kubikmeter Felsschutt abzugleiten. Die Bewohner muessen das Dorf bis Sonntagmittag verlassen haben. Die Evakuation duerfte mehrere Monate andauern. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
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In Kürze:
  • Das Dorf Brienz muss zum zweiten Mal aufgrund von Bergsturzgefahr evakuiert werden.
  • Behörden prüften Umsiedlung nach Tiefencastel, Alvaneu Dorf oder Vazerol für die Betroffenen.
  • Der Bund hat finanzielle Unterstützung für den Landverlust bei Umsiedlung zugesagt.
  • Bewohner von Brienz sind emotional belastet, der Entscheid für Umsiedlung steht bevor.

Die Brienzer Bevölkerung steht vor einem Wendepunkt: Nach Jahrzehnten des Lebens unter der drohenden Bergflanke des Piz Linard musste das Bündner Bergdorf Brienz am Sonntag zum zweiten Mal wegen akuter Bergsturzgefahr geräumt werden – auf unbestimmte Zeit.

An einer Informationsveranstaltung am Mittwochabend in Tiefencastel wurden erste Weichen für eine mögliche definitive Umsiedlung gestellt. Behördenvertreter stellten ein Konzept vor, dank dem die rund 80 betroffenen Brienzerinnen und Brienzer nach Tiefencastel, Alvaneu Dorf oder Vazerol umziehen könnten.

Rund 200 Personen hatten sich zu der Information in der Turnhalle des Schulhauses Cumpogna versammelt. Eingeladen waren alle Einwohner der Gemeinde Albula, zu der Brienz gehört. Konkret strebt die Gemeinde eine Teilrevision der Ortsplanung vor, um Bauzonen aus dem gefährdeten Dorf auf sichere Standorte in der Gemeinde umzulagern.

Der Bund will zahlen

Gemeindepräsident Daniel Albertin führte durch den Abend. Er sagte, die Planung einer möglichen Umsiedlung sei «vielschichtig». An dem Abend könnten nicht alle Fragen beantwortet werden. «Aber wir wollen darauf vorbereitet sein, wenn eine Rückkehr nach Brienz nicht möglich ist oder von den Bewohnern gar nicht mehr gewünscht wird.»

Benno Burtscher, Präsident der Siedlungskommission, sagte, eine Umsiedlung sei mit der zweiten Evakuation wahrscheinlicher geworden. Er hatte aber gute Nachrichten: «Der Bund hat gerade heute mitgeteilt, dass er bei einer Umsiedlung den Landverlust finanziell entschädigen würde.»

Der Gesamtprojektleiter der Umsiedlung ist Silvio Sauter. Er erklärte, dass die Brienzer bereits in den nächsten Wochen konkrete Wünsche anbringen könnten, wohin genau sie umziehen möchten. Und schon im kommenden Januar soll damit begonnen werden, neu eingezontes Bauland zu erschliessen.

Marc Handlery informierte über Finanzierungsfragen. «Der Bund und auch der Kanton haben dazu sehr positive Signale ausgesandt, aber die Details sind noch unklar.» Vieles sei «Neuland», ergänzte Handlery,

Emotionale Diskussion

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Sorgen und Fragen der Bewohnerinnen und Bewohner von Brienz.

Teilnehmer kommen an zur Bevoelkerungsinformation zum Schuttstrom von Brienz, am Samstag, 9. November 2024, in Tiefencastel. Am 15. Juni 2023 erreichte ein Schuttstrom beinahe das damals evakuierte Dorf Brienz. Nun drohen weitere 1,2 Millionen Kubikmeter Felsschutt abzugleiten. Das Dorf muss sich auf eine erneute vorsorgliche Evakuierung vorbereiten. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Die Diskussion zeigte, wie stark die emotionalen und wirtschaftlichen Bindungen der Menschen an ihr Dorf sind. «Dass eine Umsiedlung eine Mammutaufgabe ist, ist mir klar», sagte ein Brienzer. «Aber ich bin schwer enttäuscht, dass wir nicht früher einbezogen wurden.»

Der Brienzer fand es insbesondere unverständlich, dass Vazerol, das wie Brienz hoch oben am Berg liegt, erst spät in die Umsiedlungsplanung einbezogen wurde. «Ich kenne kaum einen Brienzer, der in die Talsohle ziehen will», sagte der Mann. Gemeint ist Tiefencastel.

«Wir haben Risse im Herzen»

«Die Brienzer sind heute auf der Strasse», fuhr der sichtlich aufgebrachte Redner fort. «Und niemand weiss heute, wann und wohin er umziehen kann. Wir haben Risse in den Fassaden und Risse im Herzen.»

Die Behördenvertreter verteidigten sich. Vazerol sei zuerst als möglicher Umsiedlungsstandort auf dem Radar gewesen. Dann wurde der Weiler aber der Gefahrenzone zugeteilt, was ihn für die Umsiedlung ungeeignet machte. Erst neue Untersuchungen hätten vor kurzem gezeigt, dass Vazerol sicher sei.

Die nächsten Schritte

Brienz lebt seit Jahrzehnten mit der Gefahr, die von der instabilen Bergflanke des Piz Linard ausgeht. Ein sich täglich nähernder Schuttkegel und die Bewegungen der unter dem Dorf liegenden Gesteinsplatte – etwa 2,4 Meter pro Jahr – verschärfen die Lage. Ob ein Entlastungsstollen, der zurzeit gebaut wird, Brienz wieder sicher macht, ist unklar.

Warning signs and blockades are put up to close off access to the village of Brienz-Brinzauls, on Sunday, November 17, 2024, in Brienz-Brinzauls. On June 15, 2023, a stream of rock debris almost reached the village, which was evacuated at the time. Now another 1.2 million cubic meters of rock debris are threatening to slide away. The residents must have left the village by midday on Sunday. (KEYSTONE/Til Buergy)

So geht es nun weiter: Am 22. November wird die Mitwirkungsphase für die Teilrevision der Ortsplanung eröffnet. Bis zum 23. Dezember können die Betroffenen ihre Anmerkungen einbringen.

Die betroffenen Einwohner von Brienz stehen nun also vor schweren Entscheiden: entweder auf eine ungewisse Rückkehr hoffen oder sich schnell auf eine Umsiedlung einrichten und sich am gewünschten Ort für ein Stück Bauland entscheiden.

«Die Last liegt auf euch allen», sagte Gemeindepräsident Daniel Albertin zum Schluss der Veranstaltung.