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Meteorologe zum Unwetter in Brienz
«Die Gewitterzellen haben sich kaum fortbewegt»

Hochwasser Brienz. © Adrian Moser / Tamedia AG
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Brienz wurde am Montag zum Schauplatz einer der heftigsten Gewitterfronten dieses Hochsommers. Urs Graf, Meteorologe beim staatlichen Wetterdienst Meteo Schweiz, erklärt, warum es die Gemeinde besonders stark traf und mit was diese in den kommenden Tagen noch rechnen muss.

Herr Graf, was ist am Himmel über Brienz geschehen, bevor der Milibach zur Naturgewalt angeschwollen ist?

Die Schweiz stand am Montag unter dem Einfluss eines Tiefdruckgebiets. Aufgrund der energiereichen und feuchten Luft war das Potenzial für heftige Gewitter gross. Im Berner Oberland haben sich am Nachmittag schliesslich lokale Gewitterzellen gebildet, die sich aber aufgrund des schwachen Windes in höheren Lagen kaum fortbewegt haben. Innerhalb kürzester Zeit kamen so sehr grosse Regenmengen zusammen.

Ist ein solcher «Gewitterstillstand» selten?

Nein, das gibt es immer wieder. Am Montag haben sich die Gewitter aber nicht nur über Brienz festgesetzt, sondern sich dort noch weiter verstärkt.

Vor zwanzig Jahren kam es in Brienz bereits zu einer Unwetterkatastrophe. Wurde die Wetterlage am Montagabend unterschätzt?

Die Überschwemmungen und Murgänge im Jahr 2005 wurden durch starken Dauerregen verursacht, der Boden konnte diesen kaum mehr aufnehmen. Bei den Gewittern vom Montag war die Ausgangslage komplett anders. Zwar gab es Unwetterprognosen, allerdings handelte es sich um eine punktuelle Geschichte: Wo genau es zu starken Niederschlägen kommen würde, liess sich nur mit einer sehr kurzen Vorlaufzeit vorhersagen.

Auch am Mittwochmittag zogen Gewitter über das Berner Oberland, wie hier gesehen in Heiligenschwendi.

Wann und wie haben Sie als staatlicher Wetterdienst gewarnt?

Am Montagvormittag haben wir für das Berner Oberland eine allgemeine Gewitterwarnung mit Gefahrenstufe 3, verbunden mit Starkregen ausgegeben. Die akute Unwetterwarnung wurde dann am Abend durch unser Radarsystem automatisch erfasst und ausgegeben.

Wie viel Zeit bleibt nach einer solchen Akutwarnung, bis das Gewitter effektiv eintritt?

Bei den sogenannten Flash-Orange-Warnungen gibt es eine Vorlaufzeit von einer halben Stunde bis zu einer Stunde. Meteorologinnen und Meteorologen haben dabei aber immer die Möglichkeit, eine zusätzliche manuelle Warnung auszugeben und mit den Behörden in Kontakt zu treten. Entsprechende Schutzmassnahmen liegen dann aber in der Verantwortung der Kantone und Gemeinden.

Könnte sich die Lage in Brienz in den kommenden Tagen noch verschärfen?

Die aktuellen Gewitter und Schauer haben nicht dasselbe Ausmass wie jene vom Montagabend, für Freitag nimmt das Unwetterrisiko wieder zu. Vor allem am Wochenende dürfte es dann aber zu einer längeren, nicht unbedingt durch Gewitter bedingten Niederschlagsphase kommen. Zurzeit rechnen wir für das ganze Berner Oberland mit relativ hohen Regenmengen – für Warnungen ist es derzeit allerdings noch zu früh.

Hochwasser Brienz. © Adrian Moser / Tamedia AG

Worauf legen Sie das Augenmerk, wenn Sie die aktuelle Wetterlage verfolgen?

Vieles hängt davon ab, wie die Grosswetterlage über dem Alpenraum sein wird. Entscheidend für die Niederschlagssummen ist, wo das sich aufbauende Tiefdruckgebiet hinzieht. Wenn sich dieses weiter nach Osten verlagert, ist es wahrscheinlich, dass es in Vorarlberg und Tirol zu starkem Regen kommen wird – und nicht im Berner Oberland. Dies gilt es derzeit genauer zu beobachten, um genaue Prognosen stellen zu können.

Wie stark häufen sich Unwetter wie jenes vom Montagabend zukünftig?

Bei Gewittern ist es schwierig, konkrete Aussagen zu machen. Was die Datenstatistik aber zeigt: Kurze Niederschläge werden infolge des Klimawandels nicht nur häufiger, sondern auch intensiver. Indem die Luft wärmer wird, kann sie mehr Feuchtigkeit aufnehmen, womit es dann bei Schauern oder Gewittern zu grösseren Regenmengen kommt.

Steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass es bei Unwettern zu Murgängen kommt?

Schlussendlich spielen bei Murgängen verschiedene, nicht nur meteorologische Faktoren zusammen. Häufige und heftige Niederschläge begünstigen diese aber.

Hochwasser Brienz. © Adrian Moser / Tamedia AG

Wie wappnen Sie sich für diese Herausforderungen?

Meteo Schweiz aktualisiert derzeit das bestehende Warnsystem und entwickelt dieses insbesondere bezüglich Starkniederschlägen weiter. Zudem verstärken wir die Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden weiter, um Warnungen besser auszurichten.

Was lässt sich damit verhindern?

Das Wetter ist ein chaotisches System und gibt eine Limite vor. Wir können nicht beliebig frühzeitig eine genaue Vorhersage machen. Aber die Wettermodelle werden immer besser, und entsprechend können Warnungen zukünftig genauer und früher ausgegeben werden.