Angst vor Eskalation in NahostIsrael reagiert mit Luftangriffen auf Raketenbeschuss aus dem Libanon
So viele Raketen wie seit Jahren nicht mehr wurden von libanesischem Gebiet auf Israel abgefeuert. Nun hat das Land mit Gegenattacken reagiert.
Inmitten des jüdischen Pessachfestes und des muslimischen Fastenmonats hat sich die Lage im Nahen Osten weiter verschärft: Nach Raketenbeschuss aus dem Libanon griff Israel in der Nacht zum Freitag Ziele in dem Nachbarland und im Gazastreifen an. Unterdessen wurden zwei israelische Frauen bei einem Angriff im Westjordanland getötet. Die Eskalation in der Region folgt auf Zusammenstösse zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei Mitte der Woche an der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem.
Mindestens 34 Raketen seien «vom Libanon aus auf israelisches Gebiet abgefeuert» worden, erklärte die israelische Armee am Donnerstag. Fünf Raketen seien im Norden Israels eingeschlagen, 25 weitere abgefangen worden. Es war die heftigste Eskalation an der Grenze seit der Konfrontation zwischen der radikalislamischen Hisbollah-Miliz und Israel im Libanonkrieg im Jahr 2006.
Israel beschuldigte palästinensische Aktivisten, hinter dem Beschuss während des jüdischen Pessachfests zu stecken, bei dem mindestens ein Mensch verletzt wurde. «Wir wissen mit Sicherheit, dass es sich um palästinensisches Feuer handelt», sagte Armeesprecher Richard Hecht. «Es könnte die Hamas sein, es könnte der Islamische Dschihad sein, wir versuchen, das herauszufinden – aber es war nicht die Hisbollah.»
Offenbar Hamas-Ziele angegriffen
Deutschland, Frankreich und die USA verurteilten den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen und dem Libanon am Donnerstag. «Er muss sofort aufhören. Es gilt besonders jetzt während der Feiertage, eine weitere Eskalation zu verhindern», erklärte das Auswärtige Amt in Berlin im Onlinedienst Twitter.
Israel reagierte mit Angriffen auf Ziele im Libanon und im Gazastreifen, wie die Armee mitteilte. Den Angaben zufolge wurde im Libanon «Infrastruktur» der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas in einer Gegend angegriffen, in der sich auch ein palästinensisches Flüchtlingslager befindet. Die libanesische Armee gab an, im Südlibanon Abschussrampen entdeckt und zerstört zu haben.
Zuvor hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Raketenbeschuss aus dem Libanon gedroht: «Wir werden unsere Feinde schlagen und sie werden den Preis für jeden Akt der Aggression zahlen.»
Die UN-Friedensmission Unifil im Südlibanon an der Grenze zu Israel erklärte, der Libanon und Israel «wollen keinen Krieg». Sie und rief «alle Parteien dazu auf, sämtliche Aktionen» auf beiden Seiten der Grenze einzustellen. Israel und der Libanon befinden sich offiziell im Kriegszustand. An der Grenze der beiden Staaten gibt es immer wieder Spannungen.
Die Mission mit derzeit rund 10’000 Blauhelmsoldaten ist bereits seit mehr als 40 Jahren im Einsatz. Anlass für deren Gründung war eine siebentägige Militäroffensive Israels gegen palästinensische Kämpfer im Südlibanon im März 1978.
Der britische Aussenminister James Cleverly rief am Freitag «alle Parteien» zur Deeskalation auf. Er kritisierte den Beschuss Israels aus dem Gazastreifen und dem Libanon, aber auch die «Gewalt» der israelischen Polizei an der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem.
Zwei Schwestern getötet
Unterdessen wurden bei einem Schusswaffenangriff im besetzten Westjordanland zwei Frauen getötet. Eine weitere wurde schwer verletzt, wie israelische Rettungskräfte mitteilten. Die israelische Armee erklärte, dass beide Todesopfer Israelis seien. Ihr Fahrzeug sei im Norden des Jordantals angegriffen worden. Nach Angaben der Verwaltung von Efrat, einer Siedlung im Westjordanland, sind die Todesopfer Schwestern, bei der Verletzten soll es sich um die Mutter handeln.
Die jüngste Eskalation im Nahen Osten erfolgte wenige Tage nach Zusammenstössen der israelischen Polizei mit Palästinensern in der Al-Aksa-Moschee in Jerusalem, der drittheiligsten Stätte des Islam. Das Judentum verehrt den dortigen Tempelberg als seinen allerheiligsten Ort. Der Einsatz der israelischen Polizei hatte international Kritik ausgelöst.
Spannungen in Jerusalem
Unterdessen bereitete sich die israelische Polizei in Jerusalem auf den dritten Freitag des muslimischen Fastenmonats Ramadan vor. Rund 2300 Einsatzkräfte seien im Einsatz, hiess es am Abend von einer Sprecherin. Demnach werden erneut Tausende Muslime für das Freitagsgebet auf dem Tempelberg erwartet. «Wir werden weiterhin gegen jeden vorgehen, der die öffentliche Ordnung stört», teilte die Polizei mit.
In den Nächten zuvor war es zu heftigen Zusammenstössen zwischen der Polizei und Palästinensern auf dem Tempelberg gekommen. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie die Einsatzkräfte Schlagstöcke und Gummigeschosse einsetzten, um Palästinenser aus der Al-Aqsa-Moschee zu entfernen. Laut Polizei versuchten die Gruppen, sich in der Moschee zu verbarrikadieren. Zudem seien Feuerwerkskörper und Steine auf Polizisten geworfen worden. Mehrere arabische Länder verurteilten das Vorgehen.
Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist. Nach Angaben der israelischen Polizei ist es generell verboten, sich dort nachts aufzuhalten. Viele palästinensische Gläubige sehen ihr Recht zur Religionsausübung eingeschränkt. Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Er ist jedoch auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen.
AFP/fal
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