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Junger Patient aus Wädenswil
Nach den Windpocken landet Luis auf der Intensivstation

Zuhause bei Familie Heymer. Frau Heymer und ihr 7-Jähriger Sohn, der eine gefährliche Sepsis (Blutvergiftung) überstanden hat. 

03.01.2024
© Silas Zindel
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Hohes Fieber, starke Gliederschmerzen, überall kleine Hauteinblutungen – mit  Blaulicht wurde der achtjährige Luis ins Zürcher Kinderspital gefahren. Offenbar gerade noch rechtzeitig: Bakterien hatten sich in Luis’ Körper ausgebreitet, Organe befallen. Die Funktion seiner Niere und seiner Leber war bereits beeinträchtigt. Sofort kam der Junge aus Wädenswil auf die Intensivstation. Die Diagnose: Blutvergiftung (Sepsis).

In der Schweiz erkranken jährlich geschätzt 19'000 Menschen an Sepsis, 3500 sterben daran. Sie gehört zu den häufigsten vermeidbaren Todesursachen. Bis zur Hälfte aller Sepsis-Überlebenden leiden langfristig, manchmal sogar lebenslang an den Folgen der Krankheit. Besonders betroffen sind Neugeborene, Kinder und ältere Menschen. In der Schweiz läuft derzeit ein nationaler Aktionsplan, der die Zahl der Sepsis-Fälle reduzieren soll. Neben einer verbesserten Behandlung sollen die schweren Infektionen vor allem schneller erkannt werden. Denn Sepsis-Symptome wie hohes Fieber und Muskelschmerzen sind unspezifisch und werden oft nicht gleich mit einer Blutvergiftung in Verbindung gebracht.

Plötzlich sehr hohes Fieber

So war es auch bei Luis. Die Familie hatte im Skiurlaub mehrere Ärzte konsultiert – vergeblich. Doch von vorne: Der Ärger begann ein paar Tage vor den Skiferien im Februar 2023. Luis’ Mutter Manuela Heymer erinnert sich: «Am 15. Februar bekam Luis Windpocken. Das war der Anfang der Krankheit, obwohl wir uns da noch nichts Schlimmes dabei dachten. Luis ging es gut. Die Pusteln juckten auch nicht so stark.» Der Kinderarzt verschrieb Tinkturen gegen den Juckreiz.

Da Luis fit wie immer war, fuhr Familie Heymer in ihre Ferienwohnung im Wallis. «Wir dachten, da können wir unter uns sein und niemanden anstecken», sagt Manuela Heymer. Doch zwei Tage später bekam Luis in der Nacht sehr hohes Fieber. Über 40 Grad mit Schüttelfrost. Als ausgebildete Kinderkrankenschwester war Manuela Heymer etwas beunruhigt: «40 Grad Fieber ist nicht so typisch nach fünf Tagen Windpocken.» Als das Fieber trotz fiebersenkender Mittel weiter bedrohlich hoch war, fuhr man – es war Sonntag – ins Spital. 

«Im Spital sagte man uns, Kinder können schnell hohes Fieber bekommen, und man schickte uns mit einem weiteren Fiebermedikament nach Hause», erzählt Manuela Heymer. Doch das Fieber blieb hoch. Da Luis immer schlapper wurde, über starke Gliederschmerzen klagte und keinen Appetit mehr hatte, fuhr die Familie erneut ins lokale Spital – und wurde wieder nach Hause geschickt. 

Antibiotikum wirkte nicht

Am nächsten Tag konnte Luis nicht mehr laufen. Die Beine taten ihm weh und der linke Oberarm. Der nunmehr konsultierte Kinderarzt wies anhand eines Rachenabstriches Streptokokken nach. Streptokokkeninfekte sind eine bekannte Komplikation von Windpocken. Der Arzt verschrieb ein Antibiotikum. Manuela Heymer hatte zuerst ein gutes Gefühl: «Ich dachte, jetzt hat man endlich die Ursache gefunden und alles wird gut.»

Doch dem war nicht so: In der Nacht bekam Luis am ganzen Körper einen Ausschlag. Morgens ging die Familie erneut zu dem Kinderarzt, fragte, ob Luis allergisch auf das Antibiotikum reagiere. «Der Kinderarzt meinte, das Antibiotikum müsse erst mal wirken und das sei alles ganz normal», erinnert sich die Mutter. 

Manuela Heymer war klar: So konnte es nicht weitergehen. Die Reise musste abgebrochen werden. Noch während der Heimfahrt rief sie den Kinderarzt in Wädenswil an, bekam sofort einen Termin. Der Kinderarzt mass Luis’ Blutdruck, der deutlich zu tief war. Bei der körperlichen Untersuchung sah der Arzt, dass Luis überall kleine Hauteinblutungen hatte – ein Zeichen für eine schwere Infektion. Sofort rief der Kinderarzt den Krankenwagen. «Im Spital sagte man uns, es war höchste Zeit», erinnert sich Luis’ Mutter Manuela Heymer und kritisiert: «Die Blutvergiftung wurde erst spät erkannt.»

«Eine Sepsis entsteht, wenn der Körper schwer auf eine Infektion reagiert und einzelne oder mehrere Organe beginnen zu versagen», sagt Luregn Schlapbach, Chefarzt und Leiter des Departements für Intensivmedizin und Neonatologie am Kinderspital Zürich. Von einem in der Regel anfangs lokal begrenzten Infektionsherd werden die Keime über den Blutkreislauf in den gesamten Körper geschwemmt. Bei einer Sepsis entwickelt sich dann ein zunehmendes Versagen lebenswichtiger Organe. Eine solche Ausbreitung der Infektion ins Blut sei ein hochgefährlicher Notfall. 

Bakterien können ins Gehirn wandern

Zahlreiche Keime können eine Blutvergiftung auslösen, darunter zum Beispiel Staphylokokken, Pneumokokken und wie bei Luis Streptokokken. Besonders schlimm: Die Bakterien können auch ins Gehirn wandern. Ebenso kann eine Sepsis auch ohne direkte Infektion der Hirnhäute das Nervensystem negativ beeinträchtigen – zum Teil vorübergehend, zum Teil langfristig. Je nachdem welche Gehirnregion befallen ist, kann es wie bei Luis zu Bewegungsstörungen (Ataxie) kommen. Manuela Heymer: «Luis hatte ein ganz unsicheres Gangbild. Er schwankte und konnte die Füsse nicht gleichmässig aufsetzen.»

Eine Blutvergiftung muss schnell behandelt werden. Um die Ausbreitung der Keime zu stoppen, bekommen die Betroffenen sofort Antibiotika. Die Ärzte versuchen, den Kreislauf und Stoffwechsel mit Medikamenten zu stabilisieren und die Organfunktionen aufrechtzuerhalten. Eine weitere spezifische Therapie zur Sepsis gibt es zurzeit nicht, in diesem Bereich wird intensiv geforscht. Zum Teil sind auch chirurgische Massnahmen notwendig, um das Infektionsgeschehen einzudämmen.

So wurde bei Luis festgestellt, dass die Bakterien auch das Muskelgewebe zerstört hatten. «Das musste operiert werden, um das nekrotische Muskelgewebe zu entfernen», sagt Manuela Heymer. Auf der Station taufte man Luis schon «Löwenherz», weil er so tapfer war.

Wieder fit und fröhlich

Eine späte Diagnose wie bei Luis soll künftig möglichst verhindert werden. Dazu soll der nationale Aktionsplan beitragen. Auch die Behandlung soll in der Schweiz verbessert werden. «Wir wollen einen einheitlichen Standard entwickeln, wie man eine Sepsis frühzeitig erkennen und therapieren kann», sagt Schlapbach. Anschliessend könne jedes Spital das neue Wissen an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Das Wissen soll auch den Familien und damit der Gesellschaft zugutekommen. 

Insgesamt vier Wochen war Luis im Spital. Zunehmend ging es ihm besser. Nach und nach konnte er dort sogar an einem Unterricht für kleine Patientinnen und Patienten teilnehmen. «Im Spital gab es auch Clowns, die mich ein bisschen abgelenkt haben, das hat mir auch geholfen», erinnert sich Luis. Wieder zu Hause, machte Luis noch eine ambulante Physiotherapie.

Luis hat das Glück, dass er die Sepsis ohne bleibende Schäden gut überstanden hat. «Er ist wieder so fit und fröhlich, wie er vorher war», sagt Manuela Heymer. Alle Nachkontrollen im Kinderspital waren einwandfrei. Luis freut sich vor allem, dass «ich wieder meine Schulfreunde sehe». Endlich kann er auch wieder Fussball spielen und Velo fahren. 

Zuhause bei Familie Heymer. Frau Heymer und ihr 7-Jähriger Sohn, der eine gefährliche Sepsis (Blutvergiftung) überstanden hat. 

03.01.2024
© Silas Zindel
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