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Litauen setzt EU-Sanktionen um
Blockade gegen Kaliningrad empört Moskau

Güterzüge in Kaliningrad. Litauen reguliert den Bahntransit in die Stadt.
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Im Windschatten des Ukraine-Krieges entwickelt sich im Baltikum ein Konflikt, der das Potenzial hat, ein zweiter Krisenherd in der Region zu werden. Seit vergangenem Samstag blockiert Litauen den Bahntransport von Gütern, die unter EU-Sanktionen fallen, durch sein Territorium in die russische Exklave Kaliningrad.

Das Gebiet mit ihrem Zentrum, dem früheren Königsberg, wo sich an der Ostsee unter anderem ein grosser, eisfreier Stützpunkt der russischen Marine und Abschussrampen für russische Iskander-Raketensysteme befinden, ist geografisch zwischen Polen und Litauen eingeklemmt und hat keine Landverbindung mit Russland.

Die Cargo-Abteilung der litauischen Bahn hatte die Behörden in Kaliningrad mit Stichtag 17. Juni per Brief über ihren Schritt informiert. Der litauische Aussenminister Gabrielius Landsbergis nahm dazu am Montag beim Treffen der EU-Aussenminister in Luxemburg Stellung. Es sei nicht «Litauen selbst», das hier eigenmächtig Schritte setze, sondern man implementiere, nach entsprechenden Konsultationen mit der EU-Kommission, gemeinsam vereinbarte EU-Sanktionen. Das betreffe aber beispielsweise nicht Energieimporte nach Kaliningrad; der Öl-Boykott trete in Gänze erst zum Jahresende in Kraft.

Von der Blockade betroffen sind sanktionierte Güter wie Kohle und Metall, Baumaterialien und Hochtechnologie – nach Angaben des empörten Kaliningrader Gouverneurs Anton Alichanow macht das bis zu 50 Prozent der Güter aus, die nach Kaliningrad eingeführt werden. Nicht blockiert wird der sonstige Transitverkehr.

Schon im Februar, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hatte die Regierung, wie die gesamte EU, ihren Luftraum für russische Flieger gesperrt, sodass Transportflugzeuge für die Route zwischen Kaliningrad und Russland einen Umweg über die Ostsee nehmen mussten. Mit den Beschränkungen auf der Bahnroute muss Kaliningrad nun den Schiffstransport intensivieren.

Protest der russischen Regierung

Auf dem Telegram-Kanal der Kaliningrader Oblast wurde umgehend angekündigt, dass innerhalb einer Woche zusätzliche Cargo-Schiffe eingesetzt werden könnten, um den «Bahntransport zu ersetzen». Kaliningrad liegt mehr als tausend Kilometer von Moskau entfernt, nach Vilnius und Warschau ist es weit näher.

Die russische Regierung protestierte umgehend gegen die Einschränkungen; diese verletzten «internationales Recht», so der Vizechef des russischen Föderationsrats, Konstantin Kossatschow. Moskau verweist damit unter anderem auf ein internationales Abkommen, das den Transit zwischen der russischen Exklave und dem übrigen Russland regelt.

In Vilnius zeigen mehrere Plakate die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs, damit Passagiere auf dem Weg von Moskau nach Kaliningrad damit konfrontiert werden.

Darauf, wie viele internationale Rechtsakte Russland mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine, dem Einsatz international geächteter Waffen, der Deportation von Zivilisten und der Verhängung der Todesstrafe gegen Soldaten verletzt, ging Kossatschow nicht ein. Kossatschow klagte auch, wenn das so weitergehe, werde der «Westen wohl bald auch die Freiheit der Meere in Frage stellen» – was die russische Flotte im Schwarzen Meer vor der ukrainischen Küste wiederum seit vielen Monaten tut.

Diskussionen über Angriff auf Nato-Territorium

Litauen, im Zweiten Weltkrieg unter Stalin von der UdSSR besetzt und bis 1991 Sowjetrepublik, steht seit Kriegsbeginn im Visier russischer Aggressionsphantasien. Erst vergangene Woche hatte in Moskau ein Duma-Abgeordneter ein Gesetz eingebracht, mit dem die Unabhängigkeitserklärung der Litauer rückwirkend für ungültig erklärt würde. Die drei kleinen baltischen Staaten, die Russland aufgrund der Geschichte ihrer Besatzung besonders ablehnend gegenüberstehen und bereits 2004 der EU und der Nato beitraten, gelten als mögliches, weiteres Aufmarschgebiet der russischen Armee im Falle einer Ausweitung des Krieges.

Im russischen Staatsfernsehen etwa wird seit Wochen unter anderem darüber diskutiert, ob die Armee einen «Korridor» von Belarus durch Polen, die sogenannte Suwałki-Lücke, freischlagen und damit den Landweg durch Litauen umgehen soll. Das würde einen Angriff auf Nato-Territorium bedeuten.

Litauen, im Zweiten Weltkrieg unter Stalin von der UdSSR besetzt und bis 1991 Sowjetrepublik, steht seit Kriegsbeginn im Visier russischer Aggressionsphantasien.

Die Sanktionierung der Warentransporte ist somit nur ein weiterer Schritt, der die Spannungen zwischen den baltischen Staaten und Russland weiter anheizen dürfte, auch wenn die Massnahme im Namen der EU umgesetzt wird. Wenige Tage vor dem Gipfel in Brüssel, auf dem über den Status der Ukraine, der Republik Moldau und Georgiens als EU-Beitrittskandidaten entschieden werden soll, fürchtet auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, dass die russische Armee ihre Angriffe noch einmal verstärken wird.

In der Nacht zum Sonntag hatte es, nach Wochen der relativen Ruhe, wieder einen Luftangriff auf Kiew gegeben, alle Raketen wurden allerdings abgefangen. Im Osten mehren sich Anzeichen dafür, dass die Russen erneut auf Charkiw vorrücken wollen. Die Stadt ist noch schwer mitgenommen vom Bombardement der Russen, diese waren aber von den Ukrainern zurückgedrängt worden. Nun soll es dort womöglich eine zweite Offensive geben. Und auch Litauen hat Kremlsprecher Dmitri Peskow mittlerweile offen gedroht: Wenn das Land die Blockade nicht umgehend aufhebe, werde es eine massive Reaktion geben.