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Stephen Kings Grusel-Serie «Lisey’s Story»
Bis dass der Tod uns scheidet

Julianne Moore spielt die Hauptrolle in «Lisey’s Story».
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Diese Serie würde es nicht geben, wenn Stephen King nicht fast von einem Auto tot gefahren worden wäre. 1999 absolvierte der Schriftsteller entlang der Maine State Route 5 seinen täglichen Spaziergang, in der Nähe seines Sommerhauses im Westen von Maine, als ein schlingernder Minivan ihn erfasste.

Der Fahrer war betrunken und kabbelte, während er am Steuer sass, mit seinem Rottweiler. King erlitt mehrere Brüche an der Hüfte und am Bein, auch der Kopf und der rechte Lungenflügel wurden schwer verletzt. Er hat von diesem traumatischen Erlebnis ausführlich im Nachwort seines Buchs «Das Leben und das Schreiben» berichtet: «Es sollte zwei Monate dauern, bis ich wieder im Stehen pinkeln konnte».

Was ihm bei der langen, beschwerlichen Genesung half, waren zwei Dinge. Er kaufte für 1500 Dollar den Kleinbus, der ihn erwischt hatte, und verschrottete ihn höchstpersönlich mit einem Baseballschläger. Ein Horrorautor weiss, wie man seine Dämonen bekämpft. Ausserdem fing er trotz der vielen OPs und Wochen im Krankenhaus schnell wieder mit dem Schreiben an, zunächst handschriftlich, weil er noch nicht wieder an einem Tisch sitzen konnte.

«Lisey’s Story» ist neu auf Apples Streamingdienst verfügbar. 

Aber es gab immer wieder Rückschläge. Zwei Jahre nach dem Unfall wurde festgestellt, dass seine Lunge immer noch nicht ganz verheilt war. Er bekam eine Lungenentzündung. Also landete er wieder im Krankenhaus. Während er dort lag, wollte seine Frau Tabitha ihm eine Freude machen und sein Arbeitszimmer renovieren. Sie wurde aber nicht ganz fertig, bis er entlassen wurde. Und als King nach seiner Rückkehr in seinem Arbeitszimmer stand, voller Kartons und leerer Regale, kam ihm dieser Gedanke: So könnte es hier aussehen, wenn meine Frau ausmisten müsste, weil ich gestorben bin. «Ich fühlte mich wie ein Gespenst.»

Und wenn ein Horrorautor ein Gespenstererlebnis hat, und in diesem Fall auch noch selbst das Gespenst ist, muss er aus diesem Moment natürlich ein Buch machen.

«Ein wichtiges Buch»

King fing an, den Roman «Lisey's Story» zu schreiben, der schliesslich 2006 erschien, bei uns unter dem Titel «Love». Er handelt von der Witwe eines preisgekrönten Bestsellerautors, die nach dem frühen Tod ihres Mannes plötzlich auf sich allein gestellt ist. Nein, stellte er im Nachwort fest, bei diesem Paar handele es sich keinesfalls um seine Frau und ihn – aber ein grösserer persönlicher Anteil als sonst steckt wohl doch in diesem Buch.

King hat es unter all seinen Beststellern, von denen er wahrlich nicht wenige geschrieben hat, in einem Interview mit dem Rolling Stone als sein bestes bezeichnet: «Das fühlte sich von Anfang an wie ein wichtiges Buch an. Es ging um die Ehe – und darüber hatte ich noch nie geschrieben. Ich wollte mich über zwei Phänomene auslassen: zum einen über die autarke, geheime Welt, die sich zwei Menschen in einer Ehe aufbauen, zum anderen darüber, dass es selbst in diesem intimen Kosmos noch Dinge gibt, die wir nicht vom anderen wissen.»

Stephen King in einer Aufnahme von 2013. 

Weil der 73-Jährige so an dem Buch hängt, wollte er die obligatorische Verfilmung, die bei seinen Werken nie lange auf sich warten lässt, niemand anderem überlassen. Deshalb hat er aus «Lisey's Story» eine achtteilige Miniserie gemacht, die bei Apple TV+ läuft, und für die er alle Folgen selbst geschrieben hat.

King und das Kino (beziehungsweise das Fernsehen) hatten nicht immer eine optimale Liaison. Er ist zwar ein Autor, dessen Bücher schon sehr nah an der Erzählweise des Films sind; manchmal lesen sie sich schon wie halbe Drehbücher. Aber die Verfilmungen seiner Bücher, an denen er selbst mitgewirkt hat, gehören nicht immer zu den besten.

Zum Beispiel der mässige «Shining»-Dreiteiler, den er 1997 schrieb, weil er Stanley Kubricks vorangegangene Adaption seines Romans so grauenhaft fand. Im Falle von «Lisey's Story» hat sich seine federführende Mitarbeit aber ausgezahlt. Die Serie gehört zu den spannendsten dieses Streamingjahres. Denn King hat für die Verfilmung genau die richtigen Stellen seines 700-Seiten-Romans gekürzt oder ausgebaut – und sich vor allem die richtige Unterstützung mit ins Boot geholt.

Julianne Moore und Clive Owen in «Lisey’s Story». 

Dazu gehört der Produzent J. J. Abrams, Hollywoodwunderkind, «Star Wars»-Regisseur und «Lost»-Erfinder, mit dem King schon mehrfach kooperiert hat. Abrams und sein Team aus erfahrenen TV-Autoren dürften ein paar wichtige Tipps gegeben haben für die Umsetzung. Auch der Regisseur der Serie, der Chilene Pablo Larraín, ist eine gute Wahl, weil er den Hollywoodzugang zum Serienmachen um seinen sanft arthousehaften Autorenfilmerzugang erweitert. Dass sich Apple im Kampf um einen vorderen Platz auf dem Streamingmarkt, von dem das Unternehmen derzeit noch weit entfernt ist, das Trio King-Abrams-Larraín für den Job hinter der Kamera geschnappt hat, ist bestens nachvollziehbar.

Postume Schnitzeljagd

Vor allem aber die Hauptdarstellerin ist ein Geschenk. Julianne Moore spielt die Schriftstellerwitwe Lisey, und die 60-jährige Oscarpreisträgerin, die eigentlich immer toll ist, ist in dieser Rolle besonders gut. Denn natürlich kommt diese Geschichte nicht ganz ohne Übernatürliches aus, wie es sich für Stephen King gehört, der die Schrecken des Lebens am liebsten in unheimlichen Wesen überhöht. Das Monster, das es in diesem Fall zu besiegen gilt, ist allerdings das fieseste, weil menschlichste, dem man begegnen kann: die Liebe.

Wie Lisey nach dem Tod ihres Mannes entdecken muss, dass es Dinge über ihn gibt, die sie in den Grundfesten ihrer Existenz erschüttern, obwohl sie ihn so gut zu kennen glaubte, spielt Julianne Moore wirklich herzbewegend. Sie findet heraus, dass ihr Mann noch vor seinem Tod, von dem er wohl geahnt haben muss, eine Art postume Schnitzeljagd für sie vorbereitet hat.

Er schickt sie von einem Erinnerungsgegenstand ihrer gemeinsamen Jahrzehnte zum anderen. Am Ende dieses Rätselparcours liegt sowohl das Geheimnis seiner Schreibkunst als auch das ihrer Ehe verborgen.

Die Schnitzeljagd wird zum Horrortrip, weil Lisey von einem verrückten Fan ihres Mannes gejagt wird, der hinter dessen unveröffentlichten Manuskripten her ist, in der Hoffnung noch etwas Pulitzerpreisverdächtiges zu finden. Sie wird aber auch zu einem Erfahrungstrip, den der Ehemann so konzipiert hat, dass Lisey während ihres Abenteuers ihren Frieden damit machen kann, nach all den Jahren der Zweisamkeit wieder allein zu sein – allein, aber nicht einsam.

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«Lisey's Story», acht Folgen bei Apple TV+.