Aktionsplan des BundesratsRösti legt bei Biodiversitäts-Plan nach – für die Städte aber zu wenig
Nach anfänglicher Kritik hat der Bundesrat seinen Entwurf überarbeitet und die Mittel verdoppelt. Den Städten genügt dies jedoch nicht.
- Der Bund plant in den kommenden Jahren 20 Millionen Franken für Biodiversität ein.
- Kritiker monieren nach wie vor unzureichende finanzielle Mittel für effektive Massnahmen.
- Zoologe Andreas Müller bezeichnet den aktuellen Aktionsplan als inhaltlich ungenügend.
- Das Bundesamt für Umwelt nimmt momentan keine Stellung zu den Kritikpunkten.
Die Artenvielfalt ist laut Einschätzung der meisten Forscher unter Druck, der Handlungsbedarf gross. Der Bund will daher mit seiner Biodiversitätsstrategie den Artenschwund bekämpfen.
Den Plan dazu machte er nicht publik, obwohl das Volk im September über eine Initiative zur Förderung der Biodiversität zu befinden hatte. Diese Redaktion veröffentlichte den Aktionsplan kurz vor der Abstimmung – und die Kritik von Städten und Umweltverbänden daran.
Kritik übten sie vor allem an den knappen finanziellen Mitteln, die der Bund für den zweiten Aktionsplan vorsah: Während der erste Aktionsplan zwischen 2017 und 2024 noch 50 Millionen Franken umfasst hatte, sah der Entwurf vom Juni nur noch 9,9 Millionen Franken für die Jahre 2025 bis 2030 vor. «Die Mittel stehen in keinem Verhältnis zu den anstehenden Herausforderungen des Biodiversitätsverlustes», kritisierte der Städteverband. Auch inhaltlich erntete der Entwurf von Städten und Umweltverbänden Kritik: Die vorgesehenen Massnahmen würden bei weitem nicht ausreichen, um die Situation zu verbessern.
Inzwischen überarbeitete Bundesrat Albert Rösti seinen Aktionsplan. Am 26. September, also nur vier Tage nach der Ablehnung der Biodiversitätsinitiative, gab das Bundesamt für Umwelt (Bafu) den nachgebesserten Plan in die Ämterkonsultation – mit sechs Arbeitstagen Frist zur Stellungnahme.
Mittel verdoppelt – aber Kritik verstummt nicht
Im Vergleich zur ersten Version blieb der Plan inhaltlich weitgehend unverändert. Die Mittel wurden im Vergleich zur ersten Version jedoch auf rund 20 Millionen Franken verdoppelt. Im Vergleich zum vorangehenden Aktionsplan ist dies immer noch weniger als die Hälfte.
Geht man ins Detail, sieht der überarbeitete Plan etwa zur Förderung der Biodiversität im Siedlungsraum neu zwei Millionen Franken statt der ursprünglich vorgesehenen einen Million vor. Beim Städteverband heisst es dazu: «Eine Erhöhung des finanziellen Beitrags seitens Bund ist aus unserer Sicht erfreulich – aber leider genügen die finanziellen Mittel in der Höhe von 2 Millionen Franken auch nicht, um die Biodiversität im Siedlungsgebiet wirksam zu fördern und damit dem Ziel 8 der Strategie Biodiversität Schweiz zu entsprechen.»
Die Kantone haben sich bisher nicht öffentlich zum Aktionsplan geäussert. Nadine Kammermann von der Konferenz der kantonalen Umweltämter sagt nun: «Der Aktionsplan kann nur seine volle Wirkung entfalten, wenn ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen seitens Bund zur Verfügung gestellt werden.» In ihrer Rückmeldung an den Bund pochten die Kantone unter anderem auf die Themenschwerpunkte Landwirtschaft und die Wirkung von Subventionen.
Doch ausgerechnet dort plant der Bund in seinem zweiten Entwurf nun weniger Mittel ein: Für die Überprüfung von biodiversitätsschädigenden Subventionen sind neu 500’000 statt der ursprünglich vorgesehenen 600’000 Franken vorgesehen. «Wir haben diesen Punkt beim Bafu eingebracht», sagt Kammermann. Weiter äussern will sie sich nicht: «Unsere Rückmeldung erfolgte auf einer übergeordneten Ebene, auch in Bezug auf die finanziellen und personellen Mittel.»
Geplante Massnahmen sind «ein Witz»
Der Zoologe und frühere ETH-Dozent Andreas Müller betreut Projekte im Umweltbereich und veröffentlichte im Mai eine Studie zum Zustand der Bienen in der Schweiz. Müller hat den Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz mit seinem speziellen Blick gelesen. Sein Fazit fällt vernichtend aus: «Der Plan sieht bis 2030 insgesamt pro Jahr rund 3,3 Millionen vor. «Das ist nicht wenig, das ist nichts», sagt Müller.
Müller kritisiert nicht nur, dass zu wenig Geld zur Verfügung steht. Er kritisiert den Plan auch inhaltlich. So wolle der Bund «dem Insektensterben entgegenwirken», indem er sieben Punkte umsetzen möchte. Unter anderem plant er, «Insektenhotspots bis 2028 räumlich zu erfassen». «Das ist ein Witz», lautet Müllers Urteil. «Zu diesen Themen wissen wir genug, um noch heute mit der Umsetzung von Schutzmassnahmen für die Insekten zu beginnen.»
Nächste Woche beginnt die UNO-Biodiversitätskonferenz in Cali, Kolumbien. Dort ziehen die Staaten eine erste Bilanz zu den geplanten Massnahmen, wie sie die international vereinbarten Biodiversitätsziele erreichen wollen, zu denen sich auch die Schweiz bekannt hat.
Über 80 Länder haben inzwischen nationale Pläne zur Umsetzung der Ziele bis 2030 ausgearbeitet, nicht jedoch die Schweiz. Das sorgt bei Umweltverbänden für Unverständnis: «Die Schweiz hat die Frist verpasst und damit bereits rund ein Viertel der Zeit bis 2030 verstreichen lassen, schreiben sie in einer Medienmitteilung. Auch inhaltlich üben sie Kritik: «Die bisher bekannten Entwürfe des Aktionsplans Biodiversität sind hochgradig ungenügend.»
Das Bundesamt für Umwelt wollte sich auf Anfrage nicht zum überarbeiteten Entwurf äussern. Es sei am Bundesrat, den Aktionsplan Biodiversität und die finanziellen Mittel dafür zu beschliessen, heisst es beim Bafu. Er werde die aktuelle Finanzlage des Bundes jedoch in seine Erwägungen mit einbeziehen. Bis Ende Jahr soll der Aktionsplan vom Bundesrat beschlossen werden.
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