Bezirksgericht HinwilSeniorin füttert Bussard, wird verurteilt – und nun doch freigesprochen
Weil sie immer wieder einen wild lebenden Mäusebussard gefüttert hat, landete eine Zürcher Oberländerin vor Gericht. Ihr Fall zeigt auch, wie komplex das neue Jagdgesetz ist.

- Eine Seniorin aus dem Zürcher Oberland stand wegen vermeintlicher Wildvogelfütterung vor Gericht.
- Sie soll einem Mäusebussard Poulet verfüttert haben.
- Die Richterin sprach die Frau frei.
- Dies auch darum, weil die vermeintlichen Beweisfotos keine Beweise lieferten.
Es gibt Handlungen, bei denen man nicht im Entferntesten daran denkt, dass sie verboten sein könnten. Zum Beispiel das Füttern von frei lebenden Vögeln. Doch genau das brachte einer Zürcher Oberländerin eine Verurteilung per Strafbefehl ein.
Das fand die Frau so unglaublich, dass sie sich gerichtlich dagegen wehrte. So erschien die 77-Jährige am Dienstagnachmittag vor einer Einzelrichterin am Bezirksgericht Hinwil.
Titel der Verhandlung: Übertretung Jagdgesetz. Der Vorwurf: Die Frau habe an einem Dezembermorgen 2023 verbotenerweise Wildvögel mit Fleisch gefüttert.
Klares Gesetz mit gewichtiger Ausnahme
Aber was steht denn in diesem neuen Zürcher Jagdgesetz (JG)? Es steht dort klipp und klar: «Wildtiere dürfen nicht gefüttert werden.» Dazu gehören gemäss JG alle wild lebenden Säugetiere und Vögel.
Doch wie bei fast jeder Vorschrift gibt es auch hier Ausnahmen. So ist «das massvolle Füttern von Singvögeln, Wasservögeln und Eichhörnchen» erlaubt. Wer also ein Vogelhäuschen auf dem Balkon oder im Garten hat und dort in kleinen Mengen artgerechtes Futter zur Verfügung stellt, steht deshalb nicht gleich mit einem Bein im Gefängnis.
Schon einmal bestraft
Doch zurück zum Prozess. Es stimme zwar, dass sie auf einem Tisch im Garten ihres Hauses Futter für Vögel auslege. Dabei handle es sich aber nicht um Fleisch, sondern um Kerne, erzählt die Beschuldigte der Richterin. Und zwar je ein Kilo am Morgen und eines am Abend.
Die Richterin konfrontiert die Frau nun mit Aussagen eines Jagdaufsehers. Als der Mann im Garten eine Kontrolle machte, habe er Reste von Pouletfleisch auf dem Tisch entdeckt.
Nein, sagt die Seniorin, sie verfüttere seit einer Bestrafung wegen desselben Vorwurfs vor einem Jahr kein Fleisch mehr. Und überhaupt füttere sie eigentlich nur immer einen Vogel: ihren «Mäusi», einen Mäusebussard, der einmal verletzt war und von ihr dann gesund gepflegt wurde.
Seither komme der Vogel immer zu ihr «und hat Hunger». Und da «auch ein Tier das Recht auf Essen hat», gebe sie als Tierfreundin dem Bussard eben Nahrung.
Nachbar hatte Frau angeschwärzt
Die Verteidigerin der Frau fasst sich in ihrem Plädoyer danach kurz: Der Strafbefehl sei aufzuheben, die Seniorin freizusprechen. Ja, der Bussard sei gefüttert worden – im Unwissen, dass das seit Inkrafttreten des neuen Jagdgesetzes verboten sei. Aber die Frau habe es einfach «nicht übers Herz gebracht, ihn nicht zu füttern», nachdem er im Winter kaum mehr Nahrung gefunden gehabt hätte.
Die Beweisfotos seien unbrauchbar. Denn einerseits «kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, was der Vogel frisst», also ob Fleisch oder einfach ein paar Kerne. Andererseits habe ein Nachbar diese Fotos illegal gemacht, indem er unerlaubt das Grundstück der Frau betreten hatte. Gegen ihn läuft deswegen eine Strafanzeige.
Staat übernimmt Verfahrenskosten
Auch für die Richterin liefern die Beweisfotos «keinen rechtsgenügenden Nachweis». Und ob der Jagdaufseher an besagtem Tag wirklich vor Ort war und im Garten Pouletreste gefunden habe, daran habe das Gericht «unüberwindbare Zweifel».
Es bleibt als einzige verbotene Handlung also noch das Füttern des Bussards mit Kernen. Das aber war nicht eingeklagt, sondern nur explizit eine Fleischfütterung. Die Seniorin darf sich deshalb über einen Freispruch freuen. Allerdings macht die Richterin die selbst ernannte Tierfreundin darauf aufmerksam, dass, wenn die Kernfütterung eingeklagt gewesen wäre, die von der Tierliebhaberin täglich ausgestreuten zwei Kilo sicher nicht mehr als die im Jagdgesetz definierte «massvolle» Menge angesehen und demzufolge bestraft würden.
Mit dem Freispruch wird auch die erstinstanzlich per Strafbefehl ausgesprochene Busse von 250 Franken nichtig. Alle bisher im Verfahren angefallenen Kosten von 1250 Franken übernimmt zudem der Staat. Ebenso wie die 5000 Franken, welche die Seniorin zur Bezahlung ihrer Verteidigerin erhält. – Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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