Gastbeitrag zur MigrationZuwanderer sollen eine Kurtaxe zahlen müssen
Um das Bevölkerungswachstum zu bremsen, müssen Ausländer in der Schweiz eine Abgabe entrichten. Aber auch Einheimische sollen einen Gesellschaftsbeitrag leisten.
Die Personenfreizügigkeit mit der EU bringt der Schweiz ein viel zu hohes Bevölkerungswachstum. Die Standardrezepte dagegen versagen: Ventilklauseln gegen schwerwiegende Auswirkungen zielen ins Leere, denn das Bevölkerungswachstum wirkt stetig. Es verknappt und verteuert Boden, Wohnraum, Infrastruktur, Umweltgüter und Selbstversorgungs- und -entsorgungsziele und senkt so die Lebensqualität in der Schweiz hin auf EU-Niveau – was aus EU-Sicht kaum schwer wiegt.
Kontingente geben der Bürokratie und Regierung zu viel Macht über den Arbeitsmarkt. Und die effektivere Nutzung des inländischen Arbeitspotenzials bringt nicht weniger Zuwanderung, sondern mehr. Denn bei Personenfreizügigkeit bringt alles, was die Attraktivität der Schweiz erhöht, noch mehr Zuwanderungsdruck. Dadurch zerstört Personenfreizügigkeit die Anreize der Bürger, für gute Politik einzutreten.
Die beste Lösung wäre, von Neuzuwanderern während einigen Jahren eine Aufenthaltsabgabe zu erheben, ähnlich einer hohen Kurtaxe. So würden automatisch diejenigen zuwandern, die viel davon haben und der Schweiz viel bringen, und die Einheimischen könnten steuerlich entlastet werden. Das gäbe ihnen wieder starke Anreize, für eine hohe Attraktivität der Schweiz einzustehen.
Eine solche «Kurtaxe» ist aber – wie Ventilklauseln und Kontingente – diskriminierend und verletzt die bilateralen Verträge. Die grosse Frage ist also, wie die EU-Zuwanderung ohne Diskriminierung gesteuert werden kann.
Das geht über zwei Kanäle: Erstens können staatliche Lasten, die vor allem Schweizer treffen und so als «Schweizersteuern» wirken, gerechter verteilt werden. Zweitens können staatliche Leistungen, die vor allem langjährigen Einwohnern nützen, erhöht werden. Unser Vorschlag kombiniert beide Kanäle. Er senkt die Zuwanderung und stärkt die Landesverteidigung sowie die Chancengleichheit.
«Schweizersteuern» abbauen
Die gewichtigste Schweizersteuer ist die Wehrpflicht. Nur junge Schweizer Männer müssen Dienst leisten – 245 Diensttage oder gut ein Arbeitsjahr. Dadurch haben sie weniger Zeit für Erwerbsarbeit oder Ausbildung und danach weniger Berufserfahrung und so ein tieferes Einkommen. Über ihr Erwerbsleben kostet sie das je nach Ausbildung 80’000 bis 110’000 Franken. Die Entschädigung durch Erwerbsersatz und Sold beträgt aber je nach vorherigem Verdienst für Kinderlose bloss 18’534 bis 36’352 Franken. Somit haben die meisten Dienstleistenden Einkommensausfälle von 50’000 bis 80’000 Franken. Das führt zu unserem Vorschlag:
Alle Menschen, die ins Leben als Erwachsene in der Schweiz treten – also entweder volljährig werden oder als Volljährige zuwandern –, sollen einen Beitrag an die Gesellschaft im Umfang der bisherigen Belastung der Schweizer Wehrmänner und -frauen leisten, also wenigstens 50’000 Franken. Diesen «Gesellschaftsbeitrag» können sie durch gemeinnützige Arbeit bei anerkannten Organisationen, Militärdienst oder in finanzieller Form leisten, verteilt über die ersten fünf Jahre oder durch längere vertragliche Verpflichtungen für Militärdienst. Im Fall anderer erst später erbrachter anerkannter gemeinnütziger Arbeit könnten früher geleistete finanzielle Beiträge zurückerstattet werden.
Somit würden Inländer und Zuwanderer vergleichbare Leistungen erbringen. Die Schweizer würden nicht mehr diskriminiert, und die Zuwanderer leisteten eine nicht diskriminierende Aufenthaltsabgabe mit gemeinnütziger Arbeit oder Geld, oder auch mit Militärdienst nach ihrer Einbürgerung unter Rückerstattung geleisteter finanzieller Beiträge.
Junge und Chancengleichheit fördern
Der Gesellschaftsbeitrag entlastet junge diensttaugliche Schweizer Männer, weil er ihnen Wahlfreiheit gibt. Den anderen jungen Inländern und den Inländerinnen bringt er jedoch neue Pflichten. Aber diese werden durch das zweite Element unseres Vorschlags überkompensiert: Zur Förderung junger Menschen in der Schweiz soll der Staat jedem Kind ein Grundkapital aufbauen, indem er ihm für jedes in der Schweiz verbrachte Jahr 3000 Franken auf sein Grundkapitalkonto gutschreibt und verzinst. So kämen 18-Jährige auf ein Kapital von rund 65’000 Franken.
Die Verwendung des Grundkapitals würde bis zum Alter von 25 auf gewisse Zwecke eingeschränkt, etwa auf das Bezahlen von Ausbildungskosten, Steuern und des Gesellschaftsbeitrags. Junge Erwachsene, die ihren Gesellschaftsbeitrag als Arbeit oder Militärdienst leisten, hätten so ein verfügbares Kapital von 65’000 Franken. Diejenigen, die den Gesellschaftsbeitrag finanziell leisten, hätten noch ein verfügbares Kapital von 15’000 Franken.
Für die Bildung des Grundkapitals müssten je nach Ausmass der Zuwanderung von Kindern jährlich etwa 4,3 bis 4,8 Milliarden Franken aufgewendet werden. Die jährlichen Einnahmen aus dem Gesellschaftsbeitrag in Form von Arbeit, Geld und Wehrdienst würde bei der heute üblichen Zuwanderung und realistischen Annahmen über den Erwachsenenanteil sowie die Rückwanderung nach unseren Schätzungen über 8,5 Milliarden und bei einer Halbierung der Nettozuwanderung immer noch über 7 Milliarden Franken betragen. Somit bringt der Vorschlag der Allgemeinheit grosse Mehrerträge.
Effizientere Landesverteidigung
Schliesslich würde die Schweizer Armee gestärkt. Als Milizarmee hat sie gegenüber einer Berufsarmee wichtige Vorteile. Eine grosse Schwäche ist aber, dass die Wehrpflicht heute nur noch für Junge durchsetzbar ist und Soldaten ihre Dienstpflicht bis im Alter von 26 Jahren erfüllt haben können.
Deshalb sind die Kosten für ihre Ausbildung relativ zu ihrer Zeit als ausgebildete Soldaten gross, und ihre militärische Erfahrung und berufliches Wissen klein. Mit unserem Vorschlag würde die Armee von einer Zwangsmiliz zu einer Wahlpflichtmiliz. Die Beitragspflichtigen müssten wählen, ob sie ihren Gesellschaftsbeitrag mit Militärdienst, gemeinnütziger Arbeit oder Geld leisten wollen, und die Armee könnte die fähigsten und besten Freiwilligen aussuchen. So würden die Motivierten Dienst leisten. Sie wären viel lern- und leistungsfähiger, und sie könnten während Jahrzehnten Dienst leisten. So würde das Verhältnis von Ausbildungszeit zu Dienstzeit viel besser, wodurch die Kosten stark sänken.
Dank der grösseren Altersdurchmischung würden die Robustheit und Kampfkraft der Truppe steigen, mehr Berufswissen in die Armee fliessen, die Netzwerke zwischen den Dienstleistenden wertvoller und der Dienst attraktiver. Dank der langen Verweildauer bräuchte es pro Jahrgang nur wenige Freiwillige. Schliesslich würden die grossen Einsparungen, die weiterlaufende EO-Lohnprozente sowie die Einnahmen aus dem Gesellschaftsbeitrag helfen, die Langzeit-Freiwilligen angemessen zu entschädigen und die Armee umfassend auszurüsten.
Unser Modell könnte direkt eingeführt werden. Dabei könnte allen heute in der Schweiz lebenden Kindern unabhängig von ihrer bisherigen Aufenthaltszeit rückwirkend Beiträge ab Geburt gutgeschrieben werden. Grundsätzlich könnte das Modell mit reduzierten Abgabesätzen auch auf Grenzgänger und die nichtständige Wohnbevölkerung angewendet werden. Und um die Rotationszuwanderung nicht zu bremsen und Sozialtourismus vorzubeugen, könnte für die Gesellschaftsbeitragspflicht und den Aufbau des Grundkapitals eine Karenzfrist von ein bis zwei Jahren eingeführt werden.
Somit stehen zur effektiven Steuerung der Zuwanderung zwei Modelle zur Auswahl: eine schlanke, flexible und diskriminierende Aufenthaltsabgabe für Neuzuwanderer ähnlich einer Kurtaxe, und eine komplexere, nicht diskriminierende Kombination aus Gesellschaftsbeitrag und Grundkapital. Für die Entscheidung wichtig ist, wie man den Nutzen der Bilateralen I und die Wahrscheinlichkeit einschätzt, dass die Modelle die Bilateralen I gefährden. Falls die Wahl auf die Kurtaxe fällt, erübrigt sich die Armeereform aber nicht.
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von Crema; Fabian Kuhn ist Diplomassistent am Lehrstuhl für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Fribourg.
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