Umfragewerte intaktBerset ist trotz Corona-Leaks beliebt
Die Bevölkerung scheint die Corona-Affäre gelassen zu nehmen. Von einer «Staatskrise» spricht dagegen der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg.

Bundespräsident Alain Berset steht im Zusammenhang mit den Corona-Leaks unter Beschuss: Sein langjähriger Kommunikationschef soll Ringier-CEO Marc Walder während der Corona-Pandemie mit vertraulichen Informationen versorgt haben.
Im Bundeshaus schlägt die Affäre hohe Wellen. Doch dem Ansehen Bersets in der Bevölkerung haben die negativen Schlagzeilen bislang nicht geschadet. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der «NZZ am Sonntag» durchgeführt hat. Demnach sind Bersets Sympathiewerte exakt gleich hoch wie beim letzten SRG-Wahlbarometer vom vergangenen Oktober.
Im neusten Sympathie-Rating liegt Berset auf dem dritten Rang, hinter Mitte-Bundesrätin Viola Amherd und SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, der zurzeit beliebtesten Bundesrätin. Der neue SVP-Bundesrat Albert Rösti belegt den vierten Rang. Er ist praktisch gleich beliebt wie sein Parteikollege Guy Parmelin. Am wenigsten beliebt sind die beiden freisinnigen Bundesratsmitglieder Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis, wobei Keller-Sutter gegenüber früheren Ratings an Popularität verlor.
Mehrheit gegen Rücktritt
Die Befragung fand zwischen dem 24. und dem 26. Januar statt. Am 25. Januar musste sich Berset im Bundesrat erklären. Er versicherte, nichts von Indiskretionen gewusst zu haben. Dass das stimmt, glauben nur 30 Prozent der Befragten. Trotzdem halten 64 Prozent nichts von einem Rücktritt, wie ihn SVP-Exponenten fordern.
Sotomo-Geschäftsführer Michael Hermann spricht in der «NZZ am Sonntag» von einem Trump-Effekt im Kleinen: «Es geht nicht darum, ob das, was Berset erzählt, wahr ist. Sondern ob er wahrhaftig wirkt.»
«Autoritäre Machtmenschen wie Berset» könnten die Grenzen viel mehr ausreizen als andere, sagt Hermann. Zudem sähen viele Menschen in den Ereignissen keinen Skandal, sondern eine Affäre, bei der sich Medien und Politik gegenseitig hochschaukelten.
«Ich würde das als eine Art Korruption bezeichnen.»
Anders sieht es der ehemalige Bundesratssprecher und Vizekanzler Oswald Sigg. «Ich halte diese Geschichte im Moment für eine der grössten staatspolitischen Krisen des Landes», sagt er in einem Interview der «NZZ am Sonntag». Dass der Eindruck der Kungelei von Medien und Politik entstehe, sei «etwas vom Schlimmsten». Sigg geht davon aus, dass es tatsächlich ein Tauschgeschäft gab: Informationen gegen wohlwollende Berichterstattung. «Ich würde so weit gehen und das als eine Art Korruption bezeichnen.»
Ex-Geheimdienstchef im Visier
Unter dem Verdacht der Kungelei mit Medien stand gemäss dem «SonntagsBlick» auch der ehemalige Geheimdienstchef Jean-Philippe Gaudin. Sonderermittler Peter Marti hat ihn im Zusammenhang mit der Crypto-Affäre um manipulierte Chiffriergeräte als Auskunftsperson einvernommen – der Affäre, mit deren Untersuchung Marti tatsächlich beauftragt war. Die Corona-Leaks nahm er als Beifang ins Visier.
Ein Bericht der parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation über Crypto war vorab an die NZZ und die Tamedia-Zeitungen gelangt. Marti fiel auf, dass der Nachrichtendienst (NDB) in einem NZZ-Artikel «eigentlich recht gut» weggekommen sei. Daraus leitete er den Verdacht ab, «dass es jemand vom NDB gewesen sein muss», der den Journalisten Passagen aus dem vertraulichen Berichtsentwurf weitergegeben habe.
Gemäss dem «SonntagsBlick» sagte Marti zu Gaudin, er betrachte ihn nicht als Beschuldigten, könne ihn «aber auch nicht als Beschuldigten ausschliessen», zumal der NDB-Chef «ja ein immenses Interesse daran haben» müsse, «mittels Steuerung von Informationen die Berichterstattung beeinflussen zu können». Gaudin soll geantwortet haben: «Wenn gegen mich ein Verfahren eröffnet würde, wäre das mein Ende. Ich weiss wirklich nichts.»
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