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Proteste an der Nordseeküste
Bauern blockieren Fähre mit Habeck an Bord – rasche Abfahrt verhinderte wohl Erstürmung

dpatopbilder - 27.11.2023, Berlin: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nimmt an einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Landeswirtschaftsminister zu Konsequenzen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts teil. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Michael Kappeler)
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Etwa 100 Bauern haben mit ihren Traktoren am Donnerstagnachmittag eine Fähre am Nordseeort Schlüttsiel blockiert und dabei Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck am Verlassen der Fähre gehindert. Aber nicht nur Habeck. Alle rund 30 Fahrgäste, die von den Halligen im Norden Deutschlands kamen, seien am Verlassen der Fähre gehindert worden.

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Ein Lastwagenfahrer sei genötigt worden, von der Rampe rückwärts wieder auf die Fähre zu fahren. «Das ist aus meiner Sicht Nötigung. Das ist ein schlimmer Vorgang», sagte der Geschäftsführer der Reederei, Axel Meynköhn, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Es hätten auch medizinische Notfälle an Bord sein können.

Habeck war in den Ferien

Der Protestaktion war Polizeiangaben zufolge ein Aufruf in Onlinenetzwerken vorausgegangen. Rund 30 Beamte waren vor Ort, kurzzeitig sei auch Pfefferspray eingesetzt worden. Festnahmen gab es keine.

Habeck, der sich im Norden Deutschlands in den Ferien befand, besuchte privat die Hallig Hooge. Im Laufe des Nachmittags erhielt er erste Informationen, dass in Schlüttsiel Proteste gegen ihn geplant seien. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung entschied der Minister dennoch, nicht etwa auf anderem Wege zurückzureisen, sondern wie geplant die reguläre Fähre zu nehmen und mit den Demonstranten zu sprechen.

Vor Ort zeigte sich jedoch schnell, dass die Stimmung zu aufgeheizt war. Er habe denn auch versucht, das Gespräch mit den Landwirten aufzunehmen, sagte ein Polizeisprecher. Ein sachlicher Austausch sei jedoch nicht möglich gewesen. Habecks Sicherheitsbeamte lehnten einen Auftritt des Ministers vor den Protestierenden, etwa mit Megafon, ab.

Der Vizekanzler sei daher auf der Fähre geblieben. Auf ein Angebot Habecks, drei Vertreter der Demonstranten auf dem Schiff zu empfangen, gingen wiederum Letztere nicht ein. Nach Angaben der Reederei wurde die Fähre dann um ein Haar erstürmt.

Kapitän der Fähre verhinderte wohl Schlimmeres

Dies habe der Kapitän im letzten Moment verhindert, indem er – nach Rücksprache mit den Bodyguards und der Polizei – wieder abgelegt habe. «Wenn diese Entscheidung eine Minute später getroffen worden wäre, dann wäre die Fähre gestürmt gewesen», so Meynköhn.

Er wisse von der Besatzung, dass Leute noch herübergesprungen wären, wenn das Schiff nicht bereits zu weit weg gewesen wäre, sagte der Geschäftsführer weiter. «Es war keine Minute zu spät, sonst wäre der Mob an Bord gewesen, mit nicht auszudenkenden Folgen.»

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Die Fähre sei dann mit allen Passagieren an Bord zunächst zur Hallig Hooge zurückgefahren. Es gehe hier nicht mehr nur um Robert Habeck, der privat auf Hooge war, es gehe um die Gesamtheit des Schiffs, seiner Passagiere und seiner Besatzung, betonte Meynköhn. «Hier ist ganz klar genötigt worden. So einen Vorfall hat es nach unserem Kenntnisstand in der fast 140-jährigen Geschichte der Reederei noch nicht gegeben.»

SCREENSHOT - 04.01.2024, Schleswig-Holstein, Schüttsiel: Landwirte mit Traktoren und Lkws stehen im Umfeld des Fähranlegers. Wütende Bauern hinderten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre. Wie ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur sagtes, habe Habeck, der auch Wirtschaftsminister ist, deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten. Foto: Hagen Wohlfahrt/Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag/dpa - ACHTUNG: Nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Hagen Wohlfahrt)

Hintergrund der Proteste von Landwirten sind geplante Streichungen von Subventionen in der Landwirtschaft. Die deutsche Regierung hatte am Donnerstag allerdings angekündigt, sie wolle einen Teil der Kürzungen zurücknehmen. Habeck selbst liess nach dem Vorfall mit der Fähre mitteilen, das Gespräch mit Landwirten suchen zu wollen – in der Region und auch deutschlandweit. Das sagte eine Sprecherin des Grünen-Politikers am Freitag.

So fallen die Reaktionen aus

Die Blockade ist parteiübergreifend auf scharfe Kritik gestossen. Die Aktion sei «beschämend und verstösst gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders», erklärte der Sprecher von Kanzler Scholz, Steffen Hebestreit, in der Nacht zum Freitag. «Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein.»

Habeck selbst zeigte sich besorgt über die Stimmung im Land. «Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt», erklärte Habeck am Freitag. Protestieren in Deutschland sei «ein hohes Gut». Nötigung und Gewalt zerstörten dieses Gut. «Als Minister habe ich qua Amt Schutz der Polizei. Viele, viele andere müssen Angriffe allein abwehren, können ihre Verunsicherung nicht teilen», erklärte Habeck weiter. Sie seien «die Helden und Heldinnen der Demokratie».

Habeck dankte auch ausdrücklich seinen Mitreisenden, der Schiffscrew und der Polizei. Sie alle seien unvermittelt in Mitleidenschaft geraten. «Die Crew musste mit einem blockierten Hafen umgehen und die schwierige Lage managen. Die mitreisenden Passagiere wollten nach Hause oder hatten andere Pläne am Festland, wollten eigentlich Bus und Zug erwischen, konnten aber zunächst nicht von Bord und mussten erst mal geduldig ausharren», so der Minister in einer schriftlichen Stellungnahme. «Und ich danke den Einsatzkräften der Polizei, die das Schiff gesichert haben.»

Habecks Parteikollege, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, bezeichnete die Teilnehmer der Blockade als «Fanatiker». Das seien «Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft», sagte er im ARD-«Morgenmagazin». «Die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wirds nicht geben.»

Innenministerin Nancy Faeser sprach auf X von «Grenzüberschreitungen». Justizminister Marco Buschmann von der FPD schrieb ebenfalls auf X, Gewalt gegen Menschen oder Sachen habe in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren. Das diskreditiere das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrierten.

Kritik vom Bauernverband und der Polizei

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands (DBV), Bernhard Krüsken, sagte, die Aktion sei «eine Grenzüberschreitung, eine Verletzung der Privatsphäre». «Gewalt und Nötigung haben bei unseren Aktionen nichts verloren», sagte Krüsken dem WDR.

Auch in der Opposition stiess der Vorgang auf Unverständnis. Johannes Winkel von der CDU, Vorsitzender der Jungen Union, schrieb bei X, es sei «absolut unterirdisch und beschämend», was Habeck widerfahren sei. «Wir lassen es nicht zu, dass so was hier zum Stil wird», schrieb der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul bei X. «Gerade raus ohne Blatt vor dem Mund – ja. Gewalt – nein.»

Besorgt äusserte sich die Deutsche Polizeigewerkschaft. Deren Bundesvorsitzender Rainer Wendt erklärte, Politiker in persönliche Bedrängnis zu bringen, habe «mit demokratischem Protest nichts mehr zu tun». In einem Schreiben an den Präsidenten des Deutschen Bauernverbands habe die Gewerkschaft gefordert, dafür zu sorgen, dass Protestaktionen im Rahmen geltender Gesetze organisiert würden.

Eine Meinung geht in eine völlig andere Richtung

Verständnis für die Blockade der Fähre mit Habeck hat Sahra Wagenknecht. Die Politikerin bezeichnete es gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als «peinlich», dass sich Habeck «jetzt als Opfer der Proteste inszeniert».

«Statt sich weinerlich über Proteste zu beschweren, müsste die Bundesregierung jedem dankbar sein, der heute noch Landwirtschaft in Deutschland betreibt», sagte die ehemalige Linken-Politikerin, die am Montag eine eigene Partei gründen will. Sie forderte «ein grosses Entlastungsprogramm für die Landwirtschaft gegen das Höfesterben».

SDA/lif