Der ÜbergangskommandantThomas Würgler – der richtige Mann für die Basler Polizei?
Der 69-Jährige soll die Kantonspolizei aus der Krise führen und geniesst das «vollste Vertrauen» von Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann. Er ist sicher ein Mann der Tat – und der grossen Ambitionen.
Nach der hellen Aufregung, die seit der Publikation des Berichts Schefer über die eklatanten Zustände bei der Basler Kantonspolizei am Rheinknie herrscht, ist es eine erste Massnahme, die etwas Ruhe für das krisengeschüttelte Korps verspricht.
Thomas Würgler, neuer Basler Polizeikommandant ad interim, hat sich am Mittwoch erstmals den hiesigen Medien vorgestellt. «Ich lasse mich nicht von schwierigen Situationen abschrecken», sagte der 69-jährige Jurist und ehemalige Kommandant der Kantonspolizei Zürich über seine bevorstehende Aufgabe selbstbewusst.
Warum geniesst er nicht seinen Ruhestand? «Ich wäre mir mutlos vorgekommen, wenn ich nicht zugesagt hätte», begründete Würgler seine Motivation, aus der Pension zurückzukehren. Ein Stück weit sei er auch Idealist. Und er finde es spannend, mit anderen Menschen etwas zum Guten «zu gestalten». Von aussen betrachtet attestierte er den Basler Polizistinnen und Polizisten, trotz aller Krisen gute Arbeit zu leisten.
Übergangskommandant für ein Jahr
Würgler werde bei seinem Antritt per 9. September die volle Verantwortung eines Polizeikommandanten übernehmen, kündigte Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann an – nicht nur das Tagesgeschäft. Deswegen wird er die Funktion bis zu einem Jahr lang ausüben. «Damit hat er als Übergangskommandant genügend Zeit, wichtige Weichen zu stellen. Die Idee ist, dass sein Nachfolger nicht wieder bei null anfangen muss», so Eymann.
Sie habe gar nicht gewagt, zu hoffen, «so eine Person» wie Würgler zu finden, sagt die Sicherheitsdirektorin gegenüber dieser Redaktion. Als ehemaliger Kommandant des grössten Schweizer Kantonspolizeikorps bringe er einen «riesigen Erfahrungsschatz» mit und geniesse ihr «vollstes Vertrauen».
Tatsächlich hat der 69-Jährige eine beachtliche Laufbahn hinter sich, über die die Tamedia-Zeitungen schon berichtet haben. Elf Jahre lang stand er der Zürcher Kantonspolizei vor. Anstatt 2020 wie geplant in Pension zu gehen, übernahm er bei Ausbruch der Corona-Pandemie die Führung des kantonalen Krisenstabs. Zudem wirkte er als oberster Stratege des Bundes im Umgang mit Flüchtlingen aus der Ukraine.
Der richtige Mann für den Weg aus der Krise?
Begonnen hat er seine Laufbahn nach dem Jus-Studium als Staatsanwalt, er spezialisierte sich auf Wirtschaftsdelikte und war Untersuchungsrichter. Auch im Militär machte er Karriere, wurde Oberst und Kommandant des Artillerieregiments 6. Zur Jahrtausendwende folgte der Wechsel zur Kantonspolizei, anfangs als Chef der Verkehrspolizei. Dann folgte der weitere steile Aufstieg.
Dass er nicht nur krisenerprobt, sondern auch ein Mann der grossen Ambitionen ist, bewies Würgler auch 2021 nach seiner Pensionierung: Damals wollte er als Nachfolger von Michael Lauber Bundesanwalt werden. Die Alterslimite kam dem damals 65-Jährigen in die Quere.
Ein Gestaltungsdrang ist offensichtlich vorhanden. Ist er aber auch der Richtige, um die Basler Polizei aus der Krise zu führen? Ein Punkt im Bericht Schefer, der von Korpsmitgliedern bemängelt wurde: dass in den Führungsetagen zu wenige Personen sitzen, die Polizeierfahrung mitbringen. Und trotz aller Erfolge: Polizist ist auch Würgler nicht, er hat nie die Polizeischule absolviert.
Darauf angesprochen, sagt er: «Man muss sich fragen, was die Aufgaben eines Polizeikommandanten sind und ob er einen guten Job machen kann.» Und dass er einen guten Job machen kann, davon zeigt er sich – Polizist oder nicht – überzeugt. Ebenso wie Eymann.
Massiver Unterbestand auch für Würgler neu
Wie genau er die Herausforderungen anpacken will, diesbezüglich bleibt Würgler an der Medienkonferenz bewusst vage, beantwortet Fragen knapp bis ausweichend. Als Erstes wolle er schliesslich den Kontakt zu den Mitarbeitenden suchen. Der Bericht Schefer vermittle erst mal ein Bild. «Darin sind Phänomene beschrieben, die absolut nicht zu tolerieren sind», sagt er dezidiert. Es stelle sich aber auch die Frage der Verbreitung und des Ausmasses. Diesbezüglich sei der Bericht nicht schlüssig. Jetzt müsse er sich sein eigenes Bild machen. Erst dann folgt Konkretes.
Als neuer Polizeikommandant wird Würgler nicht nur mit den Struktur- und Führungsproblemen sowie den teils eklatanten Zuständen betreffend Arbeitsklima konfrontiert sein. Sondern auch mit dem massiven Unterbestand von 100 Vollzeitstellen im Korps. Mit einem derartigen Unterbestand habe auch er noch keine Erfahrung gemacht, räumt er ein. «Aber in der Polizei kämpft man immer um Ressourcen. Das Allerwichtigste sind immer die Mitarbeitenden. Das wird daher natürlich ein Thema sein.»
Taskforce hat Arbeit aufgenommen
Klare Ansagen hat seit der Publikation des Berichts von Markus Schefer Sicherheitsdirektorin Eymann gemacht – und personelle Konsequenzen gezogen. Allen voran die Freistellung von Polizeikommandant Martin Roth.
Parallel zur interimistischen Leitung sind weitere Massnahmen im Gange. Am letzten Montag habe die angekündigte Taskforce unter der Leitung von Aldo Schellenberg, dem ehemaligen Leiter der Schweizer Luftwaffe, die Arbeit aufgenommen, sagte Eymann. Nun werden Arbeitsgruppen gegründet, um die einzelnen Punkte aus dem Untersuchungsbericht abzuarbeiten. Besonders freue sie, dass sich bereits 80 Personen aus dem Korps dafür gemeldet hätten. «Das zeigt mir, dass das Korps lebt und keine Resignation stattgefunden hat.»
Zudem hat die neu geschaffene externe Fachstelle für Mobbing, Diskriminierung und sexuelle Belästigung ihre Arbeit am 1. August gestartet. Wie viele Meldungen bisher eingingen, sei noch nicht bekannt. Ein Rapport ist für Ende Jahr vorgesehen, so Eymann – es sei denn, es zeichne sich eine konkrete Akzentuierung von Fällen ab.
Zuletzt habe sie auch die für sie erfreuliche Erfahrung gemacht, dass Mitarbeitende mit ihren Erfahrungen vermehrt direkt den Kontakt zu ihr suchten – ihr also das Vertrauen schenkten.
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