Basel weiter im ChaosUnd sie demontieren sich schon wieder
Die Trennung von Timo Schultz ist das Eingeständnis eines fatalen Irrtums beim FC Basel. Solche Fehler führen dazu, dass der Club im Mittelmass versinkt.
Da sitzen sie also wieder einmal, David Degen und Heiko Vogel. Der Präsident ist geknickt, sichtlich gezeichnet. Der Sportchef, der ab sofort «Trainer bis auf weiteres ist», gibt sich dagegen immer wieder aufmüpfig, selbstgefällig.
Einmal fällt er Degen ins Wort. «Das musst du nicht beantworten», rät er ihm. Degen erklärt dann doch, dass der Entscheid gegen Schultz einstimmig getroffen worden sei. Vogel gelingt kein Auftritt, der für Sympathiepunkte gut ist.
Degen und Vogel müssen erklären, warum sie am Freitagmittag ihren wichtigsten Angestellten entlassen haben. Drei Monate hielt sich Timo Schultz auf dem Trainerstuhl des FC Basel. Das schnelle Ende lässt nur einen Schluss zu: Die Chefs haben sich in ihrer Wahl einen fundamentalen Irrtum geleistet. Schultz’ eigenes Versäumnis ist, sich nicht annähernd genug mit dem befasst zu haben, was in Basel mit Degen und Vogel auf ihn zukommt.
Seit zwei Jahren und vier Monaten ist Degen der starke Mann beim FCB. Er hatte es geschafft, im Mai 2021 den maximal unbeliebten Bernhard Burgener vom Hof zu jagen. Applaus war ihm sicher, auch medial. «Ich habe das gemacht, weil ich positiv verrückt bin», hat er dieser Zeitung im Frühjahr erzählt. Mag sein. Das Problem ist, dass Degen bei aller Beteuerung des Gegenteils nicht mit Geduld gesegnet ist. Darum kommt der einst stolze Club nicht zur Ruhe, sondern versinkt national im Mittelmass.
Schnell war klar: Das kommt nicht gut mit Schultz
Fünf Monate beträgt im Durchschnitt die Verweildauer von Degens Trainern, die der Reihe nach Patrick Rahmen, Guillermo Abascal, Alex Frei, Heiko Vogel und eben Timo Schultz hiessen. Das passt zur Hektik, die den St.-Jakob-Park unter Degen allgemein in Personalfragen erfasst hat. Mal über den Sommer eine ganze Mannschaft auswechseln? Kein Problem. Hauptsache, am Ende steht unter dem Strich eine fette schwarze Zahl.
Schultz erlebte es diesen Sommer. Zuerst ging ein Spieler nach dem anderen, aber keiner kam. Auf einmal kam fast täglich ein Neuer. Und am Ende hatte Schultz eine Mannschaft, die Vogel von der Qualität her beharrlich stärker einstuft als jene, die letzte Saison in der Conference League in den Halbfinal einzog.
Vier Spiele bekam Schultz mit der neuen Mannschaft, gegen Zürich, im Cup gegen Bosporus, gegen Yverdon und Luzern. Vier Wochen haben allerdings noch nie gereicht, um eine wirklich funktionierende Mannschaft zu formen. Sollten die Chefs in Basel das auch so sehen, verschweigen sie es. Lieber sagen sie, wie «unheimlich schwierig» es sei, in Basel Trainer sein zu dürfen und zu können. Also Degen sagt das: «Es fordert unheimlich viel ab, menschlich, fachlich, energiemässig.»
Man braucht sich jetzt nicht vorzustellen, wie fordernd es ist, Clubs in Manchester, Madrid, München oder Mailand zu führen. Bloss bekommt der FCB auch keine Experten dieses Kalibers. Das weiss Degen. «Die Trainer bei uns sind immer in der Entwicklung.» Schultz muss dabei ziemlich im Rückstand gewesen sein. Sonst hätte sich intern offensichtlich nicht schon nach kurzer Zeit der Eindruck aufgedrängt, als komme das mit Schultz nicht gut.
Die Chefs führten in letzter Zeit Gespräche mit ihm, um ihm zu helfen. Vogel setzte sich am Donnerstag beim 1:1 gegen Luzern auf die Bank, angeblich als Hilfestellung für den Trainer, nicht als Indiz für dessen anstehende Entmachtung. Am Ende aber verfestigte sich bei Degen und Vogel der Eindruck, als fände Schultz den Schlüssel nicht, um das Problem zu lösen.
Vogel sorgt für das Gefühl, er wäre der bessere Trainer
Die Überforderung von Schultz liess sich letzten Sonntag beim desaströsen Auftritt in Yverdon erkennen. Ein Foul von Renato Veiga nach dreissig Sekunden bezeichnete er schon als Nackenschlag. Wer so denkt, kann unmöglich mit Überzeugung vor Spieler treten. Eines ist Schultz eben nie losgeworden: dass er sportlich die Verantwortung trägt für das kostspielige Scheitern gegen Tobol Kostanay in der Qualifikation zur Conference League.
Noch etwas ist Degen und Vogel wichtig zu sagen. Und darum reden sie vom neuen Modus und der Zweiteilung im Frühjahr. Der Modus wurde eingeführt, weil die Clubs mehr Planungssicherheit haben wollten und mehr Zeit für den Einbau von Jungen. Nur in Basel haben sie schon nach 7 Spielen Angst, nach 33 Runden nicht zu den besten sechs Mannschaften zu gehören. Es ist sogar mehr als Angst. Es ist Panik, die schon um sich gegriffen hat.
Der Entscheid gegen Schultz sei «kein Schnellschuss» gewesen, will Degen betont haben, sondern «wohl überlegt». Kann sein. Besser macht es das auch nicht, im Gegenteil. Die Kritik trifft nun den Sportchef noch mehr als den Präsidenten. Schliesslich war er es, der im Frühjahr die Gespräche mit Schultz geführt und den falschen Nachfolger für sich selbst vorgeschlagen hatte.
Als Trainer ist es gefährlich, unter einem Vogel zu arbeiten. Das erlebte Alex Frei in der vergangenen Saison, bis er von seinem direkten Vorgesetzten abgelöst wurde, statt von ihm Rückendeckung zu bekommen. Das erlebte jetzt Schultz, weil mit Vogel einer da ist, der immer das Gefühl hinterlässt, er wäre eigentlich lieber Trainer – und vor allem der bessere.
In Basel würden sie am ehrlichsten handeln, wenn sie Vogels Versetzung auf die Trainerbank nicht verklausuliert («bis auf weiteres») umschreiben würden. Sondern einfach offen sagen, dass er der neue Trainer ist. Alles andere ist ein Gewurstel und eine Zwängerei, die keinem hilft. Vielleicht erkennt das auch Degen einmal.
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