Bankenexperte zu Maurers Aussagen«Die aktuelle Banken-Regulierung ist nur auf dem Papier gut»
Der ehemalige Finanzminister Ueli Maurer weist den Vorwurf zurück, er habe die Lage vor dem Untergang der CS falsch eingeschätzt. Wie Bankenexperte Adriel Jost seine Aussagen einschätzt.
Der Satz ist inzwischen berühmt. Ueli Maurer äusserte ihn im Dezember 2022, als er noch Finanzminister war: «Man muss die CS jetzt einfach ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen.» Keine drei Monate später musste Nachfolgerin Karin Keller-Sutter notfallmässig die Übernahme der CS durch die UBS organisieren. Maurer wird seither vorgeworfen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben.
Nun hat der ehemalige Finanzminister in der «SonntagsZeitung» erstmals ausführlich über den Untergang der CS und seine Rolle gesprochen. Demnach stand bereits im Oktober 2022 eine Rettungsaktion per Notrecht mit einem hohen Milliardenkredit zur Diskussion – eine vorübergehende Verstaatlichung der CS.
Laut der «SonntagsZeitung» hat Maurer die Aktion nach Rücksprache mit der Bank verworfen, weil der CS-Verwaltungsrat – insbesondere Präsident Axel Lehmann – die staatliche Einmischung ablehnte. Das lässt Maurer auch im Interview durchblicken. Weiter sagt er, die später getroffene Lösung mit der UBS sei bereits damals vorbereitet worden. Man habe sie «aus der Schublade ziehen» und noch verfeinern können.
Was heisst das nun? Adriel Jost, Ökonom am Forschungsinstitut für Schweizer Wirtschaftspolitik in Luzern, ordnet Maurers Aussagen ein.
Herr Jost, warum äussert sich der ehemalige Finanzminister Ueli Maurer gerade jetzt zu seiner Rolle beim CS-Untergang?
Es ist schon spannend, wie alle Akteure versuchen, sich zu positionieren. Eigentlich hat die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) die Aufgabe, die Ereignisse aufzuarbeiten. Sie lässt sich dafür aber viel Zeit. Natürlich geht die öffentliche Debatte in der Zwischenzeit weiter. Alle Akteure – auch die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank – versuchen, die Wahrnehmung ihrer Rolle zu prägen, bevor der Untersuchungsbericht vorliegt.
Die CS hat im Oktober 2022 offenbar eine Rettung abgelehnt. Ist eine staatliche Rettung gegen den Willen einer Bank überhaupt möglich?
Ja, natürlich. Gemäss der «Too big to fail»-Gesetzgebung ist auch eine Zwangssanierung oder eine Abwicklung ohne Zustimmung der betroffenen Bank möglich, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Wenn die Finma zum Schluss kommt, dass ein Überleben der Bank nicht mehr gesichert ist, kann sie entsprechende Massnahmen einleiten. Dies hätte massive Folgen für die Bank. Kein Management wird das mit Freuden akzeptieren. Eine staatliche Rettung, so wie sie offenbar diskutiert wurde, wäre im Vergleich dazu aus Bankensicht zu bevorzugen. Die grosse Frage ist aber, wieso eine solche staatliche Rettung überhaupt diskutiert wurde.
Wäre dies nicht auch für die Schweiz die bessere Option gewesen?
Diese Frage kann man durchaus stellen. Die aktuelle Gesetzgebung, die nach der Finanzkrise erlassen wurde, sieht aber eigentlich vor, dass auch grosse Banken wieder untergehen können. Gleichzeitig sollen die für die Schweiz relevanten Teile gerettet werden, ohne dass der Staat Risiken übernehmen muss.
Was schliessen Sie nun aus den neuen Informationen?
Die damaligen Vorgänge machen deutlich, dass in der politischen Realität diese hehren Ziele kaum umzusetzen sind. Die bestehende «Too big to fail»-Regulierung ist nur auf dem Papier gut. Der Entscheid, eine unserer nationalen Grossbanken untergehen zu lassen, ist innenpolitisch nicht einfach.
Ueli Maurer sagt, ein Eingriff gegen den Willen des Managements und des Verwaltungsrates hätte zu einer «Riesenaufregung» geführt.
Aus politischer Sicht wäre das wohl tatsächlich schwierig gewesen, weil im Herbst 2022 nicht öffentlich bekannt war, wie gross die Probleme der CS waren. Bei einer Zwangssanierung ist kurzfristig zudem mit grossen Konsequenzen für die internationalen Finanzmärkte zu rechnen. Darum sind auch ausländische Finanzminister überhaupt nicht darauf erpicht, wie sich im März 2023 gezeigt hat. Umso wichtiger ist es, nun über eine neue Regulierung zu diskutieren.
Eine Regulierung für die UBS?
Ja. Wir müssen darüber diskutieren, ob wir uns die UBS leisten können. Diese ist grösser als die Credit Suisse und will weiter wachsen, und eine Übernahmelösung wie bei der CS steht für die letzte Grossbank nicht zur Verfügung. Würde man die UBS wirklich untergehen lassen wollen, wenn gleichzeitig argumentiert wird, wie wichtig eine globale Grossbank für die Schweiz ist? Und würde eine Zwangssanierung oder gar Abwicklung auf Kosten privater Geldgeber im Ausland akzeptiert, auch wenn die Risiken noch grösser wären als im letzten Frühling bei der Credit Suisse?
Sie bezweifeln dies.
In der Tat. Darum bleibt aus meiner Sicht nichts anderes übrig, als die Eigenverantwortung der UBS zu stärken, wenn wir sie uns weiterhin leisten wollen. Das heisst konkret, dass die Bank genügend eigene Sicherheitspolster aufweist, in Form von Eigenkapital und in Form von Sicherheiten, sodass die Schweizerische Nationalbank der Bank ohne Risiken Liquidität zur Verfügung stellen kann. Damit wäre ein Untergang weniger wahrscheinlich. Und falls die Bank doch in Schieflage gerät, könnten die Risiken für Steuerzahler und internationale Finanzmärkte reduziert werden.
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