Gastbeitrag zum AutobahnausbauBundesrat Rösti widerspricht der Wissenschaft
Bei einem Ausbau der Autobahnen leidet das Klima, und die Infrastrukturen werden noch stärker belastet statt entlastet. Eine Replik auf die Behauptungen des Verkehrsministers.
In seinem kürzlich veröffentlichten Interview verteidigt Bundesrat Albert Rösti den geplanten Autobahnausbau mit sehr fragwürdigen Argumenten, die es zu berichtigen gilt.
Bezüglich Zubetonierung von Agrarland behauptet Bundesrat Rösti zwar, dass man «Land für die Landwirte zurückgewinnen» könne, erklärt aber nie konkret, wo genau. Durch den Rückbau anderer Autobahnen? Eines ist sicher: Insbesondere im Kanton Bern und im Waadtland (Nyon) werden Tausende Quadratmeter Ackerland zerstört. Allein dem Projekt Wankdorf-Schönbühl würden 13,4 Hektaren zum Opfer fallen. Weitere 13 Hektaren würden während mehrerer Jahre für die Baustelle beansprucht werden. Dieses kostbare Land mit Beton zerstören für ein vages, illusorisches Versprechen einer Kompensation? Das ist ein wahres Täuschmanöver.
Was den öffentlichen Verkehr betrifft, so sind die Investitionen des Bundes im Vergleich zum tatsächlichen Bedarf viel zu gering. Die SBB-Tarife steigen immer weiter an. In den letzten dreissig Jahren haben sie sich praktisch verdoppelt, während die Kosten für das Auto im Vergleich zur Inflation gesunken sind. Der Wettbewerb zwischen Schiene und Strasse wird durch die Tatsache verzerrt, dass das Auto seine externen Kosten nicht einmal annähernd deckt: Umweltverschmutzung, Lärm, Unfälle und andere Schäden kosten die Allgemeinheit jedes Jahr 10 Milliarden Franken.
E-Autos, die trügerische Wunderlösung
Rösti stilisiert Elektroautos zur «Wunderlösung» für das Klima- und Verkehrsproblem. Zwar ist die Elektrifizierung des Fahrzeugparks eine Notwendigkeit, aber sie kommt zu spät und reicht nicht, um die CO₂-Neutralität zu erreichen. Elektroautos können die CO₂-Emissionen des Verkehrs maximal um 50 Prozent reduzieren. Das Klimaschutzgesetz verlangt jedoch, dass die Emissionen des Verkehrs bis 2050 um 100 Prozent gesenkt werden. Der Autoverkehr muss darum parallel zu seiner Elektrifizierung reduziert werden, was übrigens auch diverse kommunale und kantonale Klimapläne vorsehen. Welchen Sinn ergibt ein Autobahnausbau, wenn die Zahl der Autos sinken soll?
Sämtliche Studien und Beobachtungen zeigen: Wenn man Autobahnen ausbaut, entsteht neuer Verkehr. Autofahrerinnen und Autofahrer passen sich nämlich dem neuen Angebot an. Dieses Phänomen ist so bekannt, dass es von Mobilitätsexperten als «Grundgesetz der Strassenüberlastung» bezeichnet wird. Eine kalifornische Studie belegt, dass die wenigen Vorteile für den Verkehrsfluss, die eine Kapazitätserhöhung mit sich bringen, in nur fünf bis zehn Jahren wieder zunichtegemacht werden. Zudem ist dieses Phänomen umso ausgeprägter, je stärker die Strasse ursprünglich verstopft war und je mehr sie sich in einer städtischen Umgebung befindet. Genau das ist bei allen aktuell geplanten Projekten der Fall.
Das zeigt, dass die Argumente, mit denen Bundesrat Rösti den Autobahnwahn vorantreibt, irreführend sind und meist der wissenschaftlichen Evidenz widersprechen.
Silas Hobi ist Geschäftsleiter des Verbands Umverkehr, der sich für eine ökologischere Mobilität einsetzt.
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