Stadt ohne AussenwerbungZürcher Parlament will Werbung im öffentlichen Raum stark einschränken
Keine Bildschirme mehr, weniger Plakate: Die neue Forderung von SP, Grünen und AL wird knapp angenommen – und trifft auch Private. Eine Katastrophe, finden die Bürgerlichen.

- Die links-grüne Mehrheit im Gemeinderat will Werbung im öffentlichen Raum der Stadt Zürich stark einschränken.
- Bewegte Werbung soll ganz verschwinden.
- Die Bürgerlichen erachten Aussenwerbung als wichtig für die Wirtschaft und fürchten um Arbeitsplätze.
- Der Stadtrat hat zwei Jahre Zeit, um eine neue Verordnung auszuarbeiten.
Die SP hat das von der AL geforderte Werbeverbot etwas abgeschwächt. Für die Gegner aus FDP, SVP, GLP, Mitte/EVP handelt es sich dennoch um «einen direkten Angriff auf die Freiheit» (FDP) oder «völligen Quatsch» (SVP).
Die heftige Kritik samt Nordkorea-Anspielungen änderte nichts. SP, Grüne und AL setzten sich am Mittwochabend im Gemeinderat knapp mit 58 zu 57 Stimmen durch.
Gemäss der angepassten Motion muss der Stadtrat nun eine Verordnung ausarbeiten. Diese soll die Werbung im öffentlichen Raum verringern und bewegte Werbung auf Bildschirmen ganz verbannen. Die Einschränkungen gelten für alle Orte, die von der Strasse her einsehbar sind, also auch für die Werbeflächen privater Grundeigentümer sowie für Schaufenster.
Die AL hätte genau definieren wollen, welche Werbung erlaubt bliebe – für lokale Geschäfte etwa, für unkommerzielle Angebote oder für die Politik. Das ging der SP zu weit.
Der dritte Versuch der Linken
Bei der Motion handelt es sich um den dritten und schärfsten Vorstoss, mit dem die Zürcher Linke gegen die Aussenwerbung in der Stadt vorgeht. Vor zwei Jahren beschlossen SP, Grüne und AL ein Postulat, das die Abschaltung digitaler Werbeflächen forderte. Der Stadtrat hat aber wenig unternommen. Auch daher reichte die AL die Motion ein.
Gemäss Michael Schmid (AL) handelt es sich bei Werbung um Manipulation mit schädlichen Folgen. Sie heize den Überkonsum an und trage damit zu Umweltzerstörung sowie zur globalen Erwärmung bei. Besonders offenkundig sei dies bei Reklamen für Flugreisen oder Fast Fashion. Zudem verbrauchten digitale Bildschirme viel Strom.
Der Aussenwerbung könne man kaum ausweichen, sagte Schmid. Sie verschandle den öffentlichen Raum und beeinträchtige die Aufenthaltsqualität. Die Bevölkerung brauche keine «ständigen Erziehungsbotschaften». Und die Stadt Zürich habe die Einnahmen vom «Ausverkauf des öffentlichen Raums» nicht nötig.
Weitere Rednerinnen der Linken warnten vor einer «invasiven Kommerzialisierung» des Strassenraums, die viele Menschen störe. Aussenwerbung behindere die «öko-soziale Transformation» (Anna Graff, SP) der Wirtschaft.
Angst um lokale Arbeitsplätze
Die links-grün dominierte Stadtregierung lehnt die Forderung der links-grünen Parlamentsmehrheit ab. Aussenwerbung sei Ausdruck einer geschäftigen Stadt. Ein Verbot schade dem lokalen Gewerbe, sagte der zuständige Hochbauvorsteher André Odermatt (SP). In Zürich gelte schon ein vergleichsweise strenges Aussenwerbungsregime.
Ein Verbot würde die Werbung ins Internet lenken, wo die Gewinne internationalen Konzernen zugutekämen. Dadurch gingen Zürcher Arbeitsplätze verloren, befürchtet der Stadtrat. Zudem müsste die Stadt auf jährlich fast 28 Millionen Franken Einnahmen verzichten.
Der Energieverbrauch digitaler Werbeanlagen betrage nur 0,07 Promille des Gesamtverbrauchs, die Wirkung eines lokalen Verbots bliebe laut André Odermatt daher äusserst bescheiden.

Die Gegner der Motion verteidigten die Aussenwerbung. Diese liefere wichtige Informationen und bewirke ein «Matching von Angebot und Nachfrage», sagte Patrik Brunner (FDP). Die Menschen in Zürich seien gebildet genug, um sich nicht manipulieren zu lassen. Für Nicolas Cavalli (GLP) handelt es sich bei Aussenwerbung um ein «Kulturgut». Gemäss Jean-Marc Jung (SVP) ermöglicht sie effizienten Konsum. Und wen sie störe, der könne ja wegschauen.
Die Gegnerinnen betonten zudem die wirtschaftliche Bedeutung. Ein Verbot würde in der Werbebranche und bei den Plakateuren Arbeitsplätze vernichten. Und das Klima lasse sich damit nicht retten, ähnlich wie beim kürzlich erlassenen Laubbläserverbot.

Gemäss André Odermatt kann der Stadtrat die Bedenken bezüglich Reklame teilweise nachvollziehen. Daher wird er digitale Werbeanlagen und Plakat-Leuchtdrehsäulen vorerst nicht weiter ausbauen. Er hat einen Bewilligungsstopp bis 2030 angeordnet. SP, Grünen und AL reicht das aber nicht.
Der Stadtrat hat nun zwei Jahre Zeit für die neue Verordnung. Ein strenges Aussenwerbungsverbot hat jüngst die Genfer Gemeinde Vernier eingeführt. Letzten Juni entschied das Bundesgericht, dass dieses rechtens sei und weder die Wirtschaftsfreiheit noch die Eigentumsgarantie verletze. Trotzdem hält es der Stadtrat für fraglich, ob sich eine solche Änderung im Kanton Zürich juristisch durchsetzen liesse.
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