Unternehmerin aus OberriedenAus der Corona-Not eine Tugend gemacht
Felfel ist heute die Nummer eins bei der Mitarbeiterverpflegung in der Schweiz. Den Aufstieg hat eine junge Oberriednerin mitgeprägt.

Während sich die Gastronomiebranche seit dem März mit Umsatzeinbrüchen von bis zu 100 Prozent konfrontiert sieht (lesen Sie auch «Zehn Prozent der Gastronomen sind gefährdet»), hat Felfel das Geschäft weiter ausgebaut und ist mit über 500 Verkaufspunkten in Schweizer Unternehmen zur Nummer eins in Sachen Mitarbeiterverpflegung aufgerückt. Mit am Aufstieg beteiligt ist Anna Grassler.
Stress zu gross
Dabei hätte es für sie auch ganz anders kommen können. Zwar wurden ihr das unternehmerische Denken und Handeln in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in Oberrieden, kommt die Mutter von Anna Grassler aus der Familie Schoekle, der das Pianohaus Schoekle in Thalwil gehörte und das von ihrem Vater geführt wurde. Sie war praktisch täglich im Geschäft und sah die Freude, aber auch den Druck, den die Arbeit mit sich brachte. Als Kind habe sie immer gedacht, sich nie selbstständig machen zu wollen, weil der Stress viel zu gross sei.
Erst während des Wirtschaftsstudiums in St. Gallen reifte in ihr der Wunsch, betriebliche Verantwortung zu übernehmen. Grassler ist zwar nicht die Gründerin von Felfel, sondern Co-Leiterin des Unternehmens. Aber dennoch fühle es sich für sie wie ihr Baby an, sagt die 30-Jährige.
Schon während des Studiums hatte sie ihre erste Firma gegründet, die GlamBox, in der Werkstatt des Pianohauses. Die Kosmetikfirma verkaufte Grassler nach anderthalb Jahren an einen Konkurrenten. Nach Stationen beim Konsumgüterkonzern L’Oréal in Paris und der Zürcher Restaurant- und Ladenkette Die Gärtnerei landete sie schliesslich bei Felfel. Ihr war inzwischen klar geworden, «dass ich unbedingt in einer kleinen, sinnstiftenden Struktur arbeiten will, wo ich selber alles mit beeinflussen kann».
Zurück im Büro
Seit knapp vier Jahren arbeitet Anna Grassler nun bei Felfel und ist damit die mit Abstand dienstälteste «Felfelian». Ihr Enthusiasmus wirkt enorm ansteckend. Die Wahl-Zürcherin, die vor gut einem Jahr gemeinsam mit Finanzchef Jürg Schläpfer die Geschäftsleitung übernahm, leitet die Teams, die im Kundenkontakt stehen, und ist für das Wachstum und die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur zuständig.
Seit zwei Wochen ist die gesamte Belegschaft – über 90 Personen – wieder vom Büro aus tätig. Die Bürofläche wurde in der Zeit, in der wegen der Corona-Pandemie die meisten Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiteten, umgebaut und verdoppelt. Ein, im Nachhinein gesehen, ideal gewählter Zeitpunkt.
Die Kundenauswertung für den Lockdown zeigt: Diejenigen Mitarbeitenden, die nicht im Homeoffice arbeiteten, hatten klare Präferenzen. So wurden beispielsweise 250 Kilogramm Schokoladenbrownies aus den Felfel-Kühlschränken konsumiert. Gleichzeitig stieg der Absatz von Ginger-Shots um 35 Prozent.
Das Gingerwasser, das Rhabarber-Vanille-Wasser sowie der Chrütlitee werden in Rüti produziert. Zudem stellt Hey Life die Säfte und das Kokoswasser, welche es in den Felfel-Kühlschränken gibt, in Männedorf her. Mittlerweile kennt dank Felfel auch die halbe Schweiz die Schokoladenmanufaktur Taucherli aus Adliswil.
Wichtige Seeregion
Als Serviceanbieter installiert und betreibt Felfel seine Kühlschränke in den Büros der Kunden. Als infolge der Pandemie überall Homeoffice verfügt wurde, habe Felfel blitzartig einen Heimlieferservice für bestehende Kunden auf die Beine gestellt, die ihre Büros komplett schliessen mussten, sagt Grassler, «ohne Zusatzkosten».
Auch die Chefin beteiligte sich an der Aktion und lieferte per Auto aus. Die Corona-Zeit war für Felfel und insbesondere für Anna Grassler sehr intensiv, weshalb sie sich nach den Lockerungen erst mal Ferien gönnte. Unterdessen haben die meisten Büros wieder geöffnet, wenn auch vorerst nur im Schichtbetrieb. Entsprechend kommen die Felfel-Kühlschränke wieder zum Einsatz.
Ein Grossteil der Kunden von Felfel ist im Kanton Zürich zu Hause. Die Zürichseeregion bezeichnet Grassler als äusserst wichtig. Die beiden Seeufer seien ein einziges Ballungszentrum, wo viele KMU und Grosskonzerne ihre Büros hätten. Felfel sei immer auch eine Lösung für Unternehmen, die rundherum über wenig Verpflegungsmöglichkeiten mit Take-away-Optionen verfügten. In vielen Seegemeinden sei das der Fall. Grassler sieht hier deshalb noch grosses Wachstumspotenzial. Doch klar ist auch: «Es ist einfacher, die ersten 500 Kunden zu gewinnen als die zweiten 500.»
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