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Urteil wegen Nötigung und Sachbeschädigung 
Klimakleber Max Voegtli schuldig gesprochen 

Max Voegtli musste sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht in Zürich verantworten.
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Vor fast genau 500 Jahren hat sich Reformator Martin Luther vor dem Wormser Reichstag geweigert, seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel zurückzunehmen. Sein Ausspruch «Hier stehe ich, ich kann nicht anders» wird bis heute zitiert, auch wenn nicht klar ist, ob er dies wirklich gesagt hat.

Max Voegtli verzichtete am Dienstagnachmittag vor dem Bezirksgericht Zürich darauf, sich dieses Zitat zu eigen zu machen. Es hätte aber perfekt gepasst. Der 30-Jährige hatte zwar den Strafbefehl unter anderem wegen Nötigung und Sachbeschädigung und die damit verbundene bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Franken angefochten, aber keinen Freispruch verlangt. Er machte deutlich, dass er nicht anders konnte – auch wenn «ich nicht einer bin, der unbedingt gern Regeln bricht», wie er vor Gericht sagte.

Strafbefehl vollumfänglich bestätigt

«Hier stehe ich, ich kann nicht anders» hätte auch Einzelrichter Olav Hug sagen können. Er bestätigte den Strafbefehl in allen Teilen. Die am Freitagmorgen, 14. Oktober 2022, mindestens 25 Minuten dauernde Blockade des im Bereich des Sechseläutenplatzes fünfspurigen Utoquais durch sieben Personen von Renovate Switzerland sei eine Nötigung gewesen. Und das im Kunsthaus sich Festkleben am Holzrahmen von Giovanni Segantinis Grossgemälde «Alpweiden» eine Sachbeschädigung, verursacht durch die Leimspuren.

Zusammen mit einem Mitstreiter klebte sich Max Voegtli (r.) an den Rahmen des Gemäldes «Alpweiden» von Giovanni Segantini und beschädigte laut Strafbefehl den Rahmen.

Bereits im ursprünglichen Strafbefehl war festgestellt worden: Mit der unbewilligten Aktion hätten es die sieben Aktivisten den Automobilisten und den Buslinien 912/916 verunmöglicht, stadtauswärts Richtung Tiefenbrunnen oder stadteinwärts Richtung Quaibrücke oder Limmatquai zu fahren. Die Betroffenen seien gezwungen gewesen, entweder einen langen Umweg einzuschlagen oder im Stau zu stehen.

Blockade «ist kein notwendiges Mittel»

Voegtli rechtfertigte sein Handeln mit den sich häufenden Schreckensmeldungen, die weltweit zu beobachten seien: Unwetter, Überschwemmungen, Hitzerekorde, überhitzte Meere, Dürren, hitzebedingte Todesfälle, Waldbrände. Diese Ereignisse und der wissenschaftlich belegte Klimanotstand seien «die Basis meines Handelns, deswegen habe ich protestiert». Es sei das Ziel seiner Bewegung, die Bevölkerung mit gewaltfreien Aktionen und Protesten zu mobilisieren und Parlament und Regierung zum Handeln zu bringen.

Max Voegtli reiste extra aus dem Ausland für die Verhandlung an.

Demgegenüber nannte Einzelrichter Hug die Utoquai-Blockade «kein notwendiges oder einziges Mittel», um auf die Klimasituation aufmerksam zu machen. Wenn es um die Meinungsäusserungsfreiheit und nicht um die Störung des Verkehrs gegangen wäre, hätte die Gruppe auch auf dem Sechseläutenplatz auf ihre Anliegen aufmerksam machen können. Weil es mildere Formen des Protests gegeben hätte, könne Voegtli sich auf keinen Rechtfertigungsgrund berufen.

Voegtli verzichtet auf Weiterzug

Auch Notstand könne Voegtli nicht geltend machen. Laut Bundesgericht begründeten der Schutz der Umwelt oder damit zusammenhängend die Gesundheit der Bevölkerung keinen strafrechtlichen Notstand. Hug schlug Voegtli vor, legale Formen des Protests zu wählen. Es sei noch nie so einfach gewesen, mit so vielen Menschen in Kontakt zu kommen und seine Anliegen zu vertreten.

Davon wollte Voegtli in einer ersten Reaktion nach der Urteilseröffnung nichts wissen. Er habe jahrelang auf legale Art versucht, auf die Probleme aufmerksam zu machen – «wirkungslos». Widerstand sei Teil der Demokratie. Der 30-Jährige wird das Urteil nicht weiterziehen. Statt ihm habe das Gericht zwanzig Tage Zeit, sein Urteil zu ändern, meinte er. Denn es, das Gericht, müsse angesichts der Klimakatastrophe mit diesem Urteil leben.