Michelle WikiAuf diese Anwältin hofft die Schweiz
Sie ist hektisch und gelassen, Anwältin und Spitzensportlerin: Michelle Wiki (32) schöpft ihre Energie aus dem Unihockey – und verfolgt ein letztes grosses Ziel mit dem Nationalteam.
Michelle Wiki spricht wie ein Wasserfall: in einem Schwall – und sehr erfrischend. Wer sich mit der Zürcherin unterhält, spürt rasch, wie ihr Leben getaktet ist. «Ich bin eher nervös unterwegs», sagt Wiki, rührt mit der einen Hand den Löffel im Cappuccino, streicht mit der anderen die Haare zurecht. «Eigentlich renne ich meistens umher.» Und doch strahlt sie Gelassenheit aus, Gemütlichkeit auch, weil sie zugänglich ist, offen, vielseitig interessiert.
In einem Profil steht: «Michelle Wiki ist Anwältin mit Spezialgebiet Gesellschaftsrecht sowie Finanzmarkt- und Kapitalmarktrecht. Sie spielt in ihrer Freizeit Unihockey in der Nationalliga A und der Schweizer Nationalmannschaft.» Freizeit bedeutet: Wiki investiert durchschnittlich drei Stunden pro Tag in den Sport. Athletik- und Teamtraining, Spiele, Arbeit im mentalen Bereich, Ernährungsberatung, «das ganze Paket, welches zu einer Nationalspielerin gehört, die auf jeder Ebene das Beste herausholen will». So formuliert sie das.
«Mein Ehrgeiz ist gross: im Job und im Sport. Das bedingt, dass ich sehr diszipliniert bin.»
Und eben, Wiki ist Anwältin; sehr gerne sei sie das, sagt die 32-Jährige. «Ich arbeite acht, neun Stunden lang mit Leidenschaft im Büro. Aber meine Energie für den Tag hole ich mir am Morgen häufig durch die Gedanken ans Unihockeytraining am Abend.» Im Büro kapselt sie sich zuweilen ab, weil sie nicht bis halb acht arbeiten kann, sondern um halb sieben in Richtung Training aufbrechen muss. Das ist eine Herausforderung für jemanden, der stets für einen Schwatz zu haben ist. «Aber ich muss das durchstieren. Mein Ehrgeiz ist gross: im Job und im Sport. Das bedingt, dass ich sehr diszipliniert bin.»
Sie ging ein drittes Mal in die weltbeste Liga, weil sie Gold will
Die Unihockeyspielerin Wiki wird vom schwedischen Fachmagazin «Innebandymagazinet» unter den Top Ten der Welt aufgelistet. Viermal Schweizer Meisterin mit Kloten-Dietlikon, fünf WM-Teilnahmen für die Schweiz, einmal WM-Silber, dreimal Bronze. Ihre Bilanz im Nationalteam: 119 Spiele, 91 Tore, 2 Strafminuten.
Die Heim-WM 2019 hätte die Bühne des Abschieds sein sollen. Im Halbfinal gegen Tschechien schuf die Schweiz das «Wunder von Neuenburg», machte in den letzten zwei Minuten aus dem 2:6 ein 6:6. Wiki erzielte den Ausgleich – und schoss die Schweizerinnen in der Verlängerung in den WM-Final.
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Im Spiel um Gold gegen Schweden riss sich die Stürmerin im letzten Drittel das Innenband, verfolgte mit Bandage ums Knie und Tränen in den Augen, wie der Traum vom WM-Titel in der Verlängerung zerbarst.
Zwölf Wochen veranschlagten Physiotherapeuten und Ärzte für die Rückkehr. Wiki unterbot die Marke deutlich, wollte zumindest in der Meisterschaft den perfekten Abschied. Unmittelbar nach ihrem Comeback beendete Corona die Saison abrupt. Auf diese Weise aufhören? Das stimmte für die Zürcherin nicht.
Sie hängte ein weiteres Jahr bei Kloten-Dietlikon an, holte im Frühling 2021 gegen die Skorpions Emmental den Titel, erzielte im Superfinal beim 4:2 drei Tore. Es war ihr Abschiedsgeschenk ans Team, ihr letzter Abdruck im nationalen Unihockey – nicht aber das Ende der Karriere.
«Wir haben das Märchen in Neuenburg nicht zu Ende geschrieben», sagt Wiki. Sie hat nochmals eine Saison aufs Unihockey ausgerichtet; mit dem Ziel, bestmöglich vorbereitet ihre letzte WM zu bestreiten. In der Schweiz kam die Anwältin wegen der Doppelbelastung an den Anschlag. Weshalb sie sich für den Wechsel in die weltbeste Liga nach Schweden entschied. Sie spielt bei Sirius in Uppsala, 70 Kilometer nördlich von Stockholm.
Die WM wird für Wiki zum Heimspiel, finden die Titelkämpfe doch just in Uppsala statt. Der Schweizer Nationaltrainer Rolf Kern hat viel unternommen, damit das Gros der Equipe von 2019 für einen weiteren WM-Zyklus zusammengeblieben ist. Wiki ist überzeugt: «Mit diesem Team können wir den letzten Schritt noch machen.»
Im Beruf werden die Gespräche lockerer, wenn es um Sport geht
Die Angreiferin spielt und lebt zum dritten Mal in Schweden. Jedes Engagement war auf ihre Ausbildung zur Anwältin abgestimmt. Beim ersten Aufenthalt war sie Jurastudentin im Austauschsemester, beim zweiten lernte sie für die Anwaltsprüfung. Jetzt absolviert sie in Stockholm einen zusätzlichen Studiengang. Es handelt sich um eine Art Doppel-Master mit der Möglichkeit, sich in ein spezifisches Rechtsgebiet zu vertiefen.
«Als junge Frau braucht es manchmal zusätzliche Argumente, damit man dir glaubt und vertraut.»
Sportlich lief es Wiki jüngst durchzogen, sie kam in der Meisterschaft nicht auf Touren. Das Studium absorbiert sie mehr als gedacht, zudem bearbeitet sie aus der Distanz weiterhin Projekte ihrer Zürcher Kanzlei. «Mein Ehrgeiz kommt mir in die Quere», sagt die 32-Jährige und lacht. Und doch sei es eine andere, sanftere Art von Druck. Das Athletiktraining zum Beispiel muss sie nicht zu Randzeiten absolvieren, es bleibt mehr Zeit für Schlaf, Regeneration, kurz: «In Schweden bin ich eine Unihockeyspielerin.»
Nun ist das Berufsfeld der Anwälte auch durch Überzeit und exzessives Arbeiten gekennzeichnet. Wiki weiss: Ihr Weg ruft nicht nur Bewunderung hervor. Eine solche Doppelbelastung, das könne ja gar nicht aufgehen, kriege sie zu hören. Doch ihr Dasein als Sportlerin öffne auch Türen. «Häufig werden Gespräche mit Klienten lockerer, sobald der Sport zum Thema wird», sagt die Anwältin.
Worauf der Chef meinte: «Dann kennen Sie Frau Wiki nicht!»
Wenn, dann seien Zweifel eher aufs Geschlecht bezogen. «Was ich empfinde: Als junge Frau braucht es manchmal zusätzliche Argumente, damit man dir glaubt und vertraut.» Sie erinnert sich an eine Beratung, als ausgerechnet eine Frau in Wikis Beisein ihren Chef fragte, ob nicht ein Mann in der Verhandlung einen stärkeren Eindruck mache. Worauf der Chef meinte: «Dann kennen Sie Frau Wiki nicht!»
Wiki tritt nicht vor Gericht auf. Sie berät Sportlerinnen und Sportler, Verbände und Clubs – etwa in Vertragsfragen oder in Bezug auf Anlässe mit rechtlichen Komponenten. Zudem unterstützt sie Start-ups, verhandelt mit Investoren. Noch holt sie viel Drive für die Arbeit im Sport. Aber das Ende ist absehbar: Nach dieser Saison soll Schluss sein, «sehr wahrscheinlich».
Das Leben ohne Unihockey? «Ganz ehrlich», sagt Michelle Wiki, dieser Gedanke mache sie nervös.
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