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Krieg in der Ukraine
Auch wenn die Stadt fällt: Mariupol ist für Moskau ein Problem

Sie brachten Tod, Leid und Zerstörung: Russische Soldaten in Mariupol.
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Selbst wenn die Stadt in den nächsten Tagen eingenommen wird, selbst wenn nun die angebliche Kapitulation ukrainischer Soldaten gemeldet wird und Russland sich bereits mit Bildern von Soldaten, die Brote an die Bevölkerung verteilen, als Befreier inszeniert: Mariupol ist für Moskau ein Problem. Seit Wochen wird die Hafenstadt im Südosten der Ukraine von der russischen Armee belagert und beschossen, sie bleibt aber standhaft, trotz der extremen Umstände.

«Die Menschen dort sind von der Welt abgeschnitten, sie haben keine Nahrung, kein Wasser, keinen Strom, und es ist noch immer sehr kalt», sagt Lucile Marbeau. Sie arbeitet für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in der Ukraine und begleitete einen der Konvois, mit denen vergangene Woche etwa 1000 Menschen aus der Stadt evakuiert wurden. «Man kann an ihrer blassen und grauen Haut sehen, dass diese Menschen wochenlang in Bunkern sassen und kein Sonnenlicht gesehen haben.»

Das IKRK konnte nicht bis ganz nach Mariupol vordringen. Evakuiert werden konnten nur Menschen, die es etwa 20 Kilometer aus der Stadt herausgeschafft hatten, darunter auch unbegleitete Kinder. Marbeau erzählt von einem 14 Jahre alten Mädchen, das alleine geflohen ist. «Zurück bleiben Menschen mit Behinderungen, alte Menschen, die Verwundbarsten.»

Symbol des ukrainischen Widerstands

Für die Ukraine ist Mariupol längst zu einem Symbol des Widerstands, ja zu einem Symbol für das ganze Land geworden, das sich erbittert einem übermächtigen Angreifer entgegenstellt. Aber auch auf russischer Seite weiss man natürlich um diese Symbolik und wahrscheinlich hat diese Bedeutung dazu beigetragen, dass die russischen Truppen besonders brutal vorgegangen sind.

Das wochenlange Bombardement und das Abschneiden der Zivilbevölkerung von jeder Versorgung sollten so viel Schrecken verbreiten, dass sich der Rest des Landes kampflos ergibt. So ist es nicht gekommen, im Gegenteil, es scheint, die Brutalität der Invasoren hat die Ukrainer sogar noch entschlossener gemacht.

Selbst dass prorussische Separatisten mit dem Einsatz von Chemiewaffen drohten, konnte daran nichts ändern. Ukrainische Streitkräfte in der Stadt berichteten am Montag über Soldaten und Zivilisten, die Symptome hatten wie nach einem Angriff mit Nervengift. Die Separatisten stritten den Einsatz chemischer Waffen aber ab.

Unabhängig davon, ob solche Kampfstoffe in der Stadt wirklich zum Einsatz gekommen sind, zeigt schon die Drohung, dass Russland seine Strategie nicht aufgegeben hat, mit einem besonders brutalen Vorgehen in Mariupol auch den Rest des Landes terrorisieren zu wollen. Einen ähnlichen Zweck erfüllen Berichte über angeblich mehr als 1000 ukrainische Soldaten und Soldatinnen, die sich ergeben haben sollen.

Für Moskau geht es nicht nur um den strategischen Standort Mariupols. Es geht auch um ein Narrativ

Zuletzt hiess es, den ukrainischen Verteidigern gingen Munition und Lebensmittel aus, eine Kapitulation sei deshalb nicht unwahrscheinlich. Unter anderem der Propagandasender Russia Today zeigte Videos, in denen angebliche ukrainische Soldaten ruhig und geordnet in Bussen abtransportiert werden. Mehrere Twitter-Accounts, bei denen es sich vermutlich um Bots handelt, verbreiteten die Bilder mit dem immer gleichen Kommentar, niemand würde ukrainische Soldaten schlagen oder töten.

Nach den Massakern in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine sind Zweifel angebracht daran, dass ukrainische Kriegsgefangene von Russland gut behandelt werden. Nach der Genfer Konvention dürften sie schon nicht gefilmt werden.

Wichtig für geplante Grossoffensive

Diese Terror- und Propaganda-Massnahmen zeigen: Für Moskau geht es nicht nur um den strategischen Standort Mariupols. Es geht auch um ein Narrativ. Die Hafenstadt ist wichtig, wenn Russland eine Landbrücke zur besetzten Krim halten möchte, und auch für eine geplante Grossoffensive können sich die russischen Streitkräfte keine ukrainischen Truppen in ihrem Rücken leisten.

Russland braucht dringend Erfolge, nachdem die Angriffe im Norden des Landes, auch wenn die russische Führung das anders darstellt, katastrophal gescheitert sind. Dafür wird eine späte Eroberung der Stadt kaum ausreichen. Denn Mariupol ist längst auch zum Symbol für das Scheitern der russischen Armee geworden, die es wochenlang nicht schafften, die belagerte Stadt einzunehmen. Russland wird versuchen, dieses Bild mit allen Mitteln zu bekämpfen.