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Italiens Reaktionen nach dem 1:1
Auch das «Glück aus dem Himmel» war nicht genug

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Die Italiener, dem euphorischen Pathos durchaus zugewandt, können auch brutal mit sich selbst ins Gericht gehen. Gerade im Fussball, und gerade wenn sie sich betrogen fühlen in ihrer Liebe und in ihren Erwartungen. «Wir waren hässlich, schmutzig und zu wenig intensiv», schreibt der «Corriere dello Sport» in seinem Kommentar auf der ersten Seite, und da kommt natürlich viel zusammen.

Das Unentschieden gegen die Schweiz im römischen Showdown, der die bösen Geister hätte vertreiben sollen, schickt die Azzurri in die «Finsternis des Playoffs», wie es «La Repubblica» schon unheilvoll und irgendwie kulturpessimistisch vorwegnimmt. Alles weg, der ganze Glanz aus dem Zaubersommer.

Nun kann es ja vorkommen, dass eine Mannschaft, die vor weniger als einem halben Jahr die beste Europas war, sich selbst verloren geht. Titel lockern bekanntlich die Spannung, Applaus ist der Vorbote der Selbstgefälligkeit. Aber gleich so?

Bis vor kurzem riefen sie Jorginho noch Maestro, als wäre er ein Nachfahre Pirlos – jetzt bekommt er einiges ab.

Die Italiener spielten langsam, unpräzis, vor allem das Mittelfeld: völlig überpowert von den Schweizer Gegenparts, die sich je einen Italiener vornahmen. Manuel Locatelli, Held des 3:0 gegen die Schweiz im Juni? Nicht einmal ein Schatten seiner selbst. Nicolò Barella ging angeschlagen ins Spiel, das sah man in jeder Aktion – vielleicht hätte ein ganzer Sandro Tonali oder ein ganzer Bryan Cristante die beiden Ausfälle halbiert.

Als würde er am liebsten im Boden versinken: Jorginho hat erneut einen Penalty verschossen, Leonardo Bonucci versucht, ihn aufzurichten. 

Und dann war da noch Jorginho, den sie bis vor kurzem Maestro riefen, als wäre er ein Nachfahre Pirlos, der gehandelt wird für den Gewinn des Ballon d’Or des weltbesten Spielers des Jahres – er bekommt jetzt einiges ab.

Jorginho ist ein Balancespieler, einer, der das Gewoge eines Spiels mit Feinschräubeln verschieben und adjustieren kann. Meistens horizontal, selten vertikal. Die Italiener mögen solche Spieler, sie beruhigen das Gemüt. Aufs Tor schiesst er nie, buchstäblich: nie. Ausser, wenn der Ball still auf dem Kreidepunkt elf Meter vor dem Tor liegt. Er ist, was die Italiener einen «rigorista» nennen, von rigore, italienisch für Strafstoss: ein gesetzter Penaltyschütze.

Zweifel im Gesicht

Bis zum EM-Final im Wembley gegen England hatte der eingebürgerte Brasilianer im Nationalteam alle seine Elfmeter verwandelt, sechs nacheinander. Und seither? Drei vergeben, einen im Final, dann einen in Basel gegen die Schweiz und nun wieder einen gegen die Schweiz in Rom – und was für einen, einen Matchball in der 90. Minute.

Der «Corriere dello Sport» schreibt es so: «Das Glück fiel aus dem Himmel, es hat versucht, uns zu helfen», so zufällig war er, so umstritten auch, ein Geschenk in jeder Hinsicht. Die italienischen Medien wollen in Jorginhos Gesicht einen Zweifel schimmern gesehen haben, dieses Bangen vor einer negativen Serie. Der Ball entschwebte in den feuchten Römer Nachthimmel, der «rigorista» suchte die Schuld im Rasen, wars eine Platznarbe? Dann zog er den Kopf ein.

Man müsste verrückt sein, wenn man an ihm festhielte. Vielleicht hätten schon zwei verschossene Penaltys in Folge den Trainer umstimmen können, sollen, müssen. Doch Roberto Mancini sollte später sagen: «Jorginho ist unser rigorista, er traute es sich zu, und deshalb war es richtig, dass er ihn schoss.» Jeder verhaue mal. Einmal? Zweimal, dreimal. Auch Mancini, der Halbheilige, kriegt sein Fett ab. Er habe an Getreuen festgehalten, obschon sie ganz offensichtlich nicht in Form sind, schon länger nicht, heisst es.

Auch er kriegt sein Fett ab: Trainer Roberto Mancini.

Nun also muss Belfast entscheiden, das letzte Spiel, und «Belfast» steht in der Geschichte des italienischen Fussballs wie ein Mahnort. Dreimal war Italien an einer WM nicht mit dabei: 1930 wollte man nicht nach Uruguay fahren, das war freiwillig. 2018 verpasste man die Endrunde in Russland, weil man im Playoff an Schweden gescheitert war.

Und dann war da noch 1958, WM in Schweden. Für die Qualifikation hätte ein Unentschieden gegen Nordirland gereicht, eine Formalität. Man fuhr nach Belfast – und verlor 1:2.

Diesmal muss Italien gewinnen, möglichst hoch, und hoffen, dass die punktgleichen Schweizer gegen Bulgarien nicht sehr, sehr hoch gewinnen. In den italienischen Zeitungen gibt es nun elaborierte Stücke darüber, wer in welchem Fall sich qualifiziert, alle Szenarien im Detail, durchgerechnet für den Montagabend. In manchen Konstellationen wird das Kleingedruckte des Reglements entscheidend sein (wie sich die Schweiz direkt qualifiziert, lesen Sie hier).

«Wenn du normal spielst, bist du ein normaler Gegner»

Mancini sagt, er sei optimistisch. Im Sommer hätte das gereicht, um das Land aufzurichten und anzustecken. Der fröhliche Optimismus des «Mancio» war so etwas wie der Flügelschlag des Glücksvogels. Nun ist auch der weg.

In solchen Tagen muss man immer Mario Sconcerti lesen, den grandiosen Analysten des italienischen Fussballs seit Jahrzehnten, mittlerweile Chefkommentator des «Corriere della Sera». Er schreibt es so: «Wenn du normal spielst, bist du ein normaler Gegner. Dann hast du nichts mehr als die Schweiz. Man hat es gesehen: zwei Herbstpartien, beide gingen unentschieden aus. Und du kannst nicht einmal behaupten, dass du glücklos warst.»

Ein Satz wie eine Schlusssentenz: Hätten die Italiener verloren, zweimal, es wäre nicht unverdient gewesen. So normal sind sie geworden, im Herbst nach dem schönen Sommer. «Italia al buio», titelt «La Stampa», Italien in der Dunkelheit.

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