Angriff auf AfDTino Chrupalla wurde gestochen – aber von wem?
Der Parteichef präsentiert ein Gutachten, das einen «Anschlag» gegen ihn belege. Die Justiz bestätigt einen Einstich. Gift wurde in seinem Blut bisher keines gefunden.
Vor einer Woche war Tino Chrupalla vor einer Wahlveranstaltung in Bayern zusammengebrochen und musste notfallmässig ins Spital gebracht werden. Die AfD sprach kurz danach bereits von einem «Anschlag». Der Parteichef sei in den Oberarm gestochen worden. Nun hat der 48-Jährige den Vorfall erstmals aus eigener Sicht geschildert.
Kern von Chrupallas Darstellung war der Befund einer Dresdener Klinik, welche die mutmassliche Einstichstelle untersuchte. Die Pathologen stellten einen «Einstich» von mindestens 4 Millimetern Tiefe fest – laut Chrupalla wahrscheinlich durch eine feine Nadel. Für den Stich eines Tiers, so der Bericht, sei die Stelle jedenfalls «eher untypisch».
Suche nach Gift kann noch Wochen dauern
Chrupalla wertete den Stich als Beleg dafür, dass ein «Anschlag» gegen ihn verübt worden sei. Zwar seien in seinem Blut bisher keine Gifte gefunden worden; diese Suche könne aber noch Wochen dauern. An Spekulationen über die Täter wolle er sich nicht beteiligen. Dies herauszufinden, sei Sache von Justiz und Polizei in Ingolstadt.
Die zuständige Oberstaatsanwältin Veronika Grieser teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, man gehe mittlerweile ebenfalls davon aus, dass Chrupalla gestochen worden sei. Erwiesen sei auch, dass der Blutfleck auf dessen Kleidung vom Politiker selbst stamme.
Die Behörden vernehmen weitere Personen
Die Justiz ermittelt bereits seit letzter Woche wegen des Verdachts auf Körperverletzung. Bis jetzt sei, so Grieser, nicht bekannt, wie die Verletzung entstanden sei oder wer sie dem Politiker beigebracht habe. Um diese Frage zu klären, würden weitere Zeugen vernommen und Videoaufzeichnungen gesichtet. Einen konkreten Verdacht habe man bis anhin nicht.
Chrupalla erzählte erstmals selbst, wie er den Vorfall erlebt hatte. Er habe mit zahlreichen Leuten für Fotos posiert und sei dafür auch an der Schulter umfasst worden, habe aber zu keinem Moment einen Stich verspürt. Auch habe niemand, auch nicht seine Personenschützer, einen Stich beobachtet. Sieben, acht Minuten später sei er auf einmal zusammengebrochen. Sein Oberarm habe geschmerzt, an einem Ort, an dem ein Blutfleck zu sehen gewesen sei, habe er einen Schmerz wie nach einem Stich gespürt.
«Wie kann man als Politiker in Deutschland künftig noch sicher öffentlich auftreten?»
Der Angriff gegen ihn, zog Chrupalla Bilanz, betreffe nicht nur ihn selbst oder seine Partei. Die gesamte Politik habe Anlass, alarmiert zu sein: «Wie kann man als Politiker in Deutschland künftig noch sicher öffentlich auftreten?» Vielleicht sei man mit den Gefahren bisher «zu leichtsinnig» umgegangen – auch die AfD. Chrupalla kündigte am Rande der Medienkonferenz an, er und Co-Chefin Alice Weidel würden aus Sicherheitserwägungen bis Ende Jahr an keinen politischen Freiluftveranstaltungen mehr teilnehmen.
Seit dem Vorfall wird in Deutschland um dessen Deutung gestritten. Katrin Ebner-Steiner, Spitzenkandidatin der AfD im bayerischen Wahlkampf, hatte sogleich von einem «Attentat» gesprochen und «Merkel, Söder und Konsorten» für die Hetze gegen ihre Partei und für den Anschlag verantwortlich gemacht. Die Polizei tue nichts, um die AfD zu beschützen.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte die Vorwürfe «infam und hinterfotzig» und warf der AfD vor, den Vorfall im Wahlkampf zu instrumentalisieren, statt die Ermittlungen von Polizei und Justiz abzuwarten.
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