Nach Drohungen gegen Alice WeidelAfD spricht von Angriff auf Parteichef
Tino Chrupalla liegt im Spital, seine Partei sagt, er sei angegriffen worden. Die Polizei nennt es einen «medizinischen Vorfall», ermittelt aber. Weidel ist derzeit auf Mallorca in den Ferien.
Stimmt, was die Alternative für Deutschland sagt, dann gab es zuletzt eine Anschlagsdrohung und einen tätlichen Angriff auf die Spitze ihrer Partei. Zuerst wurde gestern bekannt, dass es nach Drohungen gegen Alice Weidel am 23. September einen Einsatz der Schweizer Polizei an ihrem zweiten Wohnsitz in Einsiedeln gegeben habe. Die 44-Jährige lebt dort mit ihrer Schweizer Partnerin und zwei Kindern. Die deutsche Politikerin sei wegen der Drohung an einen sicheren Ort gebracht worden.
Bekannt wurde der Vorfall, weil Weidel am Dienstag an einer Veranstaltung im bayerischen Landtagswahlkampf fehlte. Die Partei begründete ihre Absenz öffentlich damit, dass ihrer Spitzenpolitikerin und deren Familie mit einem Anschlag gedroht worden sei. Weidel sei an einen sicheren Ort gebracht worden, den sie nicht verlassen dürfe. Die Politikerin selbst entschuldigte sich beim Publikum mit einer Videobotschaft. Leider könne sie derzeit nicht öffentlich auftreten.
Tatsächlich war sie am fraglichen Tag, 3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, mit ihrer Familie auf Mallorca und wurde dort in einem Strandrestaurant gesehen, wie der «Spiegel» gestern Abend berichtete. Weidels Sprecher bestätigte dies auf Anfrage der Nachrichtenwebsite.
Nach dem «doch sehr aufrührenden Ereignis vom 23. September» sei die Familie der Empfehlung gefolgt, «einige Zeit ihrer häuslichen Umgebung fernzubleiben, welche ein mutmassliches Anschlagsziel war», so der AfD-Sprecher. Weidel habe sich «nach den bedrohlichen Eindrücken dafür entschieden, bei ihrer Familie zu sein».
Sie habe sich «aus Sicherheitsgründen dagegen entschieden, ihren Aufenthaltsort zu kommunizieren». Das Bundeskriminalamt dementierte derweil, es habe Weidel zu einer Absage öffentlicher Auftritte geraten. Es liege derzeit keine besondere Bedrohungslage vor.
Angriff mit einer Spritze?
Kurze Zeit später meldete die AfD, dass es an einem Wahlkampfanlass im bayerischen Ingolstadt einen «tätlichen Vorfall» gegen Tino Chrupalla gegeben habe, der wie Weidel Co-Chef der Partei ist. Zwei junge Männer, so meinten AfD-nahe Medien und Sympathisanten, hätten Chrupalla in einer Menschenmenge mit einer Spritze angegriffen. Der 48-Jährige musste jedenfalls mit einem Krankenwagen ins Spital gebracht werden und verbrachte die Nacht unter intensivmedizinischer Betreuung.
Chrupalla sei ansprechbar gewesen, sagte ein AfD-Sprecher in der Nacht der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Die mit den Ermittlungen betraute Kriminalpolizei sprach in einer Mitteilung nicht von einem Angriff, sondern von einem «medizinischen Vorfall». Eine offensichtliche Verletzung sei vor Ort nicht erkennbar gewesen. Es werde ermittelt, ob Dritte beteiligt gewesen seien.
Polizei: Bisher keine Hinweise auf Angriff
Am Morgen sagte ein AfD-Sprecher der DPA, Chrupalla liege «weiterhin auf der Intensivstation», und sprach von einer «Einstichstelle». Laut Staatsanwaltschaft ist ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Körperverletzung eingeleitet worden. Das Verfahren laufe gegen unbekannt, einen konkreten Verdächtigen gebe es nicht, sagte eine Sprecherin.
Am Nachmittag teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit, Chrupalla habe vor der Veranstaltung Schmerzen im Oberarm verspürt. Im Spital sei dort später eine «oberflächliche Rötung bzw. Schwellung» festgestellt worden. Dem AfD-Chef seien Blutproben entnommen worden, zudem soll seine Kleidung untersucht werden. Die Ergebnisse stünden in beiden Fällen noch aus. Bisher gebe es aber keinerlei Hinweise auf einen Angriff.
Laut «Spiegel» haben auch Chrupalls Personenschützer nichts von einer Attacke mitbekommen. Vor Ort sei eine Pinnwandnadel gefunden worden. Es sei aber unklar, ob diese mit dem Vorfall etwas zu tun habe.
Weidel wie Chrupalla, die beide auch Bundestagsabgeordnete sind, werden bei Auftritten seit Jahren von Beamten des Bundeskriminalamtes geschützt. In diesem Jahr haben die Angriffe und Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker in Deutschland noch einmal deutlich zugenommen.
Am meisten Angriffe gegen Grüne
Am meisten Attacken gab es im ersten Halbjahr gemäss Innenministerium gegen die Grünen (300), gegen die Sozialdemokraten (150) und die AfD (120). Vor allem die starke Zunahme der Angriffe gegen die Grünen war zuletzt von Medien thematisiert worden. In den vergangenen Jahren war meist die AfD die Partei gewesen, deren Politikerinnen und Politiker, Büros und Autos am meisten attackiert wurden.
Am Sonntag werden in Bayern und in Hessen neue Landtage gewählt, deswegen gibt es derzeit besonders viele politische Veranstaltungen. Die AfD erwartet in beiden Bundesländern ausgezeichnete Ergebnisse, klagt aber darüber, dass in den etablierten Medien kaum über sie berichtet werde.
Die AfD sieht sich häufig als Opfer
Vor allem in Bayern ist der Wahlkampf nicht selten gehässig, Rednerinnen und Redner von Grünen oder AfD werden teilweise niedergebrüllt oder niedergepfiffen. Beide Parteien geben der jeweils anderen politischen Seite die Schuld an der Verrohung der politischen Kultur im Land.
In den sozialen Medien führten die Vorfälle um Weidel und Chrupalla unter Sympathisanten zu einer Empörungswelle. Die Angriffe seien eine direkte Folge der «Hetze der Altparteien», so der Tenor. Viele beschuldigten zudem die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie die «Mainstreammedien», nicht oder nur relativierend über die «Anschläge» zu berichten.
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