Mutmasslicher Jihadist vor GerichtAngeklagter streitet Absicht zur Ausreise nach Syrien ab
Ein mutmasslicher IS-Anhänger aus dem Kanton Schaffhausen steht wegen Widerhandlung gegen das IS-Gesetz und Gewaltdarstellungen vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 48 Monaten.
Die Bundesanwaltschaft hat eine Freiheitsstrafe von 48 Monaten für einen in Schaffhausen wohnhaften Türken wegen Widerhandlung gegen das IS-Gesetz und Gewaltdarstellungen gefordert. Der 26-Jährige bestreitet den Vorwurf, 2019 die Ausreise zum IS in Syrien beabsichtigt zu haben.
Die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten fallen in die Zeit vom Mai bis Ende Oktober 2019. Der Angeklagte habe eine in Österreich lebende Minderjährige in ihrer positiven Haltung zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) massgeblich gestützt, führte die Bundesanwaltschaft (BA) aus. Der Chat-Verlauf über die sozialen Medien und die bei den österreichischen Strafverfolgungsbehörden gemachten Aussagen der aus Afghanistan stammenden Jugendlichen seien explizit und eindeutig.
Sie würden klare Anweisungen und Pläne des jungen Türken beinhalten. Der Angeklagte habe die junge Frau heiraten und dann mit ihr nach Syrien reisen wollen. Er habe sie gedrängt, sagte der Staatsanwalt des Bundes. Über eine Heirat habe er auch mit zwei weiteren Frauen kommuniziert. Eine von ihnen habe den Kontakt abgebrochen, weil sie sich zu stark unter Druck fühlte.
Alles in allem zeigten die Untersuchungsergebnisse einen zutiefst überzeugten und gewaltbereiten Mann, der seine Absichten in die Tat habe umsetzen wollen. Die Aussagen der jungen Frau seien sehr glaubwürdig und sie habe sich damit auch selbst belastet. Unterdessen ist sie rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden.
Grosse Beachtung
In der Winterthurer Salafistenszene hat der 26-Jährige laut Staatsanwalt durch seine Bearbeitung, Übersetzung und Verbreitung von vor allem türkischsprachiger Propaganda Anerkennung erlangt. Er habe dafür eigens eine Medienagentur gegründet und bis nach Deutschland Beachtung gefunden. Der Aufruf an die jungen Muslime sei eindeutig.
Er habe niemals in Syrien in den Jihad ziehen wollen, erklärte hingegen der Angeklagte vor dem Bundesstrafgericht. Auch sei der Vorwurf der BA unzutreffend, dass er die in Österreich wohnhafte Minderjährige in ihrer Absicht gestärkt habe, sich dem IS anzuschliessen. Die beiden begegneten sich nie und tauschten sich mit Nachrichten über die sozialen Medien aus.
Darin vereinbarten sie laut Anklage eine Heirat nach islamischem Recht. Dazu sollten sie sich in Hamburg (D) treffen um anschliessend nach Syrien zu reisen. So lautet der Vorwurf in der Anklageschrift. Der Angeklagte bestätigte vor Gericht seine Absicht, die junge Frau zu heiraten. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass sie 18 und nicht erst 17 Jahre alt sei. Zudem habe er sie durch die Heirat von der IS-Ideologie abbringen wollen.
Anerkannt hat der junge Türke die Anklagepunkte hinsichtlich der Bearbeitung und Verbreitung des Propagandamaterials. Der Angeklagte versah Videos, die er auf Youtube und Telegramm gefunden hatte, mit Untertiteln und dergleichen. Auf seinem Handy fand die BA jedoch auch 221 Videodateien und 30 Fotos.
Grausame Szenen
Der Staatsanwalt des Bundes erklärte, dass auf allen Dateien Gewaltdarstellungen zu finden seien. In der Anklageschrift sind nur 60 der Video näher umschrieben. Diese Dateien enthalten laut den Ausführungen äusserst grausame Szenen von Hinrichtungen, Leichen, Körperteilen oder Kindersoldaten.
Warum er solche Videos schaute? Weil er dazugehören wollte. Dieses Bemühen um Zugehörigkeit nannte der Angeklagte immer wieder in verschiedenem Zusammenhang. Er fühlte sich bei den Salafisten der Winterthurer Gruppe aufgenommen, so wie er war.
Der Ideologie des IS habe er aber abgeschworen – gleich zu Beginn der ab Ende Oktober 2019 140 Tage dauernden Untersuchungshaft. Ein Deradikalisierungs-Programm hat der Angeklagte nie besucht. Er habe dies nicht für nötig befunden, weil es sich schon stark von der IS-Ideologie gelöst habe.
Rechtsradikale Gruppe
Anderen Gruppierungen gehöre er nicht an, sagte der Angeklagte. Etwas quer steht dabei der Fakt, dass er bei der letzten Befragung durch die BA mit einem Abzeichen der Grauen Wölfe erschien. Es handelt sich dabei um die Bezeichnung der türkischen Rechtsextremisten.
Damit konfrontiert erklärte der Angeklagte, dass er nicht genau gewusst habe, wofür das Zeichen stehe. Gemäss BA habe er jedoch früher gesagt, dass er Teil der Organisation gewesen sei.
SDA/sep
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